Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

berechnen ließen; oft denkt man mit der Armee bis zu
einem Punkte zu kommen und muß mehrere Stunden da-
hinter zurückbleiben; oft leistet ein kleiner Posten den wir
ausgestellt viel weniger als wir erwarten konnten, ein
feindlicher viel mehr; oft reichen die Kräfte einer Provinz
nicht so weit als wir glaubten u. s. w.

Aller dieser Aufenthalt ist nicht anders gut zu machen
als mit sehr großen Anstrengungen, die der Feldherr nur
erhalten wird durch eine Strenge die an Härte gränzt.
Nur dadurch, nur wenn er gewiß ist daß das Mögliche
immer geleistet wird, darf er sicher sein daß diese klei-
nen Schwierigkeiten nicht einen großen Einfluß auf die
Operationen gewinnen, daß er nicht zu weit hinter einem
Ziele zurückbleibt welches er hätte erreichen können.

6. Man darf sicher annehmen daß nie eine Armee
sich in dem Zustande befindet, worin Der welcher in der
Stube ihren Operationen folgt, sie voraussetzt. Ist er
für diese Armee gestimmt so wird er sie um 1/3 bis zur
Hälfte stärker und besser annehmen als sie ist. Es ist
ziemlich natürlich daß der Feldherr sich beim ersten Ent-
wurf seiner Operationen in demselben Falle befindet; daß
er seine Armee in der Folge zusammenschmelzen sieht, wie
er es sich nicht gedacht hat; seine Kavallerie und Artille-
rie unbrauchbar werden u. s. w. Was also dem Beob-
achter und dem Feldherrn bei der Eröffnung des Feld-
zuges selbst möglich und leicht scheint, wird in der Aus-
führung oft schwer und unmöglich. Ist nun der Feldherr
ein Mann, der mit Kühnheit und Stärke des Willens,
von einem hohen Ehrgeiz getrieben, seine Zwecke dennoch
verfolgt, so wird er sie erreichen, während ein gewöhnli-
cher Mensch in dem Zustande der Armee hinreichende Ent-
schuldigung zu finden glaubt um nachzulassen.

berechnen ließen; oft denkt man mit der Armee bis zu
einem Punkte zu kommen und muß mehrere Stunden da-
hinter zuruͤckbleiben; oft leiſtet ein kleiner Poſten den wir
ausgeſtellt viel weniger als wir erwarten konnten, ein
feindlicher viel mehr; oft reichen die Kraͤfte einer Provinz
nicht ſo weit als wir glaubten u. ſ. w.

Aller dieſer Aufenthalt iſt nicht anders gut zu machen
als mit ſehr großen Anſtrengungen, die der Feldherr nur
erhalten wird durch eine Strenge die an Haͤrte graͤnzt.
Nur dadurch, nur wenn er gewiß iſt daß das Moͤgliche
immer geleiſtet wird, darf er ſicher ſein daß dieſe klei-
nen Schwierigkeiten nicht einen großen Einfluß auf die
Operationen gewinnen, daß er nicht zu weit hinter einem
Ziele zuruͤckbleibt welches er haͤtte erreichen koͤnnen.

6. Man darf ſicher annehmen daß nie eine Armee
ſich in dem Zuſtande befindet, worin Der welcher in der
Stube ihren Operationen folgt, ſie vorausſetzt. Iſt er
fuͤr dieſe Armee geſtimmt ſo wird er ſie um ⅓ bis zur
Haͤlfte ſtaͤrker und beſſer annehmen als ſie iſt. Es iſt
ziemlich natuͤrlich daß der Feldherr ſich beim erſten Ent-
wurf ſeiner Operationen in demſelben Falle befindet; daß
er ſeine Armee in der Folge zuſammenſchmelzen ſieht, wie
er es ſich nicht gedacht hat; ſeine Kavallerie und Artille-
rie unbrauchbar werden u. ſ. w. Was alſo dem Beob-
achter und dem Feldherrn bei der Eroͤffnung des Feld-
zuges ſelbſt moͤglich und leicht ſcheint, wird in der Aus-
fuͤhrung oft ſchwer und unmoͤglich. Iſt nun der Feldherr
ein Mann, der mit Kuͤhnheit und Staͤrke des Willens,
von einem hohen Ehrgeiz getrieben, ſeine Zwecke dennoch
verfolgt, ſo wird er ſie erreichen, waͤhrend ein gewoͤhnli-
cher Menſch in dem Zuſtande der Armee hinreichende Ent-
ſchuldigung zu finden glaubt um nachzulaſſen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0272" n="258"/>
berechnen ließen; oft denkt man mit der Armee bis zu<lb/>
einem Punkte zu kommen und muß mehrere Stunden da-<lb/>
hinter zuru&#x0364;ckbleiben; oft lei&#x017F;tet ein kleiner Po&#x017F;ten den wir<lb/>
ausge&#x017F;tellt viel weniger als wir erwarten konnten, ein<lb/>
feindlicher viel mehr; oft reichen die Kra&#x0364;fte einer Provinz<lb/>
nicht &#x017F;o weit als wir glaubten u. &#x017F;. w.</p><lb/>
            <p>Aller die&#x017F;er Aufenthalt i&#x017F;t nicht anders gut zu machen<lb/>
als mit &#x017F;ehr großen An&#x017F;trengungen, die der Feldherr nur<lb/>
erhalten wird durch eine Strenge die an Ha&#x0364;rte gra&#x0364;nzt.<lb/>
Nur dadurch, nur wenn er gewiß i&#x017F;t daß das Mo&#x0364;gliche<lb/>
immer gelei&#x017F;tet wird, darf er &#x017F;icher &#x017F;ein daß die&#x017F;e klei-<lb/>
nen Schwierigkeiten nicht einen großen Einfluß auf die<lb/>
Operationen gewinnen, daß er nicht zu weit hinter einem<lb/>
Ziele zuru&#x0364;ckbleibt welches er ha&#x0364;tte erreichen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
            <p>6. Man darf &#x017F;icher annehmen daß nie eine Armee<lb/>
&#x017F;ich in dem Zu&#x017F;tande befindet, worin Der welcher in der<lb/>
Stube ihren Operationen folgt, &#x017F;ie voraus&#x017F;etzt. I&#x017F;t er<lb/>
fu&#x0364;r die&#x017F;e Armee ge&#x017F;timmt &#x017F;o wird er &#x017F;ie um &#x2153; bis zur<lb/>
Ha&#x0364;lfte &#x017F;ta&#x0364;rker und be&#x017F;&#x017F;er annehmen als &#x017F;ie i&#x017F;t. Es i&#x017F;t<lb/>
ziemlich natu&#x0364;rlich daß der Feldherr &#x017F;ich beim er&#x017F;ten Ent-<lb/>
wurf &#x017F;einer Operationen in dem&#x017F;elben Falle befindet; daß<lb/>
er &#x017F;eine Armee in der Folge zu&#x017F;ammen&#x017F;chmelzen &#x017F;ieht, wie<lb/>
er es &#x017F;ich nicht gedacht hat; &#x017F;eine Kavallerie und Artille-<lb/>
rie unbrauchbar werden u. &#x017F;. w. Was al&#x017F;o dem Beob-<lb/>
achter und dem Feldherrn bei der Ero&#x0364;ffnung des Feld-<lb/>
zuges &#x017F;elb&#x017F;t mo&#x0364;glich und leicht &#x017F;cheint, wird in der Aus-<lb/>
fu&#x0364;hrung oft &#x017F;chwer und unmo&#x0364;glich. I&#x017F;t nun der Feldherr<lb/>
ein Mann, der mit Ku&#x0364;hnheit und Sta&#x0364;rke des Willens,<lb/>
von einem hohen Ehrgeiz getrieben, &#x017F;eine Zwecke dennoch<lb/>
verfolgt, &#x017F;o wird er &#x017F;ie erreichen, wa&#x0364;hrend ein gewo&#x0364;hnli-<lb/>
cher Men&#x017F;ch in dem Zu&#x017F;tande der Armee hinreichende Ent-<lb/>
&#x017F;chuldigung zu finden glaubt um nachzula&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[258/0272] berechnen ließen; oft denkt man mit der Armee bis zu einem Punkte zu kommen und muß mehrere Stunden da- hinter zuruͤckbleiben; oft leiſtet ein kleiner Poſten den wir ausgeſtellt viel weniger als wir erwarten konnten, ein feindlicher viel mehr; oft reichen die Kraͤfte einer Provinz nicht ſo weit als wir glaubten u. ſ. w. Aller dieſer Aufenthalt iſt nicht anders gut zu machen als mit ſehr großen Anſtrengungen, die der Feldherr nur erhalten wird durch eine Strenge die an Haͤrte graͤnzt. Nur dadurch, nur wenn er gewiß iſt daß das Moͤgliche immer geleiſtet wird, darf er ſicher ſein daß dieſe klei- nen Schwierigkeiten nicht einen großen Einfluß auf die Operationen gewinnen, daß er nicht zu weit hinter einem Ziele zuruͤckbleibt welches er haͤtte erreichen koͤnnen. 6. Man darf ſicher annehmen daß nie eine Armee ſich in dem Zuſtande befindet, worin Der welcher in der Stube ihren Operationen folgt, ſie vorausſetzt. Iſt er fuͤr dieſe Armee geſtimmt ſo wird er ſie um ⅓ bis zur Haͤlfte ſtaͤrker und beſſer annehmen als ſie iſt. Es iſt ziemlich natuͤrlich daß der Feldherr ſich beim erſten Ent- wurf ſeiner Operationen in demſelben Falle befindet; daß er ſeine Armee in der Folge zuſammenſchmelzen ſieht, wie er es ſich nicht gedacht hat; ſeine Kavallerie und Artille- rie unbrauchbar werden u. ſ. w. Was alſo dem Beob- achter und dem Feldherrn bei der Eroͤffnung des Feld- zuges ſelbſt moͤglich und leicht ſcheint, wird in der Aus- fuͤhrung oft ſchwer und unmoͤglich. Iſt nun der Feldherr ein Mann, der mit Kuͤhnheit und Staͤrke des Willens, von einem hohen Ehrgeiz getrieben, ſeine Zwecke dennoch verfolgt, ſo wird er ſie erreichen, waͤhrend ein gewoͤhnli- cher Menſch in dem Zuſtande der Armee hinreichende Ent- ſchuldigung zu finden glaubt um nachzulaſſen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/272
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/272>, abgerufen am 25.11.2024.