Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn der unternehmende Laudon, statt sein Kriegs-
theater auf dem stärksten Punkt der preußischen Monarchie,
nämlich in Schlesien zu haben, sich an der Stelle der
Reichsarmee befunden hätte, so würde vielleicht der ganze
siebenjährige Krieg eine andere Wendung genommen haben.
Um diesem Gegenstande näher zu treten, müssen wir die
Fälle nach ihren Hauptverschiedenheiten betrachten.

Der erste ist: wenn wir den Krieg mit andern Mäch-
ten gemeinschaftlich führen, die nicht blos als unsere Bun-
desgenossen auftreten, sondern ein selbstständiges Interesse
haben.

Der zweite: wenn ein Bundesheer zu unserm Bei-
stande herbeigekommen ist.

Der dritte: wenn nur von der persönlichen Eigen-
thümlichkeit der Generale die Rede ist.

Für die beiden ersten Fälle kann man die Frage
aufwerfen, ob es besser sei die Truppen der verschiedenen
Mächte vollkommen zu vermischen, so daß die einzelnen
Heere aus Korps verschiedener Mächte zusammengesetzt sind,
wie das in den Jahren 1813 und 1814 stattgefunden
hat; oder ob man sie so viel als möglich trennen soll,
damit jede selbstständiger handle.

Offenbar ist das erste das Heilsamste, aber es setzt
einen Grad von Befreundung und gemeinschaftlichem In-
teresse voraus, der selten stattfinden wird. Bei dieser
engen Verbindung der Streitkräfte wird den Kabinetten
die Absonderung ihrer Interessen weit schwerer, und was
den schädlichen Einfluß egoistischer Ansichten bei den Heer-
führern betrifft, so kann er sich unter diesen Umständen
nur bei den Unterfeldherren, also nur im Gebiet der Taktik
und auch hier nicht so ungestraft und frei zeigen wie bei
einer vollkommenen Trennung. Bei dieser geht er in die

Wenn der unternehmende Laudon, ſtatt ſein Kriegs-
theater auf dem ſtaͤrkſten Punkt der preußiſchen Monarchie,
naͤmlich in Schleſien zu haben, ſich an der Stelle der
Reichsarmee befunden haͤtte, ſo wuͤrde vielleicht der ganze
ſiebenjaͤhrige Krieg eine andere Wendung genommen haben.
Um dieſem Gegenſtande naͤher zu treten, muͤſſen wir die
Faͤlle nach ihren Hauptverſchiedenheiten betrachten.

Der erſte iſt: wenn wir den Krieg mit andern Maͤch-
ten gemeinſchaftlich fuͤhren, die nicht blos als unſere Bun-
desgenoſſen auftreten, ſondern ein ſelbſtſtaͤndiges Intereſſe
haben.

Der zweite: wenn ein Bundesheer zu unſerm Bei-
ſtande herbeigekommen iſt.

Der dritte: wenn nur von der perſoͤnlichen Eigen-
thuͤmlichkeit der Generale die Rede iſt.

Fuͤr die beiden erſten Faͤlle kann man die Frage
aufwerfen, ob es beſſer ſei die Truppen der verſchiedenen
Maͤchte vollkommen zu vermiſchen, ſo daß die einzelnen
Heere aus Korps verſchiedener Maͤchte zuſammengeſetzt ſind,
wie das in den Jahren 1813 und 1814 ſtattgefunden
hat; oder ob man ſie ſo viel als moͤglich trennen ſoll,
damit jede ſelbſtſtaͤndiger handle.

Offenbar iſt das erſte das Heilſamſte, aber es ſetzt
einen Grad von Befreundung und gemeinſchaftlichem In-
tereſſe voraus, der ſelten ſtattfinden wird. Bei dieſer
engen Verbindung der Streitkraͤfte wird den Kabinetten
die Abſonderung ihrer Intereſſen weit ſchwerer, und was
den ſchaͤdlichen Einfluß egoiſtiſcher Anſichten bei den Heer-
fuͤhrern betrifft, ſo kann er ſich unter dieſen Umſtaͤnden
nur bei den Unterfeldherren, alſo nur im Gebiet der Taktik
und auch hier nicht ſo ungeſtraft und frei zeigen wie bei
einer vollkommenen Trennung. Bei dieſer geht er in die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0205" n="191"/>
          <p>Wenn der unternehmende Laudon, &#x017F;tatt &#x017F;ein Kriegs-<lb/>
theater auf dem &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten Punkt der preußi&#x017F;chen Monarchie,<lb/>
na&#x0364;mlich in Schle&#x017F;ien zu haben, &#x017F;ich an der Stelle der<lb/>
Reichsarmee befunden ha&#x0364;tte, &#x017F;o wu&#x0364;rde vielleicht der ganze<lb/>
&#x017F;iebenja&#x0364;hrige Krieg eine andere Wendung genommen haben.<lb/>
Um die&#x017F;em Gegen&#x017F;tande na&#x0364;her zu treten, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir die<lb/>
Fa&#x0364;lle nach ihren Hauptver&#x017F;chiedenheiten betrachten.</p><lb/>
          <p>Der er&#x017F;te i&#x017F;t: wenn wir den Krieg mit andern Ma&#x0364;ch-<lb/>
ten gemein&#x017F;chaftlich fu&#x0364;hren, die nicht blos als un&#x017F;ere Bun-<lb/>
desgeno&#x017F;&#x017F;en auftreten, &#x017F;ondern ein &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndiges Intere&#x017F;&#x017F;e<lb/>
haben.</p><lb/>
          <p>Der zweite: wenn ein Bundesheer zu un&#x017F;erm Bei-<lb/>
&#x017F;tande herbeigekommen i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Der dritte: wenn nur von der per&#x017F;o&#x0364;nlichen Eigen-<lb/>
thu&#x0364;mlichkeit der Generale die Rede i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Fu&#x0364;r die beiden er&#x017F;ten Fa&#x0364;lle kann man die Frage<lb/>
aufwerfen, ob es be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ei die Truppen der ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Ma&#x0364;chte vollkommen zu vermi&#x017F;chen, &#x017F;o daß die einzelnen<lb/>
Heere aus Korps ver&#x017F;chiedener Ma&#x0364;chte zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt &#x017F;ind,<lb/>
wie das in den Jahren 1813 und 1814 &#x017F;tattgefunden<lb/>
hat; oder ob man &#x017F;ie &#x017F;o viel als mo&#x0364;glich trennen &#x017F;oll,<lb/>
damit jede &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndiger handle.</p><lb/>
          <p>Offenbar i&#x017F;t das er&#x017F;te das Heil&#x017F;am&#x017F;te, aber es &#x017F;etzt<lb/>
einen Grad von Befreundung und gemein&#x017F;chaftlichem In-<lb/>
tere&#x017F;&#x017F;e voraus, der &#x017F;elten &#x017F;tattfinden wird. Bei die&#x017F;er<lb/>
engen Verbindung der Streitkra&#x0364;fte wird den Kabinetten<lb/>
die Ab&#x017F;onderung ihrer Intere&#x017F;&#x017F;en weit &#x017F;chwerer, und was<lb/>
den &#x017F;cha&#x0364;dlichen Einfluß egoi&#x017F;ti&#x017F;cher An&#x017F;ichten bei den Heer-<lb/>
fu&#x0364;hrern betrifft, &#x017F;o kann er &#x017F;ich unter die&#x017F;en Um&#x017F;ta&#x0364;nden<lb/>
nur bei den Unterfeldherren, al&#x017F;o nur im Gebiet der Taktik<lb/>
und auch hier nicht &#x017F;o unge&#x017F;traft und frei zeigen wie bei<lb/>
einer vollkommenen Trennung. Bei die&#x017F;er geht er in die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0205] Wenn der unternehmende Laudon, ſtatt ſein Kriegs- theater auf dem ſtaͤrkſten Punkt der preußiſchen Monarchie, naͤmlich in Schleſien zu haben, ſich an der Stelle der Reichsarmee befunden haͤtte, ſo wuͤrde vielleicht der ganze ſiebenjaͤhrige Krieg eine andere Wendung genommen haben. Um dieſem Gegenſtande naͤher zu treten, muͤſſen wir die Faͤlle nach ihren Hauptverſchiedenheiten betrachten. Der erſte iſt: wenn wir den Krieg mit andern Maͤch- ten gemeinſchaftlich fuͤhren, die nicht blos als unſere Bun- desgenoſſen auftreten, ſondern ein ſelbſtſtaͤndiges Intereſſe haben. Der zweite: wenn ein Bundesheer zu unſerm Bei- ſtande herbeigekommen iſt. Der dritte: wenn nur von der perſoͤnlichen Eigen- thuͤmlichkeit der Generale die Rede iſt. Fuͤr die beiden erſten Faͤlle kann man die Frage aufwerfen, ob es beſſer ſei die Truppen der verſchiedenen Maͤchte vollkommen zu vermiſchen, ſo daß die einzelnen Heere aus Korps verſchiedener Maͤchte zuſammengeſetzt ſind, wie das in den Jahren 1813 und 1814 ſtattgefunden hat; oder ob man ſie ſo viel als moͤglich trennen ſoll, damit jede ſelbſtſtaͤndiger handle. Offenbar iſt das erſte das Heilſamſte, aber es ſetzt einen Grad von Befreundung und gemeinſchaftlichem In- tereſſe voraus, der ſelten ſtattfinden wird. Bei dieſer engen Verbindung der Streitkraͤfte wird den Kabinetten die Abſonderung ihrer Intereſſen weit ſchwerer, und was den ſchaͤdlichen Einfluß egoiſtiſcher Anſichten bei den Heer- fuͤhrern betrifft, ſo kann er ſich unter dieſen Umſtaͤnden nur bei den Unterfeldherren, alſo nur im Gebiet der Taktik und auch hier nicht ſo ungeſtraft und frei zeigen wie bei einer vollkommenen Trennung. Bei dieſer geht er in die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/205
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/205>, abgerufen am 27.11.2024.