p1c_142.001 Himmel auf Erden, ist schon Sterblichen ein Blick in denselben p1c_142.002 zu thun vergönnt, so ist uns dieser im Evangelio nach p1c_142.003 dem Johannes, in den letzten Unterredungen Christi mit p1c_142.004 seinen Jüngern aufgethan. Wie sehr diese rein göttliche, p1c_142.005 einfache Erhabenheit, diese höchste Poesie des geistigen Lebens, p1c_142.006 in welchem sich ideale Wahrheit und Schönheit eng p1c_142.007 verschlingen, durch jeden Schmuck irdischer Poesie verliert, p1c_142.008 verlieren muß, sieht man, wenn man mit den evangelischen p1c_142.009 Worten die Klopstockische Bearbeitung im vierten Gesange p1c_142.010 der Messiade vergleicht. Daß diese höchste Stufe der Empfindung p1c_142.011 von so wenigen erreicht wird, macht, daß man p1c_142.012 die Bibel nur von Hörensagen und nicht durch sie selbst kennt. p1c_142.013 Wer kein dogmatisches System von Begriffen zum Lesen des p1c_142.014 Evangeliums mitbringt, wer nicht synthetisch durch vorhergehende p1c_142.015 Begriffe gefesselt, von der Gottheit Christi auf seine p1c_142.016 Menschheit herabsieht, sondern analytisch von der Menschheit p1c_142.017 Christi, in dem sich der Keim der vom Vater ausgegangenen p1c_142.018 göttlichen Natur entwickelte, sich zur Gottheit emporhebt, p1c_142.019 dessen Einbildungskraft wird das höchste Leben p1c_142.020 empfangen, um in den von Christus uns aufgeschlossenen p1c_142.021 Himmel des religiösen Gefühls einzudringen. Er wird jede p1c_142.022 andre irdische Schönheit und Genialität, selbst die glänzende p1c_142.023 Pracht der Hebräischen prosaischen Dichter tief unter sich p1c_142.024 sehn, und auf dem höchsten Gipfel der idealen Weltgeschichte p1c_142.025 stehn, auf dem Christus stand. Er wird vor keinem p1c_142.026 unbekannten Naturgotte, er wird vor dem Gotte knieen, p1c_142.027 der sich in der Menschheit offenbarte, vor diesem letzten p1c_142.028 Heiligthum unsers Geistes, das uns ein geheimnißvolles
p1c_142.001 Himmel auf Erden, ist schon Sterblichen ein Blick in denselben p1c_142.002 zu thun vergönnt, so ist uns dieser im Evangelio nach p1c_142.003 dem Johannes, in den letzten Unterredungen Christi mit p1c_142.004 seinen Jüngern aufgethan. Wie sehr diese rein göttliche, p1c_142.005 einfache Erhabenheit, diese höchste Poesie des geistigen Lebens, p1c_142.006 in welchem sich ideale Wahrheit und Schönheit eng p1c_142.007 verschlingen, durch jeden Schmuck irdischer Poesie verliert, p1c_142.008 verlieren muß, sieht man, wenn man mit den evangelischen p1c_142.009 Worten die Klopstockische Bearbeitung im vierten Gesange p1c_142.010 der Messiade vergleicht. Daß diese höchste Stufe der Empfindung p1c_142.011 von so wenigen erreicht wird, macht, daß man p1c_142.012 die Bibel nur von Hörensagen und nicht durch sie selbst kennt. p1c_142.013 Wer kein dogmatisches System von Begriffen zum Lesen des p1c_142.014 Evangeliums mitbringt, wer nicht synthetisch durch vorhergehende p1c_142.015 Begriffe gefesselt, von der Gottheit Christi auf seine p1c_142.016 Menschheit herabsieht, sondern analytisch von der Menschheit p1c_142.017 Christi, in dem sich der Keim der vom Vater ausgegangenen p1c_142.018 göttlichen Natur entwickelte, sich zur Gottheit emporhebt, p1c_142.019 dessen Einbildungskraft wird das höchste Leben p1c_142.020 empfangen, um in den von Christus uns aufgeschlossenen p1c_142.021 Himmel des religiösen Gefühls einzudringen. Er wird jede p1c_142.022 andre irdische Schönheit und Genialität, selbst die glänzende p1c_142.023 Pracht der Hebräischen prosaischen Dichter tief unter sich p1c_142.024 sehn, und auf dem höchsten Gipfel der idealen Weltgeschichte p1c_142.025 stehn, auf dem Christus stand. Er wird vor keinem p1c_142.026 unbekannten Naturgotte, er wird vor dem Gotte knieen, p1c_142.027 der sich in der Menschheit offenbarte, vor diesem letzten p1c_142.028 Heiligthum unsers Geistes, das uns ein geheimnißvolles
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/200>, abgerufen am 09.11.2024.
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