Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

und die Sicherung des eigenen. Zwischen beiden kann
dann Konkurrenz entstehen, und dabei gebührt der ersten
Rücksicht ein natürlicher Vorzug, denn sie ist selbst offen-
siver Natur, also mit dem Angriff homogen, während die
andere defensiver Natur ist. Aber es ist gewiß und muß
hier als eine Hauptwahrheit betrachtet werden: daß einen
tüchtigen Gegner in einer guten Stellung an-
zugreifen ein mißliches Ding ist
. Es fehlt freilich
nicht an Beispielen solcher Schlachten, und zwar glückli-
cher, wie Torgau, Wagram, (Dresden nennen wir nicht,
weil wir den Gegner in derselben nicht tüchtig nennen mö-
gen); aber im Ganzen ist die Gefahr sehr gering und
verschwindet gegen die Unzahl der Fälle wo wir die ent-
schlossensten Feldherrn vor guten Stellungen salutiren sahn.

Aber man muß mit dem Gegenstand, den wir hier im
Auge haben, nicht die gewöhnlichen Schlachten verwech-
seln. Die meisten Schlachten sind wahre rencontres, in
denen zwar der Eine steht, aber in einer unzubereiteten
Stellung.


Zehntes Kapitel.
Angriff verschanzter Läger
.

Es war eine Zeitlang Mode, sehr geringschätzend
von Schanzen und ihren Wirkungen zu sprechen. Die
kordonartigen Linien der französischen Grenzen welche oft
gesprengt worden waren, das verschanzte Lager von Bres-
lau, in dem der Herzog von Bevern die Schlacht verlor,
die Schlacht bei Torgau und mehrere andere Fälle hatten

und die Sicherung des eigenen. Zwiſchen beiden kann
dann Konkurrenz entſtehen, und dabei gebuͤhrt der erſten
Ruͤckſicht ein natuͤrlicher Vorzug, denn ſie iſt ſelbſt offen-
ſiver Natur, alſo mit dem Angriff homogen, waͤhrend die
andere defenſiver Natur iſt. Aber es iſt gewiß und muß
hier als eine Hauptwahrheit betrachtet werden: daß einen
tuͤchtigen Gegner in einer guten Stellung an-
zugreifen ein mißliches Ding iſt
. Es fehlt freilich
nicht an Beiſpielen ſolcher Schlachten, und zwar gluͤckli-
cher, wie Torgau, Wagram, (Dresden nennen wir nicht,
weil wir den Gegner in derſelben nicht tuͤchtig nennen moͤ-
gen); aber im Ganzen iſt die Gefahr ſehr gering und
verſchwindet gegen die Unzahl der Faͤlle wo wir die ent-
ſchloſſenſten Feldherrn vor guten Stellungen ſalutiren ſahn.

Aber man muß mit dem Gegenſtand, den wir hier im
Auge haben, nicht die gewoͤhnlichen Schlachten verwech-
ſeln. Die meiſten Schlachten ſind wahre rencontres, in
denen zwar der Eine ſteht, aber in einer unzubereiteten
Stellung.


Zehntes Kapitel.
Angriff verſchanzter Laͤger
.

Es war eine Zeitlang Mode, ſehr geringſchaͤtzend
von Schanzen und ihren Wirkungen zu ſprechen. Die
kordonartigen Linien der franzoͤſiſchen Grenzen welche oft
geſprengt worden waren, das verſchanzte Lager von Bres-
lau, in dem der Herzog von Bevern die Schlacht verlor,
die Schlacht bei Torgau und mehrere andere Faͤlle hatten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0036" n="22"/>
und die Sicherung des eigenen. Zwi&#x017F;chen beiden kann<lb/>
dann Konkurrenz ent&#x017F;tehen, und dabei gebu&#x0364;hrt der er&#x017F;ten<lb/>
Ru&#x0364;ck&#x017F;icht ein natu&#x0364;rlicher Vorzug, denn &#x017F;ie i&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t offen-<lb/>
&#x017F;iver Natur, al&#x017F;o mit dem Angriff homogen, wa&#x0364;hrend die<lb/>
andere defen&#x017F;iver Natur i&#x017F;t. Aber es i&#x017F;t gewiß und muß<lb/>
hier als eine Hauptwahrheit betrachtet werden: daß <hi rendition="#g">einen<lb/>
tu&#x0364;chtigen Gegner in einer guten Stellung an-<lb/>
zugreifen ein mißliches Ding i&#x017F;t</hi>. Es fehlt freilich<lb/>
nicht an Bei&#x017F;pielen &#x017F;olcher Schlachten, und zwar glu&#x0364;ckli-<lb/>
cher, wie Torgau, Wagram, (Dresden nennen wir nicht,<lb/>
weil wir den Gegner in der&#x017F;elben nicht tu&#x0364;chtig nennen mo&#x0364;-<lb/>
gen); aber im Ganzen i&#x017F;t die Gefahr &#x017F;ehr gering und<lb/>
ver&#x017F;chwindet gegen die Unzahl der Fa&#x0364;lle wo wir die ent-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en&#x017F;ten Feldherrn vor guten Stellungen &#x017F;alutiren &#x017F;ahn.</p><lb/>
          <p>Aber man muß mit dem Gegen&#x017F;tand, den wir hier im<lb/>
Auge haben, nicht die gewo&#x0364;hnlichen Schlachten verwech-<lb/>
&#x017F;eln. Die mei&#x017F;ten Schlachten &#x017F;ind wahre <hi rendition="#aq">rencontres,</hi> in<lb/>
denen zwar der Eine &#x017F;teht, aber in einer unzubereiteten<lb/>
Stellung.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Zehntes Kapitel.<lb/>
Angriff ver&#x017F;chanzter La&#x0364;ger</hi>.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Es war eine Zeitlang Mode, &#x017F;ehr gering&#x017F;cha&#x0364;tzend<lb/>
von Schanzen und ihren Wirkungen zu &#x017F;prechen. Die<lb/>
kordonartigen Linien der franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Grenzen welche oft<lb/>
ge&#x017F;prengt worden waren, das ver&#x017F;chanzte Lager von Bres-<lb/>
lau, in dem der Herzog von Bevern die Schlacht verlor,<lb/>
die Schlacht bei Torgau und mehrere andere Fa&#x0364;lle hatten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0036] und die Sicherung des eigenen. Zwiſchen beiden kann dann Konkurrenz entſtehen, und dabei gebuͤhrt der erſten Ruͤckſicht ein natuͤrlicher Vorzug, denn ſie iſt ſelbſt offen- ſiver Natur, alſo mit dem Angriff homogen, waͤhrend die andere defenſiver Natur iſt. Aber es iſt gewiß und muß hier als eine Hauptwahrheit betrachtet werden: daß einen tuͤchtigen Gegner in einer guten Stellung an- zugreifen ein mißliches Ding iſt. Es fehlt freilich nicht an Beiſpielen ſolcher Schlachten, und zwar gluͤckli- cher, wie Torgau, Wagram, (Dresden nennen wir nicht, weil wir den Gegner in derſelben nicht tuͤchtig nennen moͤ- gen); aber im Ganzen iſt die Gefahr ſehr gering und verſchwindet gegen die Unzahl der Faͤlle wo wir die ent- ſchloſſenſten Feldherrn vor guten Stellungen ſalutiren ſahn. Aber man muß mit dem Gegenſtand, den wir hier im Auge haben, nicht die gewoͤhnlichen Schlachten verwech- ſeln. Die meiſten Schlachten ſind wahre rencontres, in denen zwar der Eine ſteht, aber in einer unzubereiteten Stellung. Zehntes Kapitel. Angriff verſchanzter Laͤger. Es war eine Zeitlang Mode, ſehr geringſchaͤtzend von Schanzen und ihren Wirkungen zu ſprechen. Die kordonartigen Linien der franzoͤſiſchen Grenzen welche oft geſprengt worden waren, das verſchanzte Lager von Bres- lau, in dem der Herzog von Bevern die Schlacht verlor, die Schlacht bei Torgau und mehrere andere Faͤlle hatten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/36
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/36>, abgerufen am 22.12.2024.