meinheit. Er ist nicht die Ausführung selbst, sondern nur ein Auftrag.
101. Alles was unter dem Kommandowort steht, hat keinen Willen; so wie aber statt desselben der Befehl eintritt, so hebt auch eine gewisse Selbstständigkeit der Glie- der an, weil der Befehl allgemeiner Natur ist und der Wille des Führers ihn ergänzen muß wenn er nicht zureicht.
102. Ließe sich ein Gefecht in allen seinen neben und nach einander liegenden Theilen und Ereignissen genau vorher bestimmen und übersehen, könnte also der Plan desselben bis in die kleinsten Theile durchdringen wie bei der Einrichtung einer todten Maschiene, so würde der Be- fehl diese Unbestimmtheit nicht haben.
103. Aber die Fechtenden hören nie auf Menschen und Individuen zu sein, können nie zur willenlosen Ma- schine gemacht werden und der Boden auf dem sie fechten wird selten oder nie ein vollkommenes und leeres Planum sein, welches ohne allen Einfluß auf das Gefecht bliebe. Es ist also ganz unmöglich alle Wirkungen vorher zu berechnen.
104. Dieses Unzureichende des Plans nimmt zu mit der Dauer des Gefechts und mit der Zahl der Fechtenden. Das Handgefecht eines schwachen Haufens ist fast ganz in seinem Plan enthalten; im Feuergefecht, selbst kleiner Haufen, kann dagegen der Plan wegen der Dauer dessel- ben und der eintretenden Zwischenfälle nicht in dem Maaße durchdringen. Von der andern Seite kann auch das Handgefecht großer Massen, z. B. einer Kavalleriedivision von 2. oder 3000 Pferden, nicht so von den Bestimmun- gen des ersten Plans durchdrungen werden, daß nicht häufig der Wille einzelner Führer ihn ergänzen müßte.
meinheit. Er iſt nicht die Ausfuͤhrung ſelbſt, ſondern nur ein Auftrag.
101. Alles was unter dem Kommandowort ſteht, hat keinen Willen; ſo wie aber ſtatt deſſelben der Befehl eintritt, ſo hebt auch eine gewiſſe Selbſtſtaͤndigkeit der Glie- der an, weil der Befehl allgemeiner Natur iſt und der Wille des Fuͤhrers ihn ergaͤnzen muß wenn er nicht zureicht.
102. Ließe ſich ein Gefecht in allen ſeinen neben und nach einander liegenden Theilen und Ereigniſſen genau vorher beſtimmen und uͤberſehen, koͤnnte alſo der Plan deſſelben bis in die kleinſten Theile durchdringen wie bei der Einrichtung einer todten Maſchiene, ſo wuͤrde der Be- fehl dieſe Unbeſtimmtheit nicht haben.
103. Aber die Fechtenden hoͤren nie auf Menſchen und Individuen zu ſein, koͤnnen nie zur willenloſen Ma- ſchine gemacht werden und der Boden auf dem ſie fechten wird ſelten oder nie ein vollkommenes und leeres Planum ſein, welches ohne allen Einfluß auf das Gefecht bliebe. Es iſt alſo ganz unmoͤglich alle Wirkungen vorher zu berechnen.
104. Dieſes Unzureichende des Plans nimmt zu mit der Dauer des Gefechts und mit der Zahl der Fechtenden. Das Handgefecht eines ſchwachen Haufens iſt faſt ganz in ſeinem Plan enthalten; im Feuergefecht, ſelbſt kleiner Haufen, kann dagegen der Plan wegen der Dauer deſſel- ben und der eintretenden Zwiſchenfaͤlle nicht in dem Maaße durchdringen. Von der andern Seite kann auch das Handgefecht großer Maſſen, z. B. einer Kavalleriediviſion von 2. oder 3000 Pferden, nicht ſo von den Beſtimmun- gen des erſten Plans durchdrungen werden, daß nicht haͤufig der Wille einzelner Fuͤhrer ihn ergaͤnzen muͤßte.
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meinheit. Er iſt nicht die Ausfuͤhrung ſelbſt, ſondern nur
ein Auftrag.
101. Alles was unter dem Kommandowort ſteht,
hat keinen Willen; ſo wie aber ſtatt deſſelben der Befehl
eintritt, ſo hebt auch eine gewiſſe Selbſtſtaͤndigkeit der Glie-
der an, weil der Befehl allgemeiner Natur iſt und der
Wille des Fuͤhrers ihn ergaͤnzen muß wenn er nicht zureicht.
102. Ließe ſich ein Gefecht in allen ſeinen neben
und nach einander liegenden Theilen und Ereigniſſen genau
vorher beſtimmen und uͤberſehen, koͤnnte alſo der Plan
deſſelben bis in die kleinſten Theile durchdringen wie bei
der Einrichtung einer todten Maſchiene, ſo wuͤrde der Be-
fehl dieſe Unbeſtimmtheit nicht haben.
103. Aber die Fechtenden hoͤren nie auf Menſchen
und Individuen zu ſein, koͤnnen nie zur willenloſen Ma-
ſchine gemacht werden und der Boden auf dem ſie fechten
wird ſelten oder nie ein vollkommenes und leeres Planum
ſein, welches ohne allen Einfluß auf das Gefecht bliebe.
Es iſt alſo ganz unmoͤglich alle Wirkungen vorher zu
berechnen.
104. Dieſes Unzureichende des Plans nimmt zu mit
der Dauer des Gefechts und mit der Zahl der Fechtenden.
Das Handgefecht eines ſchwachen Haufens iſt faſt ganz
in ſeinem Plan enthalten; im Feuergefecht, ſelbſt kleiner
Haufen, kann dagegen der Plan wegen der Dauer deſſel-
ben und der eintretenden Zwiſchenfaͤlle nicht in dem Maaße
durchdringen. Von der andern Seite kann auch das
Handgefecht großer Maſſen, z. B. einer Kavalleriediviſion
von 2. oder 3000 Pferden, nicht ſo von den Beſtimmun-
gen des erſten Plans durchdrungen werden, daß nicht
haͤufig der Wille einzelner Fuͤhrer ihn ergaͤnzen muͤßte.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/313>, abgerufen am 24.11.2024.
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