p1c_096.001 as thou hast conquer'd me. - Auch die Französischen p1c_096.002 Dichter sind, ihrem Volkscharakter nach, des Heftigschönen p1c_096.003 fähig, wie wir in ihren Kriegsliedern gesehen haben. Doch p1c_096.004 ihre dramatischen Werke, die durch den fest gegründeten p1c_096.005 Nationalgeschmack mehrerer Jahrhunderte nicht wenig eingeengt p1c_096.006 werden, athmen eine gewisse Kälte, die das Heftigschöne p1c_096.007 am wenigsten begünstigt. Die Französische Bühne p1c_096.008 bildete sich nicht von selbst, wie die Englische, durch Shakespear's p1c_096.009 Originalität, sondern durch Nachahmung Spanischer p1c_096.010 und Griechischer Muster. Die bizarre spanische Gravität p1c_096.011 und die Griechische Nüchternheit mußten also die p1c_096.012 Franzosen so sehr beschränken, daß sich selbst Voltaire über p1c_096.013 die Leblosigkeit der Französischen Tragödie beklagt. Richardson p1c_096.014 vergleicht in seiner Untersuchung der Shakespearischen p1c_096.015 Charaktere einen Monolog des Hamlet mit einem im Cid. p1c_096.016 Hamlet lebt selbst auf der Bühne in heftigen Empfindnngen. p1c_096.017 Aber Don Roderigo beschreibt, wie ein höheres nur zuschauendes p1c_096.018 Wesen, was er fühle. Dagegen hat aber diese Kälte p1c_096.019 in der Leidenschaft zuweilen eine gewisse romantische Größe,p1c_096.020 wie z. B. die Stelle, wo der Cid zu seiner Geliebten sagt: Ne p1c_096.021 me banissez point de votre souvenir, et puisque p1c_096.022 mon trepas conserve votre gloire, pour vous en revancher p1c_096.023 conservez ma memoire, et dites quelquefois, p1c_096.024 en deplorant mon sort: s'il ne m'avoit aimee, p1c_096.025 il ne seroit pas mort. Oder wie Chimene ruft, als sie p1c_096.026 den geliebten Mörder ihres Vaters erstochen glaubt: Un p1c_096.027 meme coup a mis ma gloire en saurete, Mon ame en p1c_096.028 desespoire, ma flamme en liberte. - Das Schöne
p1c_096.001 as thou hast conquer'd me. ─ Auch die Französischen p1c_096.002 Dichter sind, ihrem Volkscharakter nach, des Heftigschönen p1c_096.003 fähig, wie wir in ihren Kriegsliedern gesehen haben. Doch p1c_096.004 ihre dramatischen Werke, die durch den fest gegründeten p1c_096.005 Nationalgeschmack mehrerer Jahrhunderte nicht wenig eingeengt p1c_096.006 werden, athmen eine gewisse Kälte, die das Heftigschöne p1c_096.007 am wenigsten begünstigt. Die Französische Bühne p1c_096.008 bildete sich nicht von selbst, wie die Englische, durch Shakespear's p1c_096.009 Originalität, sondern durch Nachahmung Spanischer p1c_096.010 und Griechischer Muster. Die bizarre spanische Gravität p1c_096.011 und die Griechische Nüchternheit mußten also die p1c_096.012 Franzosen so sehr beschränken, daß sich selbst Voltaire über p1c_096.013 die Leblosigkeit der Französischen Tragödie beklagt. Richardson p1c_096.014 vergleicht in seiner Untersuchung der Shakespearischen p1c_096.015 Charaktere einen Monolog des Hamlet mit einem im Cid. p1c_096.016 Hamlet lebt selbst auf der Bühne in heftigen Empfindnngen. p1c_096.017 Aber Don Roderigo beschreibt, wie ein höheres nur zuschauendes p1c_096.018 Wesen, was er fühle. Dagegen hat aber diese Kälte p1c_096.019 in der Leidenschaft zuweilen eine gewisse romantische Größe,p1c_096.020 wie z. B. die Stelle, wo der Cid zu seiner Geliebten sagt: Ne p1c_096.021 me banissez point de votre souvenir, et puisque p1c_096.022 mon trépas conserve votre gloire, pour vous en revancher p1c_096.023 conservez ma mémoire, et dites quelquefois, p1c_096.024 en deplorant mon sort: s'il ne m'avoit aimée, p1c_096.025 il ne seroit pas mort. Oder wie Chimene ruft, als sie p1c_096.026 den geliebten Mörder ihres Vaters erstochen glaubt: Un p1c_096.027 même coup a mis ma gloire en sûreté, Mon ame en p1c_096.028 désespoire, ma flamme en liberté. ─ Das Schöne
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/154>, abgerufen am 23.11.2024.
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