den Staat ansah, ein bloßes Geschäft der Regierungen, welches sie vermittelst der Thaler in ihrem Koffer und der müßigen Herumtreiber in ihren und den benachbarten Provinzen zu Stande brachten. Die Folge war, daß die Mittel, welche sie aufbieten konnten, ein ziemlich bestimmtes Maaß hatten, welches die eine von der andern gegenseitig übersehen konnte, und zwar ein Maaß, sowohl ihrem Um- fang als ihrer Dauer nach; dies raubte dem Kriege die gefährlichste seiner Seiten: nämlich das Bestreben zu dem Äußersten, und die dunkle Reihe von Möglichkeiten die sich daran knüpft.
Man kannte ungefähr die Geldmittel, den Schatz, den Kredit seines Gegners; man kannte die Größe seines Heeres. Bedeutende Vermehrungen im Augenblick des Krieges waren nicht thunlich. Indem man so die Grenzen der feindlichen Kräfte übersah, wußte man sich vor einem gänzlichen Untergange ziemlich sicher, und indem man die Beschränkung der eigenen fühlte, sah man sich auf ein mäßiges Ziel zurückgewiesen. Vor dem Äußersten geschützt, brauchte man nicht mehr das Äußerste zu wagen. Die Nothwendigkeit trieb nicht mehr dazu, es konnte also nur der Muth und Ehrgeiz dazu treiben. Aber diese fanden in den Staatsverhältnissen ein mächtiges Gegengewicht. Selbst die königlichen Feldherren mußten behutsam mit dem Kriegsinstrumente umgehen. Wenn das Heer zer- trümmert wurde, so war kein neues zu beschaffen, und außer dem Heere gab es Nichts. Dies heischte große Vorsicht bei allen Unternehmungen. Nur wenn sich ein entschiedener Vortheil zu ergeben schien, machte man Ge- brauch von der kostbaren Sache; diesen herbeizuführen war eine Kunst des Feldherrn; so lange aber wie er nicht her- beigeführt war, schwebte man gewissermaßen im absoluten
Nichts,
den Staat anſah, ein bloßes Geſchaͤft der Regierungen, welches ſie vermittelſt der Thaler in ihrem Koffer und der muͤßigen Herumtreiber in ihren und den benachbarten Provinzen zu Stande brachten. Die Folge war, daß die Mittel, welche ſie aufbieten konnten, ein ziemlich beſtimmtes Maaß hatten, welches die eine von der andern gegenſeitig uͤberſehen konnte, und zwar ein Maaß, ſowohl ihrem Um- fang als ihrer Dauer nach; dies raubte dem Kriege die gefaͤhrlichſte ſeiner Seiten: naͤmlich das Beſtreben zu dem Äußerſten, und die dunkle Reihe von Moͤglichkeiten die ſich daran knuͤpft.
Man kannte ungefaͤhr die Geldmittel, den Schatz, den Kredit ſeines Gegners; man kannte die Groͤße ſeines Heeres. Bedeutende Vermehrungen im Augenblick des Krieges waren nicht thunlich. Indem man ſo die Grenzen der feindlichen Kraͤfte uͤberſah, wußte man ſich vor einem gaͤnzlichen Untergange ziemlich ſicher, und indem man die Beſchraͤnkung der eigenen fuͤhlte, ſah man ſich auf ein maͤßiges Ziel zuruͤckgewieſen. Vor dem Äußerſten geſchuͤtzt, brauchte man nicht mehr das Äußerſte zu wagen. Die Nothwendigkeit trieb nicht mehr dazu, es konnte alſo nur der Muth und Ehrgeiz dazu treiben. Aber dieſe fanden in den Staatsverhaͤltniſſen ein maͤchtiges Gegengewicht. Selbſt die koͤniglichen Feldherren mußten behutſam mit dem Kriegsinſtrumente umgehen. Wenn das Heer zer- truͤmmert wurde, ſo war kein neues zu beſchaffen, und außer dem Heere gab es Nichts. Dies heiſchte große Vorſicht bei allen Unternehmungen. Nur wenn ſich ein entſchiedener Vortheil zu ergeben ſchien, machte man Ge- brauch von der koſtbaren Sache; dieſen herbeizufuͤhren war eine Kunſt des Feldherrn; ſo lange aber wie er nicht her- beigefuͤhrt war, ſchwebte man gewiſſermaßen im abſoluten
Nichts,
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den Staat anſah, ein bloßes Geſchaͤft der Regierungen,
welches ſie vermittelſt der Thaler in ihrem Koffer und
der muͤßigen Herumtreiber in ihren und den benachbarten
Provinzen zu Stande brachten. Die Folge war, daß die
Mittel, welche ſie aufbieten konnten, ein ziemlich beſtimmtes
Maaß hatten, welches die eine von der andern gegenſeitig
uͤberſehen konnte, und zwar ein Maaß, ſowohl ihrem Um-
fang als ihrer Dauer nach; dies raubte dem Kriege die
gefaͤhrlichſte ſeiner Seiten: naͤmlich das Beſtreben zu dem
Äußerſten, und die dunkle Reihe von Moͤglichkeiten die
ſich daran knuͤpft.
Man kannte ungefaͤhr die Geldmittel, den Schatz,
den Kredit ſeines Gegners; man kannte die Groͤße ſeines
Heeres. Bedeutende Vermehrungen im Augenblick des
Krieges waren nicht thunlich. Indem man ſo die Grenzen
der feindlichen Kraͤfte uͤberſah, wußte man ſich vor einem
gaͤnzlichen Untergange ziemlich ſicher, und indem man die
Beſchraͤnkung der eigenen fuͤhlte, ſah man ſich auf ein
maͤßiges Ziel zuruͤckgewieſen. Vor dem Äußerſten geſchuͤtzt,
brauchte man nicht mehr das Äußerſte zu wagen. Die
Nothwendigkeit trieb nicht mehr dazu, es konnte alſo nur
der Muth und Ehrgeiz dazu treiben. Aber dieſe fanden
in den Staatsverhaͤltniſſen ein maͤchtiges Gegengewicht.
Selbſt die koͤniglichen Feldherren mußten behutſam mit
dem Kriegsinſtrumente umgehen. Wenn das Heer zer-
truͤmmert wurde, ſo war kein neues zu beſchaffen, und
außer dem Heere gab es Nichts. Dies heiſchte große
Vorſicht bei allen Unternehmungen. Nur wenn ſich ein
entſchiedener Vortheil zu ergeben ſchien, machte man Ge-
brauch von der koſtbaren Sache; dieſen herbeizufuͤhren war
eine Kunſt des Feldherrn; ſo lange aber wie er nicht her-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/126>, abgerufen am 22.11.2024.
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