Aber wenn der Feind sich selbst in einer gewissen Breite aufgestellt hat, so würde eine ebenmäßige Vertheilung unserer Streitkräfte an sich nichts Widersinniges haben. Wir sprechen hier von einem Kriegstheater oder von meh- reren, die aber nahe bei einander liegen. Offenbar ist also dies da der Fall, wo, nach unserer Ansicht, die Hauptunter- nehmung über die Nebenpunkte mitentscheiden soll.
Kann man es nun immer darauf ankommen lassen, und darf man sich der Gefahr aussetzen welche entsteht wenn der Einfluß des Hauptpunktes auf die Nebenpunkte nicht groß genug ist? Verdient das Bedürfniß einer ge- wissen Breite des Kriegstheaters nicht eine besondere Rücksicht?
Hier wie überall ist es unmöglich die Zahl der Com- binationen zu erschöpfen die stattfinden können; aber wir behaupten, daß, mit wenig Ausnahmen, die Entscheidung auf dem Hauptpunkte die Nebenpunkte mittreffen werde. Nach diesem Grundsatz ist also die Handlung in allen Fällen einzurichten wo nicht das Gegentheil offenbar ist.
Als Bonaparte in Rußland eindrang, durfte er mit Recht glauben die Streitkräfte der Russen an der oberen Düna durch die Überwältigung der Hauptmacht mitfort- reißen zu können. Er ließ anfangs nur das Korps von Oudinot gegen sie stehen, allein Wittgenstein ging zum Angriff über, und Bonaparte war genöthigt auch noch das sechste Korps dahin zu schicken.
Dagegen hatte er von Hause aus einen Theil seiner Streitkräfte gegen Bagration gerichtet; dieser aber wurde von der rückgängigen Bewegung der Mitte mitfortgerissen, und Bonaparte konnte diese Streitkräfte wieder an sich ziehen. Hätte Wittgenstein nicht die zweite Hauptstadt zu decken gehabt, so würde auch er Barklay gefolgt sein.
Aber wenn der Feind ſich ſelbſt in einer gewiſſen Breite aufgeſtellt hat, ſo wuͤrde eine ebenmaͤßige Vertheilung unſerer Streitkraͤfte an ſich nichts Widerſinniges haben. Wir ſprechen hier von einem Kriegstheater oder von meh- reren, die aber nahe bei einander liegen. Offenbar iſt alſo dies da der Fall, wo, nach unſerer Anſicht, die Hauptunter- nehmung uͤber die Nebenpunkte mitentſcheiden ſoll.
Kann man es nun immer darauf ankommen laſſen, und darf man ſich der Gefahr ausſetzen welche entſteht wenn der Einfluß des Hauptpunktes auf die Nebenpunkte nicht groß genug iſt? Verdient das Beduͤrfniß einer ge- wiſſen Breite des Kriegstheaters nicht eine beſondere Ruͤckſicht?
Hier wie uͤberall iſt es unmoͤglich die Zahl der Com- binationen zu erſchoͤpfen die ſtattfinden koͤnnen; aber wir behaupten, daß, mit wenig Ausnahmen, die Entſcheidung auf dem Hauptpunkte die Nebenpunkte mittreffen werde. Nach dieſem Grundſatz iſt alſo die Handlung in allen Faͤllen einzurichten wo nicht das Gegentheil offenbar iſt.
Als Bonaparte in Rußland eindrang, durfte er mit Recht glauben die Streitkraͤfte der Ruſſen an der oberen Duͤna durch die Überwaͤltigung der Hauptmacht mitfort- reißen zu koͤnnen. Er ließ anfangs nur das Korps von Oudinot gegen ſie ſtehen, allein Wittgenſtein ging zum Angriff uͤber, und Bonaparte war genoͤthigt auch noch das ſechste Korps dahin zu ſchicken.
Dagegen hatte er von Hauſe aus einen Theil ſeiner Streitkraͤfte gegen Bagration gerichtet; dieſer aber wurde von der ruͤckgaͤngigen Bewegung der Mitte mitfortgeriſſen, und Bonaparte konnte dieſe Streitkraͤfte wieder an ſich ziehen. Haͤtte Wittgenſtein nicht die zweite Hauptſtadt zu decken gehabt, ſo wuͤrde auch er Barklay gefolgt ſein.
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Aber wenn der Feind ſich ſelbſt in einer gewiſſen
Breite aufgeſtellt hat, ſo wuͤrde eine ebenmaͤßige Vertheilung
unſerer Streitkraͤfte an ſich nichts Widerſinniges haben.
Wir ſprechen hier von einem Kriegstheater oder von meh-
reren, die aber nahe bei einander liegen. Offenbar iſt alſo
dies da der Fall, wo, nach unſerer Anſicht, die Hauptunter-
nehmung uͤber die Nebenpunkte mitentſcheiden ſoll.
Kann man es nun immer darauf ankommen laſſen,
und darf man ſich der Gefahr ausſetzen welche entſteht
wenn der Einfluß des Hauptpunktes auf die Nebenpunkte
nicht groß genug iſt? Verdient das Beduͤrfniß einer ge-
wiſſen Breite des Kriegstheaters nicht eine beſondere
Ruͤckſicht?
Hier wie uͤberall iſt es unmoͤglich die Zahl der Com-
binationen zu erſchoͤpfen die ſtattfinden koͤnnen; aber wir
behaupten, daß, mit wenig Ausnahmen, die Entſcheidung
auf dem Hauptpunkte die Nebenpunkte mittreffen werde.
Nach dieſem Grundſatz iſt alſo die Handlung in allen
Faͤllen einzurichten wo nicht das Gegentheil offenbar iſt.
Als Bonaparte in Rußland eindrang, durfte er mit
Recht glauben die Streitkraͤfte der Ruſſen an der oberen
Duͤna durch die Überwaͤltigung der Hauptmacht mitfort-
reißen zu koͤnnen. Er ließ anfangs nur das Korps von
Oudinot gegen ſie ſtehen, allein Wittgenſtein ging zum
Angriff uͤber, und Bonaparte war genoͤthigt auch noch das
ſechste Korps dahin zu ſchicken.
Dagegen hatte er von Hauſe aus einen Theil ſeiner
Streitkraͤfte gegen Bagration gerichtet; dieſer aber wurde
von der ruͤckgaͤngigen Bewegung der Mitte mitfortgeriſſen,
und Bonaparte konnte dieſe Streitkraͤfte wieder an ſich
ziehen. Haͤtte Wittgenſtein nicht die zweite Hauptſtadt zu
decken gehabt, ſo wuͤrde auch er Barklay gefolgt ſein.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/184>, abgerufen am 27.11.2024.
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