p1c_045.001 ein künftiger, noch nicht anerkannter Souverain spräch': p1c_045.002 Jhr sollt mir als Souverain huldigen, weil ihr mir vielleicht p1c_045.003 huldigen werdet. Ferner wird man vorschützen, es sey ja p1c_045.004 ein Executor des Moralgesetzes angenommen und postulirt, p1c_045.005 nämlich die moralische Weltregierung, die sogar Strafe p1c_045.006 verhänge. Allein Strafen und Belohnungen sind ja selbst p1c_045.007 von Kant als unreine Triebfeder verworfen worden, also p1c_045.008 kann hieraus keine Sanktion für das Gesetz entstehn. Soll p1c_045.009 die Achtung für den Executor das Gesetz zum Gesetz erheben? p1c_045.010 Allein es wäre widersinnig, wenn freye Wesen dem p1c_045.011 Gesetze eines Executors, um des Executors willen huldigen p1c_045.012 wollten, welcher Executor blos um des Gesetzesp1c_045.013 willen da ist. Mit einem Worte, man dreht sich hier in p1c_045.014 einem ewigen logischen Cirkel herum. Die Religion wird p1c_045.015 von Kanten innerhalb den Gränzen der bloßen Vernunft eingeschlossen, p1c_045.016 und insgeheim doch wieder durch das Gesetzp1c_045.017 vorausgesetzt. Denn was ist Vernunft anders, als ein p1c_045.018 Erzeugniß des Geistes, der uns befiehlt: vernimm dich? p1c_045.019 Was ist dies Gesetz, wenn es nicht ein religiöses, d. p1c_045.020 h. ein verbindendes Gesetz ist? Was kann aber freyep1c_045.021 Wesen, die nicht durch den Naturtrieb gehalten, nicht p1c_045.022 durch Furcht bestimmt werden, verbinden? Etwa die p1c_045.023 freye Achtung für das Objekt, dessen Hervorbringung das p1c_045.024 Gesetz anbefiehlt? Aber dieses Objekt kann nie ganz dargestellt p1c_045.025 werden; es kann mich auch als ein von mir getrenntes, p1c_045.026 von mir erst hervorzubringendes Daseyn nicht verbinden.p1c_045.027 Also nur die Jdentität mit dem subjektiven Gesetzgeber, mit dem p1c_045.028 formenden Wesen, dessen höheres Naturgesetz dieses Gesetz
p1c_045.001 ein künftiger, noch nicht anerkannter Souverain spräch': p1c_045.002 Jhr sollt mir als Souverain huldigen, weil ihr mir vielleicht p1c_045.003 huldigen werdet. Ferner wird man vorschützen, es sey ja p1c_045.004 ein Executor des Moralgesetzes angenommen und postulirt, p1c_045.005 nämlich die moralische Weltregierung, die sogar Strafe p1c_045.006 verhänge. Allein Strafen und Belohnungen sind ja selbst p1c_045.007 von Kant als unreine Triebfeder verworfen worden, also p1c_045.008 kann hieraus keine Sanktion für das Gesetz entstehn. Soll p1c_045.009 die Achtung für den Executor das Gesetz zum Gesetz erheben? p1c_045.010 Allein es wäre widersinnig, wenn freye Wesen dem p1c_045.011 Gesetze eines Executors, um des Executors willen huldigen p1c_045.012 wollten, welcher Executor blos um des Gesetzesp1c_045.013 willen da ist. Mit einem Worte, man dreht sich hier in p1c_045.014 einem ewigen logischen Cirkel herum. Die Religion wird p1c_045.015 von Kanten innerhalb den Gränzen der bloßen Vernunft eingeschlossen, p1c_045.016 und insgeheim doch wieder durch das Gesetzp1c_045.017 vorausgesetzt. Denn was ist Vernunft anders, als ein p1c_045.018 Erzeugniß des Geistes, der uns befiehlt: vernimm dich? p1c_045.019 Was ist dies Gesetz, wenn es nicht ein religiöses, d. p1c_045.020 h. ein verbindendes Gesetz ist? Was kann aber freyep1c_045.021 Wesen, die nicht durch den Naturtrieb gehalten, nicht p1c_045.022 durch Furcht bestimmt werden, verbinden? Etwa die p1c_045.023 freye Achtung für das Objekt, dessen Hervorbringung das p1c_045.024 Gesetz anbefiehlt? Aber dieses Objekt kann nie ganz dargestellt p1c_045.025 werden; es kann mich auch als ein von mir getrenntes, p1c_045.026 von mir erst hervorzubringendes Daseyn nicht verbinden.p1c_045.027 Also nur die Jdentität mit dem subjektiven Gesetzgeber, mit dem p1c_045.028 formenden Wesen, dessen höheres Naturgesetz dieses Gesetz
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0103"n="45"/><lbn="p1c_045.001"/>
ein künftiger, noch nicht anerkannter Souverain spräch': <lbn="p1c_045.002"/>
Jhr sollt mir als Souverain huldigen, weil ihr mir vielleicht <lbn="p1c_045.003"/>
huldigen werdet. Ferner wird man vorschützen, es sey ja <lbn="p1c_045.004"/>
ein Executor des Moralgesetzes angenommen und postulirt, <lbn="p1c_045.005"/>
nämlich die moralische Weltregierung, die sogar Strafe <lbn="p1c_045.006"/>
verhänge. Allein Strafen und Belohnungen sind ja selbst <lbn="p1c_045.007"/>
von Kant als unreine Triebfeder verworfen worden, also <lbn="p1c_045.008"/>
kann hieraus keine Sanktion für das Gesetz entstehn. Soll <lbn="p1c_045.009"/>
die <hirendition="#g">Achtung</hi> für den Executor das Gesetz zum <hirendition="#g">Gesetz</hi> erheben? <lbn="p1c_045.010"/>
Allein es wäre widersinnig, wenn freye Wesen dem <lbn="p1c_045.011"/><hirendition="#g">Gesetze</hi> eines Executors, um des Executors willen huldigen <lbn="p1c_045.012"/>
wollten, welcher Executor blos um des <hirendition="#g">Gesetzes</hi><lbn="p1c_045.013"/>
willen da ist. Mit einem Worte, man dreht sich hier in <lbn="p1c_045.014"/>
einem ewigen <hirendition="#g">logischen</hi> Cirkel herum. Die Religion wird <lbn="p1c_045.015"/>
von Kanten innerhalb den Gränzen der bloßen Vernunft eingeschlossen, <lbn="p1c_045.016"/>
und insgeheim doch wieder durch das <hirendition="#g">Gesetz</hi><lbn="p1c_045.017"/>
vorausgesetzt. Denn was ist <hirendition="#g">Vernunft</hi> anders, als ein <lbn="p1c_045.018"/>
Erzeugniß des Geistes, der uns befiehlt: <hirendition="#g">vernimm</hi> dich? <lbn="p1c_045.019"/>
Was ist dies <hirendition="#g">Gesetz,</hi> wenn es nicht ein <hirendition="#g">religiöses,</hi> d. <lbn="p1c_045.020"/>
h. ein <hirendition="#g">verbindendes</hi> Gesetz ist? Was kann aber <hirendition="#g">freye</hi><lbn="p1c_045.021"/>
Wesen, die nicht durch den Naturtrieb gehalten, nicht <lbn="p1c_045.022"/>
durch Furcht bestimmt werden, <hirendition="#g">verbinden?</hi> Etwa die <lbn="p1c_045.023"/>
freye Achtung für das Objekt, dessen Hervorbringung das <lbn="p1c_045.024"/>
Gesetz anbefiehlt? Aber dieses Objekt kann nie ganz dargestellt <lbn="p1c_045.025"/>
werden; es kann mich auch als ein von mir getrenntes, <lbn="p1c_045.026"/>
von mir erst hervorzubringendes Daseyn nicht <hirendition="#g">verbinden.</hi><lbn="p1c_045.027"/>
Also nur die Jdentität mit dem subjektiven Gesetzgeber, mit dem <lbn="p1c_045.028"/>
formenden Wesen, dessen höheres Naturgesetz dieses Gesetz
</p></div></div></body></text></TEI>
[45/0103]
p1c_045.001
ein künftiger, noch nicht anerkannter Souverain spräch': p1c_045.002
Jhr sollt mir als Souverain huldigen, weil ihr mir vielleicht p1c_045.003
huldigen werdet. Ferner wird man vorschützen, es sey ja p1c_045.004
ein Executor des Moralgesetzes angenommen und postulirt, p1c_045.005
nämlich die moralische Weltregierung, die sogar Strafe p1c_045.006
verhänge. Allein Strafen und Belohnungen sind ja selbst p1c_045.007
von Kant als unreine Triebfeder verworfen worden, also p1c_045.008
kann hieraus keine Sanktion für das Gesetz entstehn. Soll p1c_045.009
die Achtung für den Executor das Gesetz zum Gesetz erheben? p1c_045.010
Allein es wäre widersinnig, wenn freye Wesen dem p1c_045.011
Gesetze eines Executors, um des Executors willen huldigen p1c_045.012
wollten, welcher Executor blos um des Gesetzes p1c_045.013
willen da ist. Mit einem Worte, man dreht sich hier in p1c_045.014
einem ewigen logischen Cirkel herum. Die Religion wird p1c_045.015
von Kanten innerhalb den Gränzen der bloßen Vernunft eingeschlossen, p1c_045.016
und insgeheim doch wieder durch das Gesetz p1c_045.017
vorausgesetzt. Denn was ist Vernunft anders, als ein p1c_045.018
Erzeugniß des Geistes, der uns befiehlt: vernimm dich? p1c_045.019
Was ist dies Gesetz, wenn es nicht ein religiöses, d. p1c_045.020
h. ein verbindendes Gesetz ist? Was kann aber freye p1c_045.021
Wesen, die nicht durch den Naturtrieb gehalten, nicht p1c_045.022
durch Furcht bestimmt werden, verbinden? Etwa die p1c_045.023
freye Achtung für das Objekt, dessen Hervorbringung das p1c_045.024
Gesetz anbefiehlt? Aber dieses Objekt kann nie ganz dargestellt p1c_045.025
werden; es kann mich auch als ein von mir getrenntes, p1c_045.026
von mir erst hervorzubringendes Daseyn nicht verbinden. p1c_045.027
Also nur die Jdentität mit dem subjektiven Gesetzgeber, mit dem p1c_045.028
formenden Wesen, dessen höheres Naturgesetz dieses Gesetz
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/103>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.