Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.p1c_156.001 p1c_156.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0214" n="156"/><lb n="p1c_156.001"/> ich meinen Durst lösche.“ (Hier nähert sich das Niedliche <lb n="p1c_156.002"/> schon der Grazie.) Hierher gehört die Schilderung des <lb n="p1c_156.003"/> Jndischen Amors (eines Sohnes des Himmels und der <lb n="p1c_156.004"/> <hi rendition="#g">Täuschung</hi>), der mit Bogen und Pfeil auf einem Papagey <lb n="p1c_156.005"/> reitet. ─ Der Vogel, der traurig den Abschied der <lb n="p1c_156.006"/> Sakontala empfindet ─ Sakontalas rechtes Auge, das als <lb n="p1c_156.007"/> eine böse Vorbedeutung zittert (hier nähert sich das <hi rendition="#g">Niedliche</hi> <lb n="p1c_156.008"/> sogar dem <hi rendition="#g">Grausenden</hi>). ─ Kein Volk hat aber <lb n="p1c_156.009"/> das <hi rendition="#g">Niedliche schöner, reiner</hi> dargestellt, als die <lb n="p1c_156.010"/> Griechen. Vorzüglich muß hier Anakreon genannt werden, <lb n="p1c_156.011"/> zu dem ein Englischer Dichter den Kupido sagen läßt: <hi rendition="#aq">All <lb n="p1c_156.012"/> thy verse is softer far, than the downy feathers are <lb n="p1c_156.013"/> of my wings, or of my arrows, of my mothers <lb n="p1c_156.014"/> doves or sparrows, graceful clearly, smooth and <lb n="p1c_156.015"/> round, all with Venus girdle bound</hi>. ─ Jedes seiner <lb n="p1c_156.016"/> Gedichte ist ein Miniaturgemälde, und sinkt doch nie zum <lb n="p1c_156.017"/> <hi rendition="#g">Läppischen</hi> oder <hi rendition="#g">Gemeinen</hi> herab, welches die Klippe <lb n="p1c_156.018"/> für das <hi rendition="#g">Niedliche</hi> ist; sehr oft verbindet er das <hi rendition="#g">Niedliche</hi> <lb n="p1c_156.019"/> mit der <hi rendition="#g">Grazie,</hi> mit dem <hi rendition="#g">Naiven,</hi> ja sogar mit <lb n="p1c_156.020"/> dem <hi rendition="#g">Erhabenen.</hi> Was kann zarter seyn, als seine <lb n="p1c_156.021"/> <hi rendition="#g">Taube.</hi> <foreign xml:lang="grc">Πιεῖν δε μοι διδωσι τον ὀῖνον ὁν προπινει</foreign>. <lb n="p1c_156.022"/> <foreign xml:lang="grc">Πιουσα δ</foreign>'<foreign xml:lang="grc">αν χορευσω και δεεποτην' Ανακρεοντα πτεροῖσι</foreign> <lb n="p1c_156.023"/> <foreign xml:lang="grc">συγκαλυψω</foreign>. <foreign xml:lang="grc">Κοιμωμενη δ</foreign>'<foreign xml:lang="grc">ἐπ' ἀυτῳ τῳ βαρβιτῳ καθευδω</foreign>. <lb n="p1c_156.024"/> ─ So erhaben die Schilderung beym Pindar ist <lb n="p1c_156.025"/> (<hi rendition="#aq">Pyth. <foreign xml:lang="grc">α</foreign>.) <foreign xml:lang="grc">Ἑυδει δ</foreign>'<foreign xml:lang="grc">ἀνα σκαπτῳ Διος ἀιετος, ὠκεῖαν</foreign> <lb n="p1c_156.026"/> <foreign xml:lang="grc">πτερυγ' ἀμφοτερωθεν χαλαξαις, ἀρχος ὀιωνων</foreign>; <foreign xml:lang="grc">κελαινῶπιν</foreign> <lb n="p1c_156.027"/> <foreign xml:lang="grc">δ</foreign>'<foreign xml:lang="grc">ἐπι ὁι νεφελαν ἀγκυλῳ κρατι</foreign> (<foreign xml:lang="grc">βλεφαρων ἁδυ</foreign> <lb n="p1c_156.028"/> <foreign xml:lang="grc">κλαιστρον</foreign>) <foreign xml:lang="grc">ἐγκατεχευας</foreign>. <foreign xml:lang="grc">Ὁ δε κνωσσων ὑγρον νῶτον</foreign> </hi></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [156/0214]
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ich meinen Durst lösche.“ (Hier nähert sich das Niedliche p1c_156.002
schon der Grazie.) Hierher gehört die Schilderung des p1c_156.003
Jndischen Amors (eines Sohnes des Himmels und der p1c_156.004
Täuschung), der mit Bogen und Pfeil auf einem Papagey p1c_156.005
reitet. ─ Der Vogel, der traurig den Abschied der p1c_156.006
Sakontala empfindet ─ Sakontalas rechtes Auge, das als p1c_156.007
eine böse Vorbedeutung zittert (hier nähert sich das Niedliche p1c_156.008
sogar dem Grausenden). ─ Kein Volk hat aber p1c_156.009
das Niedliche schöner, reiner dargestellt, als die p1c_156.010
Griechen. Vorzüglich muß hier Anakreon genannt werden, p1c_156.011
zu dem ein Englischer Dichter den Kupido sagen läßt: All p1c_156.012
thy verse is softer far, than the downy feathers are p1c_156.013
of my wings, or of my arrows, of my mothers p1c_156.014
doves or sparrows, graceful clearly, smooth and p1c_156.015
round, all with Venus girdle bound. ─ Jedes seiner p1c_156.016
Gedichte ist ein Miniaturgemälde, und sinkt doch nie zum p1c_156.017
Läppischen oder Gemeinen herab, welches die Klippe p1c_156.018
für das Niedliche ist; sehr oft verbindet er das Niedliche p1c_156.019
mit der Grazie, mit dem Naiven, ja sogar mit p1c_156.020
dem Erhabenen. Was kann zarter seyn, als seine p1c_156.021
Taube. Πιεῖν δε μοι διδωσι τον ὀῖνον ὁν προπινει. p1c_156.022
Πιουσα δ'αν χορευσω και δεεποτην' Ανακρεοντα πτεροῖσι p1c_156.023
συγκαλυψω. Κοιμωμενη δ'ἐπ' ἀυτῳ τῳ βαρβιτῳ καθευδω. p1c_156.024
─ So erhaben die Schilderung beym Pindar ist p1c_156.025
(Pyth. α.) Ἑυδει δ'ἀνα σκαπτῳ Διος ἀιετος, ὠκεῖαν p1c_156.026
πτερυγ' ἀμφοτερωθεν χαλαξαις, ἀρχος ὀιωνων; κελαινῶπιν p1c_156.027
δ'ἐπι ὁι νεφελαν ἀγκυλῳ κρατι (βλεφαρων ἁδυ p1c_156.028
κλαιστρον) ἐγκατεχευας. Ὁ δε κνωσσων ὑγρον νῶτον
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