es giebt dergleichen Stellungen, die darum noch nicht im Gebirge liegen, Pirna, Schmottseifen, Meißen, Feldkirch; und gerade weil sie nicht im Gebirge liegen, sind sie taug- licher. Aber man kann sich auch sehr wohl denken, daß solche Stellungen im Gebirge selbst gefunden werden kön- nen, wo sich die Vertheidiger von den gewöhnlichen Nach- theilen der Gebirgsstellungen losmachen können, z. B. auf hohen Plateaus, doch sind sie äußerst selten und wir konnten nur die Mehrzahl im Auge haben.
Wie wenig sich Gebirge zu entscheidenden Vertheidi- gungsschlachten eignen, sehen wir gerade aus der Kriegs- geschichte, denn die großen Feldherren, wenn sie es auf eine solche Schlacht ankommen lassen wollten, haben sich lieber in der Ebene aufgestellt, und es finden sich in der ganzen Kriegsgeschichte keine anderen Beispiele entscheiden- der Gefechte im Gebirge, als die im Revolutionskrieg, wo offenbar eine falsche Anwendung und Analogie den Ge- brauch der Gebirgsstellungen auch da herbeigeführt hat, wo man auf entscheidende Schläge rechnen mußte, 1793 und 1794 in den Vogesen, und 1795, 96 und 97 in Ita- lien. Jedermann hat Melas angeklagt, daß er 1800 die Alpendurchgänge nicht besetzt hatte; aber das sind Kritiken des ersten Einfalls, des bloßen, man möchte sagen kindi- schen Urtheils nach dem Augenschein. Bonaparte an Melas Stelle hätte sie eben so wenig besetzt.
Die Anordnung eines Gebirgsangriffs ist größtentheils taktischer Natur, nur glauben wir hier für die ersten Um- risse, also für diejenigen Theile, welche der Strategie zu- nächst liegen und mit ihr zusammenfallen, Folgendes ange- ben zu müssen:
1. Da man im Gebirge nicht wie in anderen Gegen- den von der Straße ausweichen und aus einem zwei oder
es giebt dergleichen Stellungen, die darum noch nicht im Gebirge liegen, Pirna, Schmottſeifen, Meißen, Feldkirch; und gerade weil ſie nicht im Gebirge liegen, ſind ſie taug- licher. Aber man kann ſich auch ſehr wohl denken, daß ſolche Stellungen im Gebirge ſelbſt gefunden werden koͤn- nen, wo ſich die Vertheidiger von den gewoͤhnlichen Nach- theilen der Gebirgsſtellungen losmachen koͤnnen, z. B. auf hohen Plateaus, doch ſind ſie aͤußerſt ſelten und wir konnten nur die Mehrzahl im Auge haben.
Wie wenig ſich Gebirge zu entſcheidenden Vertheidi- gungsſchlachten eignen, ſehen wir gerade aus der Kriegs- geſchichte, denn die großen Feldherren, wenn ſie es auf eine ſolche Schlacht ankommen laſſen wollten, haben ſich lieber in der Ebene aufgeſtellt, und es finden ſich in der ganzen Kriegsgeſchichte keine anderen Beiſpiele entſcheiden- der Gefechte im Gebirge, als die im Revolutionskrieg, wo offenbar eine falſche Anwendung und Analogie den Ge- brauch der Gebirgsſtellungen auch da herbeigefuͤhrt hat, wo man auf entſcheidende Schlaͤge rechnen mußte, 1793 und 1794 in den Vogeſen, und 1795, 96 und 97 in Ita- lien. Jedermann hat Melas angeklagt, daß er 1800 die Alpendurchgaͤnge nicht beſetzt hatte; aber das ſind Kritiken des erſten Einfalls, des bloßen, man moͤchte ſagen kindi- ſchen Urtheils nach dem Augenſchein. Bonaparte an Melas Stelle haͤtte ſie eben ſo wenig beſetzt.
Die Anordnung eines Gebirgsangriffs iſt groͤßtentheils taktiſcher Natur, nur glauben wir hier fuͤr die erſten Um- riſſe, alſo fuͤr diejenigen Theile, welche der Strategie zu- naͤchſt liegen und mit ihr zuſammenfallen, Folgendes ange- ben zu muͤſſen:
1. Da man im Gebirge nicht wie in anderen Gegen- den von der Straße ausweichen und aus einem zwei oder
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es giebt dergleichen Stellungen, die darum noch nicht im
Gebirge liegen, Pirna, Schmottſeifen, Meißen, Feldkirch;
und gerade weil ſie nicht im Gebirge liegen, ſind ſie taug-
licher. Aber man kann ſich auch ſehr wohl denken, daß
ſolche Stellungen im Gebirge ſelbſt gefunden werden koͤn-
nen, wo ſich die Vertheidiger von den gewoͤhnlichen Nach-
theilen der Gebirgsſtellungen losmachen koͤnnen, z. B. auf
hohen Plateaus, doch ſind ſie aͤußerſt ſelten und wir
konnten nur die Mehrzahl im Auge haben.
Wie wenig ſich Gebirge zu entſcheidenden Vertheidi-
gungsſchlachten eignen, ſehen wir gerade aus der Kriegs-
geſchichte, denn die großen Feldherren, wenn ſie es auf
eine ſolche Schlacht ankommen laſſen wollten, haben ſich
lieber in der Ebene aufgeſtellt, und es finden ſich in der
ganzen Kriegsgeſchichte keine anderen Beiſpiele entſcheiden-
der Gefechte im Gebirge, als die im Revolutionskrieg,
wo offenbar eine falſche Anwendung und Analogie den Ge-
brauch der Gebirgsſtellungen auch da herbeigefuͤhrt hat, wo
man auf entſcheidende Schlaͤge rechnen mußte, 1793 und
1794 in den Vogeſen, und 1795, 96 und 97 in Ita-
lien. Jedermann hat Melas angeklagt, daß er 1800 die
Alpendurchgaͤnge nicht beſetzt hatte; aber das ſind Kritiken
des erſten Einfalls, des bloßen, man moͤchte ſagen kindi-
ſchen Urtheils nach dem Augenſchein. Bonaparte an Melas
Stelle haͤtte ſie eben ſo wenig beſetzt.
Die Anordnung eines Gebirgsangriffs iſt groͤßtentheils
taktiſcher Natur, nur glauben wir hier fuͤr die erſten Um-
riſſe, alſo fuͤr diejenigen Theile, welche der Strategie zu-
naͤchſt liegen und mit ihr zuſammenfallen, Folgendes ange-
ben zu muͤſſen:
1. Da man im Gebirge nicht wie in anderen Gegen-
den von der Straße ausweichen und aus einem zwei oder
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/41>, abgerufen am 21.11.2024.
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