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Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

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gewöhnt, weil es doch zu einleuchtend war daß sie sonst
größtentheils unnütz sein würde.

194. Sonst aber hat man jenes unvermischte Stre-
ben zum Vorschreiten für so naturgemäß gehalten daß
man den Angriff ohne einen Schuß zu thun wie eine
Art Ideal betrachtet hat.

Selbst Friedrich der Große hat bis zur Schlacht von
Zorndorf das Feuer beim Angriff wie etwas Ungehöriges
betrachtet.

195. Wenn man auch davon später etwas zurückge-
kommen ist, so glaubt doch noch heute der große Haufe
daß der Angreifende sich der bedeutendsten Punkte einer
Stellung nicht zu früh bemächtigen könne.

196. Diejenigen welche dem Feuer noch die meisten
Concessionen machen, wollen doch gleich zum Angriff vor-
rücken, in großer Nähe einige Bataillonssalven geben und
dann mit dem Bajonet draufgehen.

197. Aber ein Blick auf die Kriegsgeschichte und
ein Blick auf unsere Waffen zeigt daß die absolute Ver-
werfung des Feuers beim Angriff ein Absurdum ist.

198. Etwas mehr Bekanntschaft mit dem Gefecht
und besonders die anschauliche Erfahrung lehrt auch daß
eine Truppe die einmal ins Feuern verfällt selten noch zu
einem kräftigen Sturme zu brauchen ist. Folglich ist die
in Nr. 196 erwähnte Concession Nichts werth.

199. Endlich zeigt die Kriegsgeschichte eine unermeß-
liche Menge von Fällen wo man einen errungenen Vor-
theil mit großem Verlust wieder hat aufgeben müssen,
weil man unvorsichtig vorgedrungen war. Es kann also
auch der in Nr. 195 ausgesprochene Grundsatz nicht zu-
gestanden werden.

200. Wir behaupten also daß die ganze hier be-

gewoͤhnt, weil es doch zu einleuchtend war daß ſie ſonſt
groͤßtentheils unnuͤtz ſein wuͤrde.

194. Sonſt aber hat man jenes unvermiſchte Stre-
ben zum Vorſchreiten fuͤr ſo naturgemaͤß gehalten daß
man den Angriff ohne einen Schuß zu thun wie eine
Art Ideal betrachtet hat.

Selbſt Friedrich der Große hat bis zur Schlacht von
Zorndorf das Feuer beim Angriff wie etwas Ungehoͤriges
betrachtet.

195. Wenn man auch davon ſpaͤter etwas zuruͤckge-
kommen iſt, ſo glaubt doch noch heute der große Haufe
daß der Angreifende ſich der bedeutendſten Punkte einer
Stellung nicht zu fruͤh bemaͤchtigen koͤnne.

196. Diejenigen welche dem Feuer noch die meiſten
Conceſſionen machen, wollen doch gleich zum Angriff vor-
ruͤcken, in großer Naͤhe einige Bataillonsſalven geben und
dann mit dem Bajonet draufgehen.

197. Aber ein Blick auf die Kriegsgeſchichte und
ein Blick auf unſere Waffen zeigt daß die abſolute Ver-
werfung des Feuers beim Angriff ein Abſurdum iſt.

198. Etwas mehr Bekanntſchaft mit dem Gefecht
und beſonders die anſchauliche Erfahrung lehrt auch daß
eine Truppe die einmal ins Feuern verfaͤllt ſelten noch zu
einem kraͤftigen Sturme zu brauchen iſt. Folglich iſt die
in Nr. 196 erwaͤhnte Conceſſion Nichts werth.

199. Endlich zeigt die Kriegsgeſchichte eine unermeß-
liche Menge von Faͤllen wo man einen errungenen Vor-
theil mit großem Verluſt wieder hat aufgeben muͤſſen,
weil man unvorſichtig vorgedrungen war. Es kann alſo
auch der in Nr. 195 ausgeſprochene Grundſatz nicht zu-
geſtanden werden.

200. Wir behaupten alſo daß die ganze hier be-

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[315/0329] gewoͤhnt, weil es doch zu einleuchtend war daß ſie ſonſt groͤßtentheils unnuͤtz ſein wuͤrde. 194. Sonſt aber hat man jenes unvermiſchte Stre- ben zum Vorſchreiten fuͤr ſo naturgemaͤß gehalten daß man den Angriff ohne einen Schuß zu thun wie eine Art Ideal betrachtet hat. Selbſt Friedrich der Große hat bis zur Schlacht von Zorndorf das Feuer beim Angriff wie etwas Ungehoͤriges betrachtet. 195. Wenn man auch davon ſpaͤter etwas zuruͤckge- kommen iſt, ſo glaubt doch noch heute der große Haufe daß der Angreifende ſich der bedeutendſten Punkte einer Stellung nicht zu fruͤh bemaͤchtigen koͤnne. 196. Diejenigen welche dem Feuer noch die meiſten Conceſſionen machen, wollen doch gleich zum Angriff vor- ruͤcken, in großer Naͤhe einige Bataillonsſalven geben und dann mit dem Bajonet draufgehen. 197. Aber ein Blick auf die Kriegsgeſchichte und ein Blick auf unſere Waffen zeigt daß die abſolute Ver- werfung des Feuers beim Angriff ein Abſurdum iſt. 198. Etwas mehr Bekanntſchaft mit dem Gefecht und beſonders die anſchauliche Erfahrung lehrt auch daß eine Truppe die einmal ins Feuern verfaͤllt ſelten noch zu einem kraͤftigen Sturme zu brauchen iſt. Folglich iſt die in Nr. 196 erwaͤhnte Conceſſion Nichts werth. 199. Endlich zeigt die Kriegsgeſchichte eine unermeß- liche Menge von Faͤllen wo man einen errungenen Vor- theil mit großem Verluſt wieder hat aufgeben muͤſſen, weil man unvorſichtig vorgedrungen war. Es kann alſo auch der in Nr. 195 ausgeſprochene Grundſatz nicht zu- geſtanden werden. 200. Wir behaupten alſo daß die ganze hier be-

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Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/329>, abgerufen am 24.11.2024.