p1c_089.001 So weit Hiob nach Luthers Uebersetzung. Neuere mögen p1c_089.002 mitunter richtiger übersetzen, aber die alte nationale Urkraft p1c_089.003 von Luthers poetischem Deutsch sollte man nicht verdrängen p1c_089.004 wollen. Das religiöse Gefühl und die Liebe des Volkes zur p1c_089.005 Bibel muß sinken, wenn unsere Schriftforscher fortfahren, p1c_089.006 in frostiger Geistesarmuth die Bibel nur philosophisch und p1c_089.007 kritisch zu behandeln, und Gedanken und Ausdruck zu verwässern. p1c_089.008 Wie wenig zeigt sich von Herders Geist bey den p1c_089.009 Theologen. - Etwas schwächer ist der Fluch des Jeremias. p1c_089.010 "Verflucht sey der Tag, welcher mich aus dem Nichts p1c_089.011 nahm. Der Tag müsse ungesegnet seyn, da mich meine p1c_089.012 Mutter gebar. Verflucht sey der, so meinem Vater gute p1c_089.013 Botschaft brachte und sprach, daß er ihn fröhlich machen p1c_089.014 wollte: es ist dir ein Sohn geboren!" - Bey den Deutschen p1c_089.015 ist ein hoher Grad des Heftigschönen nur in p1c_089.016 Klopstocks Oden und Bardenchören zu finden. Hier schallt p1c_089.017 unterweilen wahrer Prophetengesang. - Mit wahrem Urfeuer p1c_089.018 gerüstet erhebt er sich oft zur Anschauung der ewigen p1c_089.019 Jdeen - "Nein, wenn sie nur bewundert, hebt sich die p1c_089.020 Seele zu schwach! - Erstaunen, himmelfliegendes Erstaunen, p1c_089.021 über den, der unendlich ist (zuweilen schaden aber p1c_089.022 hier zu abstrakte Gedanken der Empfindung). "Meine p1c_089.023 Seele dürstet, wie nach der Auferstehung verdorrtes Gebein, p1c_089.024 so dürstet meine Seele nach diesen Augenblicken deiner Erbarmungen. p1c_089.025 Jch liege vor dir auf meinem Angesichte. O! p1c_089.026 läg' ich Vater noch tiefer vor dir, gebückt in den Staub p1c_089.027 der untersten der Welten! (Es kann die Anbetung des Heiligen p1c_089.028 nicht kräftiger ausgedrückt werden) - "Jn die Wunden
p1c_089.001 So weit Hiob nach Luthers Uebersetzung. Neuere mögen p1c_089.002 mitunter richtiger übersetzen, aber die alte nationale Urkraft p1c_089.003 von Luthers poetischem Deutsch sollte man nicht verdrängen p1c_089.004 wollen. Das religiöse Gefühl und die Liebe des Volkes zur p1c_089.005 Bibel muß sinken, wenn unsere Schriftforscher fortfahren, p1c_089.006 in frostiger Geistesarmuth die Bibel nur philosophisch und p1c_089.007 kritisch zu behandeln, und Gedanken und Ausdruck zu verwässern. p1c_089.008 Wie wenig zeigt sich von Herders Geist bey den p1c_089.009 Theologen. ─ Etwas schwächer ist der Fluch des Jeremias. p1c_089.010 „Verflucht sey der Tag, welcher mich aus dem Nichts p1c_089.011 nahm. Der Tag müsse ungesegnet seyn, da mich meine p1c_089.012 Mutter gebar. Verflucht sey der, so meinem Vater gute p1c_089.013 Botschaft brachte und sprach, daß er ihn fröhlich machen p1c_089.014 wollte: es ist dir ein Sohn geboren!“ ─ Bey den Deutschen p1c_089.015 ist ein hoher Grad des Heftigschönen nur in p1c_089.016 Klopstocks Oden und Bardenchören zu finden. Hier schallt p1c_089.017 unterweilen wahrer Prophetengesang. ─ Mit wahrem Urfeuer p1c_089.018 gerüstet erhebt er sich oft zur Anschauung der ewigen p1c_089.019 Jdeen ─ „Nein, wenn sie nur bewundert, hebt sich die p1c_089.020 Seele zu schwach! ─ Erstaunen, himmelfliegendes Erstaunen, p1c_089.021 über den, der unendlich ist (zuweilen schaden aber p1c_089.022 hier zu abstrakte Gedanken der Empfindung). „Meine p1c_089.023 Seele dürstet, wie nach der Auferstehung verdorrtes Gebein, p1c_089.024 so dürstet meine Seele nach diesen Augenblicken deiner Erbarmungen. p1c_089.025 Jch liege vor dir auf meinem Angesichte. O! p1c_089.026 läg' ich Vater noch tiefer vor dir, gebückt in den Staub p1c_089.027 der untersten der Welten! (Es kann die Anbetung des Heiligen p1c_089.028 nicht kräftiger ausgedrückt werden) ─ „Jn die Wunden
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/147>, abgerufen am 09.11.2024.
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