Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Sind es Heere eines Herrn, so hat es meist keine Schwie-
rigkeit; sind es verbündete Heere, deren das eine als bloßer
Bundesgenosse ohne eigenes Interesse handelt, so ist die
Schwierigkeit nicht viel größer; sind es zu gemeinschaftli-
chen Zwecken Verbündete, so kommt es auf den Grad der
Befreundung an; wir haben davon schon geredet.

Zweitens von der Lage des Kriegstheaters auf wel-
chem die verschiedenen feindlichen Heere erscheinen.

Sind die feindlichen Kräfte auf einem Kriegstheater
in einem Heere beisammen, so bilden sie faktisch eine Ein-
heit und wir brauchen nach dem Übrigen nicht zu fragen;
sind sie auf einem Kriegstheater in getrennten Heeren, die
verschiedenen Mächten angehören, so ist die Einheit nicht
mehr absolut, es ist aber doch noch ein hinreichender Zu-
sammenhang der Theile da, um durch einen entschiedenen
Stoß gegen einen Theil den andern mitfortzureißen.
Sind die Heere auf benachbarten, durch keine großen Na-
turgegenstände getrennten Kriegstheatern aufgestellt, so fehlt
es auch hier noch nicht an dem entschiedenen Einfluß des
einen auf das andere; sind die Kriegstheater sehr weit
von einander entfernt, liegen neutrale Strecken, große
Gebirge u. s. w. dazwischen, so ist der Einfluß sehr zwei-
felhaft, also unwahrscheinlich; liegen sie gar an ganz ver-
schiedenen Seiten des bekriegten Staates, so daß die Wir-
kungen gegen dieselben in excentrischen Linien aus einander
gehen, so ist fast die Spur jedes Zusammenhanges ver-
schwunden.

Wenn Preußen von Rußland und Frankreich zugleich
bekriegt würde, so wäre das, in Beziehung auf die Krieg-
führung, so gut als wenn es zwei verschiedene Kriege wä-
ren; allenfalls würde die Einheit in den Unterhandlungen
zum Vorschein kommen.

Sind es Heere eines Herrn, ſo hat es meiſt keine Schwie-
rigkeit; ſind es verbuͤndete Heere, deren das eine als bloßer
Bundesgenoſſe ohne eigenes Intereſſe handelt, ſo iſt die
Schwierigkeit nicht viel groͤßer; ſind es zu gemeinſchaftli-
chen Zwecken Verbuͤndete, ſo kommt es auf den Grad der
Befreundung an; wir haben davon ſchon geredet.

Zweitens von der Lage des Kriegstheaters auf wel-
chem die verſchiedenen feindlichen Heere erſcheinen.

Sind die feindlichen Kraͤfte auf einem Kriegstheater
in einem Heere beiſammen, ſo bilden ſie faktiſch eine Ein-
heit und wir brauchen nach dem Übrigen nicht zu fragen;
ſind ſie auf einem Kriegstheater in getrennten Heeren, die
verſchiedenen Maͤchten angehoͤren, ſo iſt die Einheit nicht
mehr abſolut, es iſt aber doch noch ein hinreichender Zu-
ſammenhang der Theile da, um durch einen entſchiedenen
Stoß gegen einen Theil den andern mitfortzureißen.
Sind die Heere auf benachbarten, durch keine großen Na-
turgegenſtaͤnde getrennten Kriegstheatern aufgeſtellt, ſo fehlt
es auch hier noch nicht an dem entſchiedenen Einfluß des
einen auf das andere; ſind die Kriegstheater ſehr weit
von einander entfernt, liegen neutrale Strecken, große
Gebirge u. ſ. w. dazwiſchen, ſo iſt der Einfluß ſehr zwei-
felhaft, alſo unwahrſcheinlich; liegen ſie gar an ganz ver-
ſchiedenen Seiten des bekriegten Staates, ſo daß die Wir-
kungen gegen dieſelben in excentriſchen Linien aus einander
gehen, ſo iſt faſt die Spur jedes Zuſammenhanges ver-
ſchwunden.

Wenn Preußen von Rußland und Frankreich zugleich
bekriegt wuͤrde, ſo waͤre das, in Beziehung auf die Krieg-
fuͤhrung, ſo gut als wenn es zwei verſchiedene Kriege waͤ-
ren; allenfalls wuͤrde die Einheit in den Unterhandlungen
zum Vorſchein kommen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0176" n="162"/>
Sind es Heere eines Herrn, &#x017F;o hat es mei&#x017F;t keine Schwie-<lb/>
rigkeit; &#x017F;ind es verbu&#x0364;ndete Heere, deren das eine als bloßer<lb/>
Bundesgeno&#x017F;&#x017F;e ohne eigenes Intere&#x017F;&#x017F;e handelt, &#x017F;o i&#x017F;t die<lb/>
Schwierigkeit nicht viel gro&#x0364;ßer; &#x017F;ind es zu gemein&#x017F;chaftli-<lb/>
chen Zwecken Verbu&#x0364;ndete, &#x017F;o kommt es auf den Grad der<lb/>
Befreundung an; wir haben davon &#x017F;chon geredet.</p><lb/>
          <p>Zweitens von der Lage des Kriegstheaters auf wel-<lb/>
chem die ver&#x017F;chiedenen feindlichen Heere er&#x017F;cheinen.</p><lb/>
          <p>Sind die feindlichen Kra&#x0364;fte auf einem Kriegstheater<lb/>
in einem Heere bei&#x017F;ammen, &#x017F;o bilden &#x017F;ie fakti&#x017F;ch eine Ein-<lb/>
heit und wir brauchen nach dem Übrigen nicht zu fragen;<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;ie auf einem Kriegstheater in getrennten Heeren, die<lb/>
ver&#x017F;chiedenen Ma&#x0364;chten angeho&#x0364;ren, &#x017F;o i&#x017F;t die Einheit nicht<lb/>
mehr ab&#x017F;olut, es i&#x017F;t aber doch noch ein hinreichender Zu-<lb/>
&#x017F;ammenhang der Theile da, um durch einen ent&#x017F;chiedenen<lb/>
Stoß gegen <hi rendition="#g">einen</hi> Theil den andern mitfortzureißen.<lb/>
Sind die Heere auf benachbarten, durch keine großen Na-<lb/>
turgegen&#x017F;ta&#x0364;nde getrennten Kriegstheatern aufge&#x017F;tellt, &#x017F;o fehlt<lb/>
es auch hier noch nicht an dem ent&#x017F;chiedenen Einfluß des<lb/>
einen auf das andere; &#x017F;ind die Kriegstheater &#x017F;ehr weit<lb/>
von einander entfernt, liegen neutrale Strecken, große<lb/>
Gebirge u. &#x017F;. w. dazwi&#x017F;chen, &#x017F;o i&#x017F;t der Einfluß &#x017F;ehr zwei-<lb/>
felhaft, al&#x017F;o unwahr&#x017F;cheinlich; liegen &#x017F;ie gar an ganz ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen Seiten des bekriegten Staates, &#x017F;o daß die Wir-<lb/>
kungen gegen die&#x017F;elben in excentri&#x017F;chen Linien aus einander<lb/>
gehen, &#x017F;o i&#x017F;t fa&#x017F;t die Spur jedes Zu&#x017F;ammenhanges ver-<lb/>
&#x017F;chwunden.</p><lb/>
          <p>Wenn Preußen von Rußland und Frankreich zugleich<lb/>
bekriegt wu&#x0364;rde, &#x017F;o wa&#x0364;re das, in Beziehung auf die Krieg-<lb/>
fu&#x0364;hrung, &#x017F;o gut als wenn es zwei ver&#x017F;chiedene Kriege wa&#x0364;-<lb/>
ren; allenfalls wu&#x0364;rde die Einheit in den Unterhandlungen<lb/>
zum Vor&#x017F;chein kommen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0176] Sind es Heere eines Herrn, ſo hat es meiſt keine Schwie- rigkeit; ſind es verbuͤndete Heere, deren das eine als bloßer Bundesgenoſſe ohne eigenes Intereſſe handelt, ſo iſt die Schwierigkeit nicht viel groͤßer; ſind es zu gemeinſchaftli- chen Zwecken Verbuͤndete, ſo kommt es auf den Grad der Befreundung an; wir haben davon ſchon geredet. Zweitens von der Lage des Kriegstheaters auf wel- chem die verſchiedenen feindlichen Heere erſcheinen. Sind die feindlichen Kraͤfte auf einem Kriegstheater in einem Heere beiſammen, ſo bilden ſie faktiſch eine Ein- heit und wir brauchen nach dem Übrigen nicht zu fragen; ſind ſie auf einem Kriegstheater in getrennten Heeren, die verſchiedenen Maͤchten angehoͤren, ſo iſt die Einheit nicht mehr abſolut, es iſt aber doch noch ein hinreichender Zu- ſammenhang der Theile da, um durch einen entſchiedenen Stoß gegen einen Theil den andern mitfortzureißen. Sind die Heere auf benachbarten, durch keine großen Na- turgegenſtaͤnde getrennten Kriegstheatern aufgeſtellt, ſo fehlt es auch hier noch nicht an dem entſchiedenen Einfluß des einen auf das andere; ſind die Kriegstheater ſehr weit von einander entfernt, liegen neutrale Strecken, große Gebirge u. ſ. w. dazwiſchen, ſo iſt der Einfluß ſehr zwei- felhaft, alſo unwahrſcheinlich; liegen ſie gar an ganz ver- ſchiedenen Seiten des bekriegten Staates, ſo daß die Wir- kungen gegen dieſelben in excentriſchen Linien aus einander gehen, ſo iſt faſt die Spur jedes Zuſammenhanges ver- ſchwunden. Wenn Preußen von Rußland und Frankreich zugleich bekriegt wuͤrde, ſo waͤre das, in Beziehung auf die Krieg- fuͤhrung, ſo gut als wenn es zwei verſchiedene Kriege waͤ- ren; allenfalls wuͤrde die Einheit in den Unterhandlungen zum Vorſchein kommen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/176
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/176>, abgerufen am 27.11.2024.