drei machen kann, wenn das Bedürfniß des Augenblicks es erfordert die Masse der Truppen zu theilen, sondern meistens in langen Defileen stockt, so muß das Vorgehen überhaupt auf mehreren Straßen oder vielmehr auf einer etwas breiteren Fronte geschehen.
2. Gegen eine weit ausgedehnte Gebirgsvertheidigung wird natürlich der Angriff mit gesammelten Kräften gesche- hen; an ein Umfassen des Ganzen ist da nicht zu denken, und wenn ein bedeutender Siegserfolg eintreten soll, so muß er mehr durch das Sprengen der feindlichen Linie und das Abdrängen der Flügelpartien erreicht werden als durch umfassendes Abschneiden. Schnelles unaufhaltsames Vordringen auf der Hauptrückzugsstraße des Feindes ist da das natürliche Bestreben des Angreifenden.
3. Ist aber der Feind in einer weniger gesammel- ten Aufstellung im Gebirge anzugreifen, so sind die Um- gehungen ein sehr wesentlicher Theil des Angriffs, denn die Stöße auf die Fronte werden auf die größte Stärke des Vertheidigers treffen; die Umgehungen aber müssen wieder mehr auf ein wahres Abschneiden als auf einen taktischen Seiten- oder Rückenanfall abzielen, denn selbst im Rücken sind Gebirgsstellungen, wenn es nicht an Kräf- ten fehlt, noch eines großen Widerstandes fähig; und es ist der schnellste Erfolg immer nur von der Besorgniß zu erwarten, die man dem Feinde giebt, daß er seinen Rück- zug verliere; und diese Besorgniß entsteht im Gebirge frü- her und wirkt stärker, weil man sich im schlimmsten Fall nicht so leicht mit dem Degen in der Faust Platz machen kann. Aber eine bloße Demonstration ist hier nicht das genügende Mittel; sie würde den Feind allenfalls aus seiner Stellung herausmanövriren, aber keinen sonderlichen Erfolg geben, es muß also auf ein wirkliches Abschneiden abgesehn sein.
drei machen kann, wenn das Beduͤrfniß des Augenblicks es erfordert die Maſſe der Truppen zu theilen, ſondern meiſtens in langen Defileen ſtockt, ſo muß das Vorgehen uͤberhaupt auf mehreren Straßen oder vielmehr auf einer etwas breiteren Fronte geſchehen.
2. Gegen eine weit ausgedehnte Gebirgsvertheidigung wird natuͤrlich der Angriff mit geſammelten Kraͤften geſche- hen; an ein Umfaſſen des Ganzen iſt da nicht zu denken, und wenn ein bedeutender Siegserfolg eintreten ſoll, ſo muß er mehr durch das Sprengen der feindlichen Linie und das Abdraͤngen der Fluͤgelpartien erreicht werden als durch umfaſſendes Abſchneiden. Schnelles unaufhaltſames Vordringen auf der Hauptruͤckzugsſtraße des Feindes iſt da das natuͤrliche Beſtreben des Angreifenden.
3. Iſt aber der Feind in einer weniger geſammel- ten Aufſtellung im Gebirge anzugreifen, ſo ſind die Um- gehungen ein ſehr weſentlicher Theil des Angriffs, denn die Stoͤße auf die Fronte werden auf die groͤßte Staͤrke des Vertheidigers treffen; die Umgehungen aber muͤſſen wieder mehr auf ein wahres Abſchneiden als auf einen taktiſchen Seiten- oder Ruͤckenanfall abzielen, denn ſelbſt im Ruͤcken ſind Gebirgsſtellungen, wenn es nicht an Kraͤf- ten fehlt, noch eines großen Widerſtandes faͤhig; und es iſt der ſchnellſte Erfolg immer nur von der Beſorgniß zu erwarten, die man dem Feinde giebt, daß er ſeinen Ruͤck- zug verliere; und dieſe Beſorgniß entſteht im Gebirge fruͤ- her und wirkt ſtaͤrker, weil man ſich im ſchlimmſten Fall nicht ſo leicht mit dem Degen in der Fauſt Platz machen kann. Aber eine bloße Demonſtration iſt hier nicht das genuͤgende Mittel; ſie wuͤrde den Feind allenfalls aus ſeiner Stellung herausmanoͤvriren, aber keinen ſonderlichen Erfolg geben, es muß alſo auf ein wirkliches Abſchneiden abgeſehn ſein.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0042"n="28"/>
drei machen kann, wenn das Beduͤrfniß des Augenblicks<lb/>
es erfordert die Maſſe der Truppen zu theilen, ſondern<lb/>
meiſtens in langen Defileen ſtockt, ſo muß das Vorgehen<lb/>
uͤberhaupt auf mehreren Straßen oder vielmehr auf einer<lb/>
etwas breiteren Fronte geſchehen.</p><lb/><p>2. Gegen eine weit ausgedehnte Gebirgsvertheidigung<lb/>
wird natuͤrlich der Angriff mit geſammelten Kraͤften geſche-<lb/>
hen; an ein Umfaſſen des Ganzen iſt da nicht zu denken,<lb/>
und wenn ein bedeutender Siegserfolg eintreten ſoll, ſo<lb/>
muß er mehr durch das Sprengen der feindlichen Linie<lb/>
und das Abdraͤngen der Fluͤgelpartien erreicht werden als<lb/>
durch umfaſſendes Abſchneiden. Schnelles unaufhaltſames<lb/>
Vordringen auf der Hauptruͤckzugsſtraße des Feindes iſt<lb/>
da das natuͤrliche Beſtreben des Angreifenden.</p><lb/><p>3. Iſt aber der Feind in einer weniger geſammel-<lb/>
ten Aufſtellung im Gebirge anzugreifen, ſo ſind die Um-<lb/>
gehungen ein ſehr weſentlicher Theil des Angriffs, denn<lb/>
die Stoͤße auf die Fronte werden auf die groͤßte Staͤrke<lb/>
des Vertheidigers treffen; die Umgehungen aber muͤſſen<lb/>
wieder mehr auf ein wahres Abſchneiden als auf einen<lb/>
taktiſchen Seiten- oder Ruͤckenanfall abzielen, denn ſelbſt<lb/>
im Ruͤcken ſind Gebirgsſtellungen, wenn es nicht an Kraͤf-<lb/>
ten fehlt, noch eines großen Widerſtandes faͤhig; und es<lb/>
iſt der ſchnellſte Erfolg immer nur von der Beſorgniß zu<lb/>
erwarten, die man dem Feinde giebt, daß er ſeinen Ruͤck-<lb/>
zug verliere; und dieſe Beſorgniß entſteht im Gebirge fruͤ-<lb/>
her und wirkt ſtaͤrker, weil man ſich im ſchlimmſten Fall<lb/>
nicht ſo leicht mit dem Degen in der Fauſt Platz machen<lb/>
kann. Aber eine bloße Demonſtration iſt hier nicht das<lb/>
genuͤgende Mittel; ſie wuͤrde den Feind allenfalls aus ſeiner<lb/>
Stellung herausmanoͤvriren, aber keinen ſonderlichen Erfolg<lb/>
geben, es muß alſo auf ein wirkliches Abſchneiden abgeſehn ſein.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[28/0042]
drei machen kann, wenn das Beduͤrfniß des Augenblicks
es erfordert die Maſſe der Truppen zu theilen, ſondern
meiſtens in langen Defileen ſtockt, ſo muß das Vorgehen
uͤberhaupt auf mehreren Straßen oder vielmehr auf einer
etwas breiteren Fronte geſchehen.
2. Gegen eine weit ausgedehnte Gebirgsvertheidigung
wird natuͤrlich der Angriff mit geſammelten Kraͤften geſche-
hen; an ein Umfaſſen des Ganzen iſt da nicht zu denken,
und wenn ein bedeutender Siegserfolg eintreten ſoll, ſo
muß er mehr durch das Sprengen der feindlichen Linie
und das Abdraͤngen der Fluͤgelpartien erreicht werden als
durch umfaſſendes Abſchneiden. Schnelles unaufhaltſames
Vordringen auf der Hauptruͤckzugsſtraße des Feindes iſt
da das natuͤrliche Beſtreben des Angreifenden.
3. Iſt aber der Feind in einer weniger geſammel-
ten Aufſtellung im Gebirge anzugreifen, ſo ſind die Um-
gehungen ein ſehr weſentlicher Theil des Angriffs, denn
die Stoͤße auf die Fronte werden auf die groͤßte Staͤrke
des Vertheidigers treffen; die Umgehungen aber muͤſſen
wieder mehr auf ein wahres Abſchneiden als auf einen
taktiſchen Seiten- oder Ruͤckenanfall abzielen, denn ſelbſt
im Ruͤcken ſind Gebirgsſtellungen, wenn es nicht an Kraͤf-
ten fehlt, noch eines großen Widerſtandes faͤhig; und es
iſt der ſchnellſte Erfolg immer nur von der Beſorgniß zu
erwarten, die man dem Feinde giebt, daß er ſeinen Ruͤck-
zug verliere; und dieſe Beſorgniß entſteht im Gebirge fruͤ-
her und wirkt ſtaͤrker, weil man ſich im ſchlimmſten Fall
nicht ſo leicht mit dem Degen in der Fauſt Platz machen
kann. Aber eine bloße Demonſtration iſt hier nicht das
genuͤgende Mittel; ſie wuͤrde den Feind allenfalls aus ſeiner
Stellung herausmanoͤvriren, aber keinen ſonderlichen Erfolg
geben, es muß alſo auf ein wirkliches Abſchneiden abgeſehn ſein.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/42>, abgerufen am 02.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.