Diese könnte an das äußerste Ziel der Anstrengungen führen, wenn sich ein solches bestimmen ließe. Dann würde aber die Rücksicht auf die Größe der politischen Forderungen verloren gehen, das Mittel alles Verhältniß zum Zweck verlieren, und in den meisten Fällen diese Absicht einer äußersten Anstrengung an dem Gegengewicht der eigenen inneren Verhältnisse scheitern.
Auf diese Weise wird der Kriegsunternehmer wieder in einen Mittelweg zurückgeführt, in welchem er gewisser- maaßen nach dem direkten Grundsatz handelt, um diejenigen Kräfte aufzuwenden und sich im Kriege dasjenige Ziel zu stellen, welches zur Erreichung seines politischen Zweckes eben hinreicht. Um diesen Grundsatz möglich zu machen, muß er jeder absoluten Nothwendigkeit des Erfolges entsagen, die entfernten Möglichkeiten aus der Rechnung weglassen.
Hier verläßt also die Thätigkeit des Verstandes das Gebiet der strengen Wissenschaft, der Logik und Mathe- matik, und wird, im weiten Verstande des Wortes, zur Kunst, d. h. zu der Fertigkeit, aus einer unübersehbaren Menge von Gegenständen und Verhältnissen die wichtigsten und entscheidenden durch den Takt des Urtheils herauszu- finden. Dieser Takt des Urtheils besteht unstreitig mehr oder weniger in einer dunkeln Vergleichung aller Größen und Verhältnisse, wodurch die entfernten und unwichtigen schneller beseitigt und die nächsten und wichtigsten schneller herausgefunden werden, als wenn dies auf dem Wege strenger Schlußfolge geschehen sollte.
Um also das Maaß der Mittel kennen zu lernen, welches wir für den Krieg aufzubieten haben, müssen wir den politischen Zweck desselben unserer Seits und von Seiten des Feindes bedenken; wir müssen die Kräfte und Verhält- nisse des feindlichen Staates und des unsrigen; wir müssen
Dieſe koͤnnte an das aͤußerſte Ziel der Anſtrengungen fuͤhren, wenn ſich ein ſolches beſtimmen ließe. Dann wuͤrde aber die Ruͤckſicht auf die Groͤße der politiſchen Forderungen verloren gehen, das Mittel alles Verhaͤltniß zum Zweck verlieren, und in den meiſten Faͤllen dieſe Abſicht einer aͤußerſten Anſtrengung an dem Gegengewicht der eigenen inneren Verhaͤltniſſe ſcheitern.
Auf dieſe Weiſe wird der Kriegsunternehmer wieder in einen Mittelweg zuruͤckgefuͤhrt, in welchem er gewiſſer- maaßen nach dem direkten Grundſatz handelt, um diejenigen Kraͤfte aufzuwenden und ſich im Kriege dasjenige Ziel zu ſtellen, welches zur Erreichung ſeines politiſchen Zweckes eben hinreicht. Um dieſen Grundſatz moͤglich zu machen, muß er jeder abſoluten Nothwendigkeit des Erfolges entſagen, die entfernten Moͤglichkeiten aus der Rechnung weglaſſen.
Hier verlaͤßt alſo die Thaͤtigkeit des Verſtandes das Gebiet der ſtrengen Wiſſenſchaft, der Logik und Mathe- matik, und wird, im weiten Verſtande des Wortes, zur Kunſt, d. h. zu der Fertigkeit, aus einer unuͤberſehbaren Menge von Gegenſtaͤnden und Verhaͤltniſſen die wichtigſten und entſcheidenden durch den Takt des Urtheils herauszu- finden. Dieſer Takt des Urtheils beſteht unſtreitig mehr oder weniger in einer dunkeln Vergleichung aller Groͤßen und Verhaͤltniſſe, wodurch die entfernten und unwichtigen ſchneller beſeitigt und die naͤchſten und wichtigſten ſchneller herausgefunden werden, als wenn dies auf dem Wege ſtrenger Schlußfolge geſchehen ſollte.
Um alſo das Maaß der Mittel kennen zu lernen, welches wir fuͤr den Krieg aufzubieten haben, muͤſſen wir den politiſchen Zweck deſſelben unſerer Seits und von Seiten des Feindes bedenken; wir muͤſſen die Kraͤfte und Verhaͤlt- niſſe des feindlichen Staates und des unſrigen; wir muͤſſen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0117"n="103"/><p>Dieſe koͤnnte an das aͤußerſte Ziel der Anſtrengungen<lb/>
fuͤhren, wenn ſich ein ſolches beſtimmen ließe. Dann<lb/>
wuͤrde aber die Ruͤckſicht auf die Groͤße der politiſchen<lb/>
Forderungen verloren gehen, das Mittel alles Verhaͤltniß<lb/>
zum Zweck verlieren, und in den meiſten Faͤllen dieſe<lb/>
Abſicht einer aͤußerſten Anſtrengung an dem Gegengewicht<lb/>
der eigenen inneren Verhaͤltniſſe ſcheitern.</p><lb/><p>Auf dieſe Weiſe wird der Kriegsunternehmer wieder in<lb/>
einen Mittelweg zuruͤckgefuͤhrt, in welchem er gewiſſer-<lb/>
maaßen nach dem direkten Grundſatz handelt, um diejenigen<lb/>
Kraͤfte aufzuwenden und ſich im Kriege dasjenige Ziel zu<lb/>ſtellen, welches zur Erreichung ſeines politiſchen Zweckes<lb/>
eben hinreicht. Um dieſen Grundſatz moͤglich zu machen,<lb/>
muß er jeder abſoluten Nothwendigkeit des Erfolges entſagen,<lb/>
die entfernten Moͤglichkeiten aus der Rechnung weglaſſen.</p><lb/><p>Hier verlaͤßt alſo die Thaͤtigkeit des Verſtandes das<lb/>
Gebiet der ſtrengen Wiſſenſchaft, der Logik und Mathe-<lb/>
matik, und wird, im weiten Verſtande des Wortes, zur<lb/>
Kunſt, d. h. zu der Fertigkeit, aus einer unuͤberſehbaren<lb/>
Menge von Gegenſtaͤnden und Verhaͤltniſſen die wichtigſten<lb/>
und entſcheidenden durch den Takt des Urtheils herauszu-<lb/>
finden. Dieſer Takt des Urtheils beſteht unſtreitig mehr<lb/>
oder weniger in einer dunkeln Vergleichung aller Groͤßen<lb/>
und Verhaͤltniſſe, wodurch die entfernten und unwichtigen<lb/>ſchneller beſeitigt und die naͤchſten und wichtigſten ſchneller<lb/>
herausgefunden werden, als wenn dies auf dem Wege<lb/>ſtrenger Schlußfolge geſchehen ſollte.</p><lb/><p>Um alſo das Maaß der Mittel kennen zu lernen,<lb/>
welches wir fuͤr den Krieg aufzubieten haben, muͤſſen wir<lb/>
den politiſchen Zweck deſſelben unſerer Seits und von Seiten<lb/>
des Feindes bedenken; wir muͤſſen die Kraͤfte und Verhaͤlt-<lb/>
niſſe des feindlichen Staates und des unſrigen; wir muͤſſen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[103/0117]
Dieſe koͤnnte an das aͤußerſte Ziel der Anſtrengungen
fuͤhren, wenn ſich ein ſolches beſtimmen ließe. Dann
wuͤrde aber die Ruͤckſicht auf die Groͤße der politiſchen
Forderungen verloren gehen, das Mittel alles Verhaͤltniß
zum Zweck verlieren, und in den meiſten Faͤllen dieſe
Abſicht einer aͤußerſten Anſtrengung an dem Gegengewicht
der eigenen inneren Verhaͤltniſſe ſcheitern.
Auf dieſe Weiſe wird der Kriegsunternehmer wieder in
einen Mittelweg zuruͤckgefuͤhrt, in welchem er gewiſſer-
maaßen nach dem direkten Grundſatz handelt, um diejenigen
Kraͤfte aufzuwenden und ſich im Kriege dasjenige Ziel zu
ſtellen, welches zur Erreichung ſeines politiſchen Zweckes
eben hinreicht. Um dieſen Grundſatz moͤglich zu machen,
muß er jeder abſoluten Nothwendigkeit des Erfolges entſagen,
die entfernten Moͤglichkeiten aus der Rechnung weglaſſen.
Hier verlaͤßt alſo die Thaͤtigkeit des Verſtandes das
Gebiet der ſtrengen Wiſſenſchaft, der Logik und Mathe-
matik, und wird, im weiten Verſtande des Wortes, zur
Kunſt, d. h. zu der Fertigkeit, aus einer unuͤberſehbaren
Menge von Gegenſtaͤnden und Verhaͤltniſſen die wichtigſten
und entſcheidenden durch den Takt des Urtheils herauszu-
finden. Dieſer Takt des Urtheils beſteht unſtreitig mehr
oder weniger in einer dunkeln Vergleichung aller Groͤßen
und Verhaͤltniſſe, wodurch die entfernten und unwichtigen
ſchneller beſeitigt und die naͤchſten und wichtigſten ſchneller
herausgefunden werden, als wenn dies auf dem Wege
ſtrenger Schlußfolge geſchehen ſollte.
Um alſo das Maaß der Mittel kennen zu lernen,
welches wir fuͤr den Krieg aufzubieten haben, muͤſſen wir
den politiſchen Zweck deſſelben unſerer Seits und von Seiten
des Feindes bedenken; wir muͤſſen die Kraͤfte und Verhaͤlt-
niſſe des feindlichen Staates und des unſrigen; wir muͤſſen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/117>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.