Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p1c_086.001
auf den Schauplatz, wie Sophokles seinen kranken p1c_086.002
Philoktet, der dusodes ist. - Bey keinem Volke ist das p1c_086.003
Heftigschöne so herrschend in der Dichtkunst, als bey den p1c_086.004
Ebräern. Jes. 34. 8. seq. "Ein Rachfest hält Jehovah, p1c_086.005
ein Jahr der Vergeltung feyert Zions Rächer, Edoms p1c_086.006
Ströme werden Pech, und seine Aecker Schwefel, das p1c_086.007
ganze Land wird brennende Flamme. Und Tag und Nacht p1c_086.008
verlöscht es nicht. Ewig steigt der Rauch auf, öde bleibt's p1c_086.009
durch alle Zeiten liegen. Jn Ewigkeiten zieht kein Wanderer p1c_086.010
durch. (Oder wie Luther kräftiger es übersetzt: Und p1c_086.011
wird für und für Wüste seyn, daß niemand wird dadurch geh'n p1c_086.012
in Ewigkeit." Hier löst sich das Heftige in's Große p1c_086.013
auf.) An andern Orten: "Er wird sie führen durch's p1c_086.014
Meer der Angst, daß die Wellen über sie zusammenschlagen. p1c_086.015
Es schwärzt sich Sonn' und Mond, kein Sternstrahl blinkt, p1c_086.016
denn aus Zion tönt Jehovahs Löwenstimme, sie tönt hoch p1c_086.017
von Jerusalem. Der Himmel wird wie ein Buch gerollt, p1c_086.018
sein ganzes Heer welkt hin, wie ein Blatt vom Weinstock. p1c_086.019
Die Erde taumelt, wie ein Trunkener - Jch sah mich um, p1c_086.020
da war kein Helfer - und schaut umher und niemand unterstützte p1c_086.021
mich. Da mußte denn mein Arm mir helfen, und p1c_086.022
mein Zorn hielt mich. Darum hab ich die Völker zertreten p1c_086.023
in meinem Zorne, habe sie trunken gemacht in meinem p1c_086.024
Grimm, und ihr Vermögen zu Boden gestoßen. - Heulet, p1c_086.025
denn nah ist Jehovahs Tag. Furchtbar bricht er an, wie p1c_086.026
Verwüstung vom Allmächtigen. Darum werden aller p1c_086.027
Hände matt, aller Herz und Muth sinkt hin. Sie entsezzen p1c_086.028
sich, sie zittern, wie Gebährende, erstarrt sehn sie

p1c_086.001
auf den Schauplatz, wie Sophokles seinen kranken p1c_086.002
Philoktet, der δυσωδης ist. ─ Bey keinem Volke ist das p1c_086.003
Heftigschöne so herrschend in der Dichtkunst, als bey den p1c_086.004
Ebräern. Jes. 34. 8. seq. „Ein Rachfest hält Jehovah, p1c_086.005
ein Jahr der Vergeltung feyert Zions Rächer, Edoms p1c_086.006
Ströme werden Pech, und seine Aecker Schwefel, das p1c_086.007
ganze Land wird brennende Flamme. Und Tag und Nacht p1c_086.008
verlöscht es nicht. Ewig steigt der Rauch auf, öde bleibt's p1c_086.009
durch alle Zeiten liegen. Jn Ewigkeiten zieht kein Wanderer p1c_086.010
durch. (Oder wie Luther kräftiger es übersetzt: Und p1c_086.011
wird für und für Wüste seyn, daß niemand wird dadurch geh'n p1c_086.012
in Ewigkeit.“ Hier löst sich das Heftige in's Große p1c_086.013
auf.) An andern Orten: „Er wird sie führen durch's p1c_086.014
Meer der Angst, daß die Wellen über sie zusammenschlagen. p1c_086.015
Es schwärzt sich Sonn' und Mond, kein Sternstrahl blinkt, p1c_086.016
denn aus Zion tönt Jehovahs Löwenstimme, sie tönt hoch p1c_086.017
von Jerusalem. Der Himmel wird wie ein Buch gerollt, p1c_086.018
sein ganzes Heer welkt hin, wie ein Blatt vom Weinstock. p1c_086.019
Die Erde taumelt, wie ein Trunkener ─ Jch sah mich um, p1c_086.020
da war kein Helfer ─ und schaut umher und niemand unterstützte p1c_086.021
mich. Da mußte denn mein Arm mir helfen, und p1c_086.022
mein Zorn hielt mich. Darum hab ich die Völker zertreten p1c_086.023
in meinem Zorne, habe sie trunken gemacht in meinem p1c_086.024
Grimm, und ihr Vermögen zu Boden gestoßen. ─ Heulet, p1c_086.025
denn nah ist Jehovahs Tag. Furchtbar bricht er an, wie p1c_086.026
Verwüstung vom Allmächtigen. Darum werden aller p1c_086.027
Hände matt, aller Herz und Muth sinkt hin. Sie entsezzen p1c_086.028
sich, sie zittern, wie Gebährende, erstarrt sehn sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0144" n="86"/><lb n="p1c_086.001"/>
auf den Schauplatz, wie Sophokles seinen kranken <lb n="p1c_086.002"/>
Philoktet, der <foreign xml:lang="grc">&#x03B4;&#x03C5;&#x03C3;&#x03C9;&#x03B4;&#x03B7;&#x03C2;</foreign> ist. &#x2500; Bey keinem Volke ist das <lb n="p1c_086.003"/>
Heftigschöne so herrschend in der Dichtkunst, als bey den <lb n="p1c_086.004"/>
Ebräern. Jes. 34. 8. <hi rendition="#aq">seq</hi>. &#x201E;Ein Rachfest hält Jehovah, <lb n="p1c_086.005"/>
ein Jahr der Vergeltung feyert Zions Rächer, Edoms <lb n="p1c_086.006"/>
Ströme werden Pech, und seine Aecker Schwefel, das <lb n="p1c_086.007"/>
ganze Land wird brennende Flamme. Und Tag und Nacht <lb n="p1c_086.008"/>
verlöscht es nicht. Ewig steigt der Rauch auf, öde bleibt's <lb n="p1c_086.009"/>
durch alle Zeiten liegen. Jn Ewigkeiten zieht kein Wanderer <lb n="p1c_086.010"/>
durch. (Oder wie Luther kräftiger es übersetzt: Und <lb n="p1c_086.011"/>
wird für und für Wüste seyn, daß niemand wird dadurch geh'n <lb n="p1c_086.012"/>
in Ewigkeit.&#x201C; Hier löst sich das <hi rendition="#g">Heftige</hi> in's <hi rendition="#g">Große</hi> <lb n="p1c_086.013"/>
auf.) An andern Orten: &#x201E;Er wird sie führen durch's <lb n="p1c_086.014"/>
Meer der Angst, daß die Wellen über sie zusammenschlagen. <lb n="p1c_086.015"/>
Es schwärzt sich Sonn' und Mond, kein Sternstrahl blinkt, <lb n="p1c_086.016"/>
denn aus Zion tönt Jehovahs Löwenstimme, sie tönt hoch <lb n="p1c_086.017"/>
von Jerusalem. Der Himmel wird wie ein Buch gerollt, <lb n="p1c_086.018"/>
sein ganzes Heer welkt hin, wie ein Blatt vom Weinstock. <lb n="p1c_086.019"/>
Die Erde taumelt, wie ein Trunkener &#x2500; Jch sah mich um, <lb n="p1c_086.020"/>
da war kein Helfer &#x2500; und schaut umher und niemand unterstützte <lb n="p1c_086.021"/>
mich. Da mußte denn mein Arm mir helfen, und <lb n="p1c_086.022"/>
mein Zorn hielt mich. Darum hab ich die Völker zertreten <lb n="p1c_086.023"/>
in meinem Zorne, habe sie trunken gemacht in meinem <lb n="p1c_086.024"/>
Grimm, und ihr Vermögen zu Boden gestoßen. &#x2500; Heulet, <lb n="p1c_086.025"/>
denn nah ist Jehovahs Tag. Furchtbar bricht er an, wie <lb n="p1c_086.026"/>
Verwüstung vom Allmächtigen. Darum werden aller <lb n="p1c_086.027"/>
Hände matt, aller Herz und Muth sinkt hin. Sie entsezzen <lb n="p1c_086.028"/>
sich, sie zittern, wie Gebährende, erstarrt sehn sie
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0144] p1c_086.001 auf den Schauplatz, wie Sophokles seinen kranken p1c_086.002 Philoktet, der δυσωδης ist. ─ Bey keinem Volke ist das p1c_086.003 Heftigschöne so herrschend in der Dichtkunst, als bey den p1c_086.004 Ebräern. Jes. 34. 8. seq. „Ein Rachfest hält Jehovah, p1c_086.005 ein Jahr der Vergeltung feyert Zions Rächer, Edoms p1c_086.006 Ströme werden Pech, und seine Aecker Schwefel, das p1c_086.007 ganze Land wird brennende Flamme. Und Tag und Nacht p1c_086.008 verlöscht es nicht. Ewig steigt der Rauch auf, öde bleibt's p1c_086.009 durch alle Zeiten liegen. Jn Ewigkeiten zieht kein Wanderer p1c_086.010 durch. (Oder wie Luther kräftiger es übersetzt: Und p1c_086.011 wird für und für Wüste seyn, daß niemand wird dadurch geh'n p1c_086.012 in Ewigkeit.“ Hier löst sich das Heftige in's Große p1c_086.013 auf.) An andern Orten: „Er wird sie führen durch's p1c_086.014 Meer der Angst, daß die Wellen über sie zusammenschlagen. p1c_086.015 Es schwärzt sich Sonn' und Mond, kein Sternstrahl blinkt, p1c_086.016 denn aus Zion tönt Jehovahs Löwenstimme, sie tönt hoch p1c_086.017 von Jerusalem. Der Himmel wird wie ein Buch gerollt, p1c_086.018 sein ganzes Heer welkt hin, wie ein Blatt vom Weinstock. p1c_086.019 Die Erde taumelt, wie ein Trunkener ─ Jch sah mich um, p1c_086.020 da war kein Helfer ─ und schaut umher und niemand unterstützte p1c_086.021 mich. Da mußte denn mein Arm mir helfen, und p1c_086.022 mein Zorn hielt mich. Darum hab ich die Völker zertreten p1c_086.023 in meinem Zorne, habe sie trunken gemacht in meinem p1c_086.024 Grimm, und ihr Vermögen zu Boden gestoßen. ─ Heulet, p1c_086.025 denn nah ist Jehovahs Tag. Furchtbar bricht er an, wie p1c_086.026 Verwüstung vom Allmächtigen. Darum werden aller p1c_086.027 Hände matt, aller Herz und Muth sinkt hin. Sie entsezzen p1c_086.028 sich, sie zittern, wie Gebährende, erstarrt sehn sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/144
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/144>, abgerufen am 24.11.2024.