der sicherste Anfang und in allen Fällen ein sehr wesent- liches Stück.
Wir glauben daher daß nach der Masse der Erfah- rungen folgende Umstände die Niederwerfung des Gegners hauptsächlich ausmachen:
1. Zertrümmerung seines Heeres, wenn es einigermaßen eine Potenz bildet.
2. Einnahme der feindlichen Hauptstadt, wenn sie nicht bloß der Mittelpunkt der Staatsgewalten, sondern auch der Sitz politischer Körper und Partheiun- gen ist.
3. Ein wirksamer Stoß gegen den hauptsächlichsten Bundesgenossen, wenn dieser an sich bedeutender ist als der Gegner.
Wir haben uns bis jetzt den Gegner im Kriege immer als Einheit gedacht, welches für die allgemeinsten Beziehungen zulässig war. Aber nachdem wir gesagt haben daß die Niederwerfung des Gegners in der Überwindung seines im Schwerpunkt vereinigten Widerstandes liegt, müssen wir diese Voraussetzung verlassen und den Fall unterscheiden wo wir es mit mehr als einem Gegner zu thun haben.
Wenn sich zwei oder mehrere Staaten gegen einen dritten verbinden, so bildet das, politisch genommen, nur einen Krieg; indessen hat auch diese politische Einheit ihre Grade.
Die Frage ist: ob jeder Staat ein selbstständiges Interesse und eine selbstständige Kraft dasselbe zu verfolgen besitzt, oder ob sich die Interessen und die Kräfte der übrigen nur an das Interesse und die Kraft des einen unter ihnen anlehnen. Je mehr dies Letztere der Fall ist, um so leichter lassen sich die verschiedenen Gegner für uns
der ſicherſte Anfang und in allen Faͤllen ein ſehr weſent- liches Stuͤck.
Wir glauben daher daß nach der Maſſe der Erfah- rungen folgende Umſtaͤnde die Niederwerfung des Gegners hauptſaͤchlich ausmachen:
1. Zertruͤmmerung ſeines Heeres, wenn es einigermaßen eine Potenz bildet.
2. Einnahme der feindlichen Hauptſtadt, wenn ſie nicht bloß der Mittelpunkt der Staatsgewalten, ſondern auch der Sitz politiſcher Koͤrper und Partheiun- gen iſt.
3. Ein wirkſamer Stoß gegen den hauptſaͤchlichſten Bundesgenoſſen, wenn dieſer an ſich bedeutender iſt als der Gegner.
Wir haben uns bis jetzt den Gegner im Kriege immer als Einheit gedacht, welches fuͤr die allgemeinſten Beziehungen zulaͤſſig war. Aber nachdem wir geſagt haben daß die Niederwerfung des Gegners in der Überwindung ſeines im Schwerpunkt vereinigten Widerſtandes liegt, muͤſſen wir dieſe Vorausſetzung verlaſſen und den Fall unterſcheiden wo wir es mit mehr als einem Gegner zu thun haben.
Wenn ſich zwei oder mehrere Staaten gegen einen dritten verbinden, ſo bildet das, politiſch genommen, nur einen Krieg; indeſſen hat auch dieſe politiſche Einheit ihre Grade.
Die Frage iſt: ob jeder Staat ein ſelbſtſtaͤndiges Intereſſe und eine ſelbſtſtaͤndige Kraft daſſelbe zu verfolgen beſitzt, oder ob ſich die Intereſſen und die Kraͤfte der uͤbrigen nur an das Intereſſe und die Kraft des einen unter ihnen anlehnen. Je mehr dies Letztere der Fall iſt, um ſo leichter laſſen ſich die verſchiedenen Gegner fuͤr uns
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der ſicherſte Anfang und in allen Faͤllen ein ſehr weſent-
liches Stuͤck.
Wir glauben daher daß nach der Maſſe der Erfah-
rungen folgende Umſtaͤnde die Niederwerfung des Gegners
hauptſaͤchlich ausmachen:
1. Zertruͤmmerung ſeines Heeres, wenn es einigermaßen
eine Potenz bildet.
2. Einnahme der feindlichen Hauptſtadt, wenn ſie nicht
bloß der Mittelpunkt der Staatsgewalten, ſondern
auch der Sitz politiſcher Koͤrper und Partheiun-
gen iſt.
3. Ein wirkſamer Stoß gegen den hauptſaͤchlichſten
Bundesgenoſſen, wenn dieſer an ſich bedeutender iſt
als der Gegner.
Wir haben uns bis jetzt den Gegner im Kriege
immer als Einheit gedacht, welches fuͤr die allgemeinſten
Beziehungen zulaͤſſig war. Aber nachdem wir geſagt haben
daß die Niederwerfung des Gegners in der Überwindung
ſeines im Schwerpunkt vereinigten Widerſtandes liegt,
muͤſſen wir dieſe Vorausſetzung verlaſſen und den Fall
unterſcheiden wo wir es mit mehr als einem Gegner zu
thun haben.
Wenn ſich zwei oder mehrere Staaten gegen einen
dritten verbinden, ſo bildet das, politiſch genommen, nur
einen Krieg; indeſſen hat auch dieſe politiſche Einheit ihre
Grade.
Die Frage iſt: ob jeder Staat ein ſelbſtſtaͤndiges
Intereſſe und eine ſelbſtſtaͤndige Kraft daſſelbe zu verfolgen
beſitzt, oder ob ſich die Intereſſen und die Kraͤfte der
uͤbrigen nur an das Intereſſe und die Kraft des einen
unter ihnen anlehnen. Je mehr dies Letztere der Fall iſt,
um ſo leichter laſſen ſich die verſchiedenen Gegner fuͤr uns
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/138>, abgerufen am 16.02.2025.
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