wenn die alte schon so oft versuchte Idee eines Angriffs des südlichen Frankreichs von Italien her damit verbun- den und aus diesem Grunde der italienischen Macht eine Größe gegeben würde die sie zur bloßen Sicherung gegen die äußersten Unglücksfälle im ersten Feldzuge nicht brauchte. Nur so viel soll in Italien bleiben, nur so viel darf der Hauptunternehmung entzogen werden, wenn man dem Hauptgedanken: Einheit des Plans, Vereinigung der Macht nicht untreu werden will. Wenn man Frank- reich an der Rhone erobern will, so ist das als wenn man eine Muskete an der Spitze ihres Bajonets aufheben will, aber auch als Nebenunternehmung ist ein Angriff auf das südliche Frankreich verwerflich, denn er weckt nur neue Kräfte gegen uns. Jedesmal wo man eine entfernte Provinz angreift, rührt man Interessen und Thätigkeiten auf die sonst geschlummert hätten. Nur wenn sich zeigt daß die in Italien gelassenen Kräfte für die bloße Siche- rung des Landes zu groß wären und also müßig bleiben müßten, ist ein Angriff auf das südliche Frankreich von da aus gerechtfertigt.
Wir wiederholen es daher: die italienische Macht muß so schwach gehalten werden als es die Umstände nur irgend zulassen, und sie ist hinreichend wenn die Östreicher nicht in einem Feldzuge das ganze Land verlieren können. Nehmen wir diese Macht in unserem Beispiele mit 50,000 Mann an.
Die andere Rücksicht ist das Verhältniß Frankreichs als Küstenland. Da England zur See die Oberhand hat, so folgt daraus eine große Reizbarkeit Frankreichs längs seiner ganzen atlantischen Küste und folglich eine mehr oder weniger starke Besetzung derselben. Wie schwach diese nun auch eingerichtet sei, so wird doch die französische Grenze damit verdreifacht, und es kann nicht fehlen daß
wenn die alte ſchon ſo oft verſuchte Idee eines Angriffs des ſuͤdlichen Frankreichs von Italien her damit verbun- den und aus dieſem Grunde der italieniſchen Macht eine Groͤße gegeben wuͤrde die ſie zur bloßen Sicherung gegen die aͤußerſten Ungluͤcksfaͤlle im erſten Feldzuge nicht brauchte. Nur ſo viel ſoll in Italien bleiben, nur ſo viel darf der Hauptunternehmung entzogen werden, wenn man dem Hauptgedanken: Einheit des Plans, Vereinigung der Macht nicht untreu werden will. Wenn man Frank- reich an der Rhone erobern will, ſo iſt das als wenn man eine Muskete an der Spitze ihres Bajonets aufheben will, aber auch als Nebenunternehmung iſt ein Angriff auf das ſuͤdliche Frankreich verwerflich, denn er weckt nur neue Kraͤfte gegen uns. Jedesmal wo man eine entfernte Provinz angreift, ruͤhrt man Intereſſen und Thaͤtigkeiten auf die ſonſt geſchlummert haͤtten. Nur wenn ſich zeigt daß die in Italien gelaſſenen Kraͤfte fuͤr die bloße Siche- rung des Landes zu groß waͤren und alſo muͤßig bleiben muͤßten, iſt ein Angriff auf das ſuͤdliche Frankreich von da aus gerechtfertigt.
Wir wiederholen es daher: die italieniſche Macht muß ſo ſchwach gehalten werden als es die Umſtaͤnde nur irgend zulaſſen, und ſie iſt hinreichend wenn die Öſtreicher nicht in einem Feldzuge das ganze Land verlieren koͤnnen. Nehmen wir dieſe Macht in unſerem Beiſpiele mit 50,000 Mann an.
Die andere Ruͤckſicht iſt das Verhaͤltniß Frankreichs als Kuͤſtenland. Da England zur See die Oberhand hat, ſo folgt daraus eine große Reizbarkeit Frankreichs laͤngs ſeiner ganzen atlantiſchen Kuͤſte und folglich eine mehr oder weniger ſtarke Beſetzung derſelben. Wie ſchwach dieſe nun auch eingerichtet ſei, ſo wird doch die franzoͤſiſche Grenze damit verdreifacht, und es kann nicht fehlen daß
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wenn die alte ſchon ſo oft verſuchte Idee eines Angriffs
des ſuͤdlichen Frankreichs von Italien her damit verbun-
den und aus dieſem Grunde der italieniſchen Macht eine
Groͤße gegeben wuͤrde die ſie zur bloßen Sicherung gegen
die aͤußerſten Ungluͤcksfaͤlle im erſten Feldzuge nicht brauchte.
Nur ſo viel ſoll in Italien bleiben, nur ſo viel darf der
Hauptunternehmung entzogen werden, wenn man dem
Hauptgedanken: Einheit des Plans, Vereinigung
der Macht nicht untreu werden will. Wenn man Frank-
reich an der Rhone erobern will, ſo iſt das als wenn man
eine Muskete an der Spitze ihres Bajonets aufheben will,
aber auch als Nebenunternehmung iſt ein Angriff auf das
ſuͤdliche Frankreich verwerflich, denn er weckt nur neue
Kraͤfte gegen uns. Jedesmal wo man eine entfernte
Provinz angreift, ruͤhrt man Intereſſen und Thaͤtigkeiten
auf die ſonſt geſchlummert haͤtten. Nur wenn ſich zeigt
daß die in Italien gelaſſenen Kraͤfte fuͤr die bloße Siche-
rung des Landes zu groß waͤren und alſo muͤßig bleiben
muͤßten, iſt ein Angriff auf das ſuͤdliche Frankreich von
da aus gerechtfertigt.
Wir wiederholen es daher: die italieniſche Macht muß
ſo ſchwach gehalten werden als es die Umſtaͤnde nur irgend
zulaſſen, und ſie iſt hinreichend wenn die Öſtreicher nicht
in einem Feldzuge das ganze Land verlieren koͤnnen.
Nehmen wir dieſe Macht in unſerem Beiſpiele mit
50,000 Mann an.
Die andere Ruͤckſicht iſt das Verhaͤltniß Frankreichs
als Kuͤſtenland. Da England zur See die Oberhand hat,
ſo folgt daraus eine große Reizbarkeit Frankreichs laͤngs
ſeiner ganzen atlantiſchen Kuͤſte und folglich eine mehr
oder weniger ſtarke Beſetzung derſelben. Wie ſchwach dieſe
nun auch eingerichtet ſei, ſo wird doch die franzoͤſiſche
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/211>, abgerufen am 23.11.2024.
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