Der alte Martin flog mit einem andern Die¬ ner in Blauensteins Zimmer; er selbst half seine zerstreuten Habseligkeiten zusammenlegen und ein¬ packen, und verwahrte das eben erhaltene theure Geschenk auf seiner Brust. Der Wagen stand vor der Thüre, Oncle Heinrich dicht dabei. Er hatte vom Secretair Blum das Nähere erfahren, und bedauerte herzlich, daß er den jungen Freund so schnell verlieren sollte. "Versprechen Sie mir," fuhr er fort, "uns in dem stillen, abgelegenen Blumenau recht bald wieder besuchen zu wollen, Blauensteinchen, und zwar auf einige Wochen, nicht auf Tage, wie diesmal. Übrigens wird sich mein Schwager verdammt wundern, wenn er morgen hört, daß Sie ausgeflogen sind. Aber es ist gut so; Sie haben Eile, und er machte nur noch längern Aufenthalt! -- Nun, Gott be¬ fohlen; der Himmel gebe, daß Sie Ihren Papa frisch und gesund antreffen! -- -- "
Heinrichs Worte verhallten im Wehen der scharfen Nachtluft; im Saale ertönte hell und lustig ein fröhlicher Walzer, halb vom Winde verschlungen, durch die angelaufenen Fenster sah man die rasch vorbeischwebenden, fröhlichen Tanz¬ paare, aber Blauensteins Wagen rollte in der raschesten Eile durch die rauschende Lindenallee
6
Der alte Martin flog mit einem andern Die¬ ner in Blauenſteins Zimmer; er ſelbſt half ſeine zerſtreuten Habſeligkeiten zuſammenlegen und ein¬ packen, und verwahrte das eben erhaltene theure Geſchenk auf ſeiner Bruſt. Der Wagen ſtand vor der Thuͤre, Oncle Heinrich dicht dabei. Er hatte vom Secretair Blum das Naͤhere erfahren, und bedauerte herzlich, daß er den jungen Freund ſo ſchnell verlieren ſollte. „Verſprechen Sie mir,“ fuhr er fort, „uns in dem ſtillen, abgelegenen Blumenau recht bald wieder beſuchen zu wollen, Blauenſteinchen, und zwar auf einige Wochen, nicht auf Tage, wie diesmal. Übrigens wird ſich mein Schwager verdammt wundern, wenn er morgen hoͤrt, daß Sie ausgeflogen ſind. Aber es iſt gut ſo; Sie haben Eile, und er machte nur noch laͤngern Aufenthalt! — Nun, Gott be¬ fohlen; der Himmel gebe, daß Sie Ihren Papa friſch und geſund antreffen! — — “
Heinrichs Worte verhallten im Wehen der ſcharfen Nachtluft; im Saale ertoͤnte hell und luſtig ein froͤhlicher Walzer, halb vom Winde verſchlungen, durch die angelaufenen Fenſter ſah man die raſch vorbeiſchwebenden, froͤhlichen Tanz¬ paare, aber Blauenſteins Wagen rollte in der raſcheſten Eile durch die rauſchende Lindenallee
6
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0087"n="81"/><p>Der alte Martin flog mit einem andern Die¬<lb/>
ner in Blauenſteins Zimmer; er ſelbſt half ſeine<lb/>
zerſtreuten Habſeligkeiten zuſammenlegen und ein¬<lb/>
packen, und verwahrte das eben erhaltene theure<lb/>
Geſchenk auf ſeiner Bruſt. Der Wagen ſtand<lb/>
vor der Thuͤre, Oncle Heinrich dicht dabei. Er<lb/>
hatte vom Secretair Blum das Naͤhere erfahren,<lb/>
und bedauerte herzlich, daß er den jungen Freund<lb/>ſo ſchnell verlieren ſollte. „Verſprechen Sie mir,“<lb/>
fuhr er fort, „uns in dem ſtillen, abgelegenen<lb/>
Blumenau recht bald wieder beſuchen zu wollen,<lb/>
Blauenſteinchen, und zwar auf einige Wochen,<lb/>
nicht auf Tage, wie diesmal. Übrigens wird<lb/>ſich mein Schwager verdammt wundern, wenn<lb/>
er morgen hoͤrt, daß Sie ausgeflogen ſind. Aber<lb/>
es iſt gut ſo; Sie haben Eile, und er machte<lb/>
nur noch laͤngern Aufenthalt! — Nun, Gott be¬<lb/>
fohlen; der Himmel gebe, daß Sie Ihren Papa<lb/>
friſch und geſund antreffen! ——“</p><lb/><p>Heinrichs Worte verhallten im Wehen der<lb/>ſcharfen Nachtluft; im Saale ertoͤnte hell und<lb/>
luſtig ein froͤhlicher Walzer, halb vom Winde<lb/>
verſchlungen, durch die angelaufenen Fenſter ſah<lb/>
man die raſch vorbeiſchwebenden, froͤhlichen Tanz¬<lb/>
paare, aber Blauenſteins Wagen rollte in der<lb/>
raſcheſten Eile durch die rauſchende Lindenallee<lb/><fwplace="bottom"type="sig">6<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[81/0087]
Der alte Martin flog mit einem andern Die¬
ner in Blauenſteins Zimmer; er ſelbſt half ſeine
zerſtreuten Habſeligkeiten zuſammenlegen und ein¬
packen, und verwahrte das eben erhaltene theure
Geſchenk auf ſeiner Bruſt. Der Wagen ſtand
vor der Thuͤre, Oncle Heinrich dicht dabei. Er
hatte vom Secretair Blum das Naͤhere erfahren,
und bedauerte herzlich, daß er den jungen Freund
ſo ſchnell verlieren ſollte. „Verſprechen Sie mir,“
fuhr er fort, „uns in dem ſtillen, abgelegenen
Blumenau recht bald wieder beſuchen zu wollen,
Blauenſteinchen, und zwar auf einige Wochen,
nicht auf Tage, wie diesmal. Übrigens wird
ſich mein Schwager verdammt wundern, wenn
er morgen hoͤrt, daß Sie ausgeflogen ſind. Aber
es iſt gut ſo; Sie haben Eile, und er machte
nur noch laͤngern Aufenthalt! — Nun, Gott be¬
fohlen; der Himmel gebe, daß Sie Ihren Papa
friſch und geſund antreffen! — — “
Heinrichs Worte verhallten im Wehen der
ſcharfen Nachtluft; im Saale ertoͤnte hell und
luſtig ein froͤhlicher Walzer, halb vom Winde
verſchlungen, durch die angelaufenen Fenſter ſah
man die raſch vorbeiſchwebenden, froͤhlichen Tanz¬
paare, aber Blauenſteins Wagen rollte in der
raſcheſten Eile durch die rauſchende Lindenallee
6
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/87>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.