p1c_060.001 immer eine neue Ansicht hervor, welches das System des p1c_060.002 Verstandes zu Schanden macht, wenn er es für geschlossen p1c_060.003 hält. Das Schöne aber, als Schein des Jdealen, ist p1c_060.004 immer niederer, als alles Wahre, das noch realisirtp1c_060.005 werden soll, als das unerschöpflich Jdeal-Wahre.
p1c_060.006 Anmerk. 4. Da das Gefühl des Schönen nicht p1c_060.007 durch Mißbrauch profanirt werden und zu einer Verzärtlung p1c_060.008 herabsinken soll, da die Religion nicht eine fortwährende in p1c_060.009 göttlichen Jdeen schwelgende Andacht seyn darf, so ist p1c_060.010 Schönheit und Religion von dem großen anordnenden Geiste p1c_060.011 weislich in den Schleyer der Mysterie eingehüllt. So p1c_060.012 wenig der Mensch die Zukunft wissen darf, wissen kann, p1c_060.013 weil sonst sein freyes Handeln durch die Bestimmtheit des p1c_060.014 Gegenstandes allen Werth, alle Möglichkeit verlieren p1c_060.015 würde, eben so wenig darf er, kann er eine fortdauernde p1c_060.016 historische gewisse Ueberzeugung vom Himmel haben. p1c_060.017 Alle Nationen schildern ihre Seher und Dichter als von Gott p1c_060.018 begeisterte, aber dadurch unglückliche und oft wegen ihres p1c_060.019 Vorwitzes in Entschleyerung der himmlischen Dinge gestrafte p1c_060.020 Wesen. Proteus und Tiresias weissagen nur mit Widerwillen p1c_060.021 und gezwungen. Die Pythonisse ertheilt das Orakel p1c_060.022 unter sichtbarer Geistesqual. Viele Dichter, wie Thamyris p1c_060.023 beym Homer, werden von den Musen gestraft, weil p1c_060.024 sie zu hoch strebten. Gott selbst hat seine höhere Offenbarung, p1c_060.025 weil sie nicht profanirt werden sollte, in kein historisches p1c_060.026 Tageslicht gesetzt, und die ältere und neuere Weltgeschichte p1c_060.027 beginnt mit Poesie, weil die physische und moralische
p1c_060.001 immer eine neue Ansicht hervor, welches das System des p1c_060.002 Verstandes zu Schanden macht, wenn er es für geschlossen p1c_060.003 hält. Das Schöne aber, als Schein des Jdealen, ist p1c_060.004 immer niederer, als alles Wahre, das noch realisirtp1c_060.005 werden soll, als das unerschöpflich Jdeal-Wahre.
p1c_060.006 Anmerk. 4. Da das Gefühl des Schönen nicht p1c_060.007 durch Mißbrauch profanirt werden und zu einer Verzärtlung p1c_060.008 herabsinken soll, da die Religion nicht eine fortwährende in p1c_060.009 göttlichen Jdeen schwelgende Andacht seyn darf, so ist p1c_060.010 Schönheit und Religion von dem großen anordnenden Geiste p1c_060.011 weislich in den Schleyer der Mysterie eingehüllt. So p1c_060.012 wenig der Mensch die Zukunft wissen darf, wissen kann, p1c_060.013 weil sonst sein freyes Handeln durch die Bestimmtheit des p1c_060.014 Gegenstandes allen Werth, alle Möglichkeit verlieren p1c_060.015 würde, eben so wenig darf er, kann er eine fortdauernde p1c_060.016 historische gewisse Ueberzeugung vom Himmel haben. p1c_060.017 Alle Nationen schildern ihre Seher und Dichter als von Gott p1c_060.018 begeisterte, aber dadurch unglückliche und oft wegen ihres p1c_060.019 Vorwitzes in Entschleyerung der himmlischen Dinge gestrafte p1c_060.020 Wesen. Proteus und Tiresias weissagen nur mit Widerwillen p1c_060.021 und gezwungen. Die Pythonisse ertheilt das Orakel p1c_060.022 unter sichtbarer Geistesqual. Viele Dichter, wie Thamyris p1c_060.023 beym Homer, werden von den Musen gestraft, weil p1c_060.024 sie zu hoch strebten. Gott selbst hat seine höhere Offenbarung, p1c_060.025 weil sie nicht profanirt werden sollte, in kein historisches p1c_060.026 Tageslicht gesetzt, und die ältere und neuere Weltgeschichte p1c_060.027 beginnt mit Poesie, weil die physische und moralische
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/118>, abgerufen am 27.11.2024.
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