der noch nie große Zwecke aus Vorsicht furchtsam und mit halben Schritten verfolgt hat.
Denken Sie, gnädigster Herr, an die wenigen De- fensivschlachten die in der Geschichte gewonnen sind, so wer- den die schönsten darunter in dem Geiste der hier gegebe- nen Grundsätze geführt sein, denn eben das Studium der Kriegsgeschichte hat diese Grundsätze an die Hand gegeben.
Bei Minden erschien der Herzog Ferdinand plötzlich auf einem Schlachtfelde wo der Feind ihn nicht erwartet hatte und ging zum Angriff über, während er bei Tannhausen hinter Schanzen sich passiv wehrte.
Bei Roßbach warf sich Friedrich II. auf einen Punkt und in einem Augenblick dem Feinde entgegen wo er nicht erwartet war.
Bei Liegnitz trafen die Östreicher in der Nacht den König in einer ganz andern Stellung an, als sie ihn Tags vorher gesehen hatten; er fiel mit der ganzen Armee über eine Kolonne der feindlichen her und schlug diese ehe die andern zum Gefechte kommen konnten.
Bei Hohenlinden hatte Moreau 5 Divisionen in sei- ner Fronte und 4 in seinem Rücken und seitwärts hinter sich. Er umging den Feind und fiel auf seine rechte Flü- gelkolonne, ehe diese noch ihren Angriff ausführen konnte.
Bei Regensburg vertheidigt sich der Marschall Da- voust passiv, während Napoleon mit dem rechten Flügel das 5te und 6te Armeekorps angreift und total schlägt.
Bei Wagram waren die Östreicher zwar die eigent- lichen Vertheidiger, doch kann man, da sie am zweiten Tage mit dem größten Theil ihrer Macht den Kaiser an- griffen, auch diesen als den Vertheidiger betrachten. Mit seinem rechten Flügel greift er den östreichischen linken an,
der noch nie große Zwecke aus Vorſicht furchtſam und mit halben Schritten verfolgt hat.
Denken Sie, gnaͤdigſter Herr, an die wenigen De- fenſivſchlachten die in der Geſchichte gewonnen ſind, ſo wer- den die ſchoͤnſten darunter in dem Geiſte der hier gegebe- nen Grundſaͤtze gefuͤhrt ſein, denn eben das Studium der Kriegsgeſchichte hat dieſe Grundſaͤtze an die Hand gegeben.
Bei Minden erſchien der Herzog Ferdinand ploͤtzlich auf einem Schlachtfelde wo der Feind ihn nicht erwartet hatte und ging zum Angriff uͤber, waͤhrend er bei Tannhauſen hinter Schanzen ſich paſſiv wehrte.
Bei Roßbach warf ſich Friedrich II. auf einen Punkt und in einem Augenblick dem Feinde entgegen wo er nicht erwartet war.
Bei Liegnitz trafen die Öſtreicher in der Nacht den Koͤnig in einer ganz andern Stellung an, als ſie ihn Tags vorher geſehen hatten; er fiel mit der ganzen Armee uͤber eine Kolonne der feindlichen her und ſchlug dieſe ehe die andern zum Gefechte kommen konnten.
Bei Hohenlinden hatte Moreau 5 Diviſionen in ſei- ner Fronte und 4 in ſeinem Ruͤcken und ſeitwaͤrts hinter ſich. Er umging den Feind und fiel auf ſeine rechte Fluͤ- gelkolonne, ehe dieſe noch ihren Angriff ausfuͤhren konnte.
Bei Regensburg vertheidigt ſich der Marſchall Da- vouſt paſſiv, waͤhrend Napoleon mit dem rechten Fluͤgel das 5te und 6te Armeekorps angreift und total ſchlaͤgt.
Bei Wagram waren die Öſtreicher zwar die eigent- lichen Vertheidiger, doch kann man, da ſie am zweiten Tage mit dem groͤßten Theil ihrer Macht den Kaiſer an- griffen, auch dieſen als den Vertheidiger betrachten. Mit ſeinem rechten Fluͤgel greift er den oͤſtreichiſchen linken an,
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der noch nie große Zwecke aus Vorſicht furchtſam und mit
halben Schritten verfolgt hat.
Denken Sie, gnaͤdigſter Herr, an die wenigen De-
fenſivſchlachten die in der Geſchichte gewonnen ſind, ſo wer-
den die ſchoͤnſten darunter in dem Geiſte der hier gegebe-
nen Grundſaͤtze gefuͤhrt ſein, denn eben das Studium der
Kriegsgeſchichte hat dieſe Grundſaͤtze an die Hand gegeben.
Bei Minden erſchien der Herzog Ferdinand ploͤtzlich auf
einem Schlachtfelde wo der Feind ihn nicht erwartet hatte
und ging zum Angriff uͤber, waͤhrend er bei Tannhauſen
hinter Schanzen ſich paſſiv wehrte.
Bei Roßbach warf ſich Friedrich II. auf einen Punkt
und in einem Augenblick dem Feinde entgegen wo er nicht
erwartet war.
Bei Liegnitz trafen die Öſtreicher in der Nacht den
Koͤnig in einer ganz andern Stellung an, als ſie ihn Tags
vorher geſehen hatten; er fiel mit der ganzen Armee uͤber
eine Kolonne der feindlichen her und ſchlug dieſe ehe die
andern zum Gefechte kommen konnten.
Bei Hohenlinden hatte Moreau 5 Diviſionen in ſei-
ner Fronte und 4 in ſeinem Ruͤcken und ſeitwaͤrts hinter
ſich. Er umging den Feind und fiel auf ſeine rechte Fluͤ-
gelkolonne, ehe dieſe noch ihren Angriff ausfuͤhren konnte.
Bei Regensburg vertheidigt ſich der Marſchall Da-
vouſt paſſiv, waͤhrend Napoleon mit dem rechten Fluͤgel
das 5te und 6te Armeekorps angreift und total ſchlaͤgt.
Bei Wagram waren die Öſtreicher zwar die eigent-
lichen Vertheidiger, doch kann man, da ſie am zweiten
Tage mit dem groͤßten Theil ihrer Macht den Kaiſer an-
griffen, auch dieſen als den Vertheidiger betrachten. Mit
ſeinem rechten Fluͤgel greift er den oͤſtreichiſchen linken an,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/231>, abgerufen am 18.07.2024.
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