p1c_049.001 weiter unten.) Diese Vorahuung giebt den religiösen p1c_049.002 Glauben, die gläubige Evidenz von der zu erreichenden p1c_049.003 Seligkeit aller. Dieser Glaube kann das System p1c_049.004 des idealen Wissens nicht begründen. Aber er ist dem p1c_049.005 receptiven Menschen als einzig reine Triebfeder nothwendig, p1c_049.006 damit dieser die Zuversicht habe, der Gott, dessen Werkzeug p1c_049.007 er sey, dem er sein niederes Selbst aufopfere, sey p1c_049.008 auch ein allmächtiger Gott, der die ideale Welt zu realisiren p1c_049.009 im Stande sey. Um den Menschen im Handeln zu p1c_049.010 erhalten, ist der Glaube nothwendig. Das religiösep1c_049.011 Gewissen ist bey jedermann rege, beym Bösewicht sowohl, p1c_049.012 als beym Jndifferentisten. Aber dieses kann nur zuweilenp1c_049.013 rechtschaffene, nicht unermüdete Helden machen. Hierzu p1c_049.014 gehört der Glaube, den nicht jeder hat. Das religiösep1c_049.015 Gewissen muß nun auch das Wissen begründen. Daher p1c_049.016 stellt es den absoluten Jmperatif (Aufruf, nicht Befehl) p1c_049.017 an die Spitze der rationalen Psychologie. Er heißt, nach p1c_049.018 obiger Erklärung: Werde dir des Jdealen im Schaffen p1c_049.019 des Realen bewußt, aufgerufen zum gesetzlichen Leben durch p1c_049.020 einen höhern Geist. Das religiöse Gewissen drückt p1c_049.021 sich logisch aus, als Jmperatif der höhern Natur p1c_049.022 an die niedere Natur, weil wir als Theile der niedern p1c_049.023 Natur erscheinen, und aufgefordert werden, diesem p1c_049.024 Schein der niedern Natur zu entsagen, vom Jnstinktp1c_049.025 des niedern Lebens uns zu befreyen, das höhere zu gewinnen, p1c_049.026 uns an Gott und seine ideale Natur anzuhalten. p1c_049.027 Kommt der religiöse Glaube hinzu, so gehn wir in p1c_049.028 die höhere Natur über, wir werden Kinder Gottes,
p1c_049.001 weiter unten.) Diese Vorahuung giebt den religiösen p1c_049.002 Glauben, die gläubige Evidenz von der zu erreichenden p1c_049.003 Seligkeit aller. Dieser Glaube kann das System p1c_049.004 des idealen Wissens nicht begründen. Aber er ist dem p1c_049.005 receptiven Menschen als einzig reine Triebfeder nothwendig, p1c_049.006 damit dieser die Zuversicht habe, der Gott, dessen Werkzeug p1c_049.007 er sey, dem er sein niederes Selbst aufopfere, sey p1c_049.008 auch ein allmächtiger Gott, der die ideale Welt zu realisiren p1c_049.009 im Stande sey. Um den Menschen im Handeln zu p1c_049.010 erhalten, ist der Glaube nothwendig. Das religiösep1c_049.011 Gewissen ist bey jedermann rege, beym Bösewicht sowohl, p1c_049.012 als beym Jndifferentisten. Aber dieses kann nur zuweilenp1c_049.013 rechtschaffene, nicht unermüdete Helden machen. Hierzu p1c_049.014 gehört der Glaube, den nicht jeder hat. Das religiösep1c_049.015 Gewissen muß nun auch das Wissen begründen. Daher p1c_049.016 stellt es den absoluten Jmperatif (Aufruf, nicht Befehl) p1c_049.017 an die Spitze der rationalen Psychologie. Er heißt, nach p1c_049.018 obiger Erklärung: Werde dir des Jdealen im Schaffen p1c_049.019 des Realen bewußt, aufgerufen zum gesetzlichen Leben durch p1c_049.020 einen höhern Geist. Das religiöse Gewissen drückt p1c_049.021 sich logisch aus, als Jmperatif der höhern Natur p1c_049.022 an die niedere Natur, weil wir als Theile der niedern p1c_049.023 Natur erscheinen, und aufgefordert werden, diesem p1c_049.024 Schein der niedern Natur zu entsagen, vom Jnstinktp1c_049.025 des niedern Lebens uns zu befreyen, das höhere zu gewinnen, p1c_049.026 uns an Gott und seine ideale Natur anzuhalten. p1c_049.027 Kommt der religiöse Glaube hinzu, so gehn wir in p1c_049.028 die höhere Natur über, wir werden Kinder Gottes,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0107"n="49"/><lbn="p1c_049.001"/>
weiter unten.) Diese Vorahuung giebt den <hirendition="#g">religiösen <lbn="p1c_049.002"/>
Glauben,</hi> die <hirendition="#g">gläubige Evidenz</hi> von der zu erreichenden <lbn="p1c_049.003"/>
Seligkeit <hirendition="#g">aller.</hi> Dieser Glaube kann das System <lbn="p1c_049.004"/>
des <hirendition="#g">idealen</hi> Wissens nicht begründen. Aber er ist dem <lbn="p1c_049.005"/>
receptiven Menschen als <hirendition="#g">einzig reine</hi> Triebfeder nothwendig, <lbn="p1c_049.006"/>
damit dieser die Zuversicht habe, der Gott, dessen Werkzeug <lbn="p1c_049.007"/>
er sey, dem er sein niederes Selbst aufopfere, sey <lbn="p1c_049.008"/>
auch ein allmächtiger Gott, der die <hirendition="#g">ideale</hi> Welt zu realisiren <lbn="p1c_049.009"/>
im Stande sey. Um den Menschen im Handeln zu <lbn="p1c_049.010"/>
erhalten, ist der <hirendition="#g">Glaube</hi> nothwendig. Das <hirendition="#g">religiöse</hi><lbn="p1c_049.011"/>
Gewissen ist bey jedermann rege, beym Bösewicht sowohl, <lbn="p1c_049.012"/>
als beym Jndifferentisten. Aber dieses kann nur <hirendition="#g">zuweilen</hi><lbn="p1c_049.013"/>
rechtschaffene, <hirendition="#g">nicht</hi> unermüdete <hirendition="#g">Helden</hi> machen. Hierzu <lbn="p1c_049.014"/>
gehört der <hirendition="#g">Glaube,</hi> den nicht jeder hat. Das <hirendition="#g">religiöse</hi><lbn="p1c_049.015"/>
Gewissen muß nun auch das <hirendition="#g">Wissen</hi> begründen. Daher <lbn="p1c_049.016"/>
stellt es den <hirendition="#g">absoluten</hi> Jmperatif (Aufruf, nicht Befehl) <lbn="p1c_049.017"/>
an die Spitze der <hirendition="#g">rationalen</hi> Psychologie. Er heißt, nach <lbn="p1c_049.018"/>
obiger Erklärung: Werde dir des <hirendition="#g">Jdealen</hi> im Schaffen <lbn="p1c_049.019"/>
des <hirendition="#g">Realen</hi> bewußt, aufgerufen zum gesetzlichen Leben durch <lbn="p1c_049.020"/>
einen <hirendition="#g">höhern Geist.</hi> Das <hirendition="#g">religiöse Gewissen</hi> drückt <lbn="p1c_049.021"/>
sich logisch aus, als <hirendition="#g">Jmperatif</hi> der <hirendition="#g">höhern</hi> Natur <lbn="p1c_049.022"/>
an die <hirendition="#g">niedere</hi> Natur, weil wir als Theile der niedern <lbn="p1c_049.023"/>
Natur <hirendition="#g">erscheinen,</hi> und <hirendition="#g">aufgefordert</hi> werden, diesem <lbn="p1c_049.024"/><hirendition="#g">Schein</hi> der niedern Natur zu entsagen, vom <hirendition="#g">Jnstinkt</hi><lbn="p1c_049.025"/>
des niedern Lebens uns zu befreyen, das <hirendition="#g">höhere</hi> zu gewinnen, <lbn="p1c_049.026"/>
uns an <hirendition="#g">Gott</hi> und seine ideale Natur anzuhalten. <lbn="p1c_049.027"/>
Kommt der <hirendition="#g">religiöse Glaube</hi> hinzu, so gehn wir in <lbn="p1c_049.028"/>
die <hirendition="#g">höhere</hi> Natur über, wir werden <hirendition="#g">Kinder Gottes,</hi></p></div></div></body></text></TEI>
[49/0107]
p1c_049.001
weiter unten.) Diese Vorahuung giebt den religiösen p1c_049.002
Glauben, die gläubige Evidenz von der zu erreichenden p1c_049.003
Seligkeit aller. Dieser Glaube kann das System p1c_049.004
des idealen Wissens nicht begründen. Aber er ist dem p1c_049.005
receptiven Menschen als einzig reine Triebfeder nothwendig, p1c_049.006
damit dieser die Zuversicht habe, der Gott, dessen Werkzeug p1c_049.007
er sey, dem er sein niederes Selbst aufopfere, sey p1c_049.008
auch ein allmächtiger Gott, der die ideale Welt zu realisiren p1c_049.009
im Stande sey. Um den Menschen im Handeln zu p1c_049.010
erhalten, ist der Glaube nothwendig. Das religiöse p1c_049.011
Gewissen ist bey jedermann rege, beym Bösewicht sowohl, p1c_049.012
als beym Jndifferentisten. Aber dieses kann nur zuweilen p1c_049.013
rechtschaffene, nicht unermüdete Helden machen. Hierzu p1c_049.014
gehört der Glaube, den nicht jeder hat. Das religiöse p1c_049.015
Gewissen muß nun auch das Wissen begründen. Daher p1c_049.016
stellt es den absoluten Jmperatif (Aufruf, nicht Befehl) p1c_049.017
an die Spitze der rationalen Psychologie. Er heißt, nach p1c_049.018
obiger Erklärung: Werde dir des Jdealen im Schaffen p1c_049.019
des Realen bewußt, aufgerufen zum gesetzlichen Leben durch p1c_049.020
einen höhern Geist. Das religiöse Gewissen drückt p1c_049.021
sich logisch aus, als Jmperatif der höhern Natur p1c_049.022
an die niedere Natur, weil wir als Theile der niedern p1c_049.023
Natur erscheinen, und aufgefordert werden, diesem p1c_049.024
Schein der niedern Natur zu entsagen, vom Jnstinkt p1c_049.025
des niedern Lebens uns zu befreyen, das höhere zu gewinnen, p1c_049.026
uns an Gott und seine ideale Natur anzuhalten. p1c_049.027
Kommt der religiöse Glaube hinzu, so gehn wir in p1c_049.028
die höhere Natur über, wir werden Kinder Gottes,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/107>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.