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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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rung der Sinnesart! Sie scherzen, Freund!
Bedenken Sie, das Mädchen ist Braut, und
thut mit dem Baron, als sei sie so frei, wie vor
ihrer Verlobung mit Staunitz! Wenn dies keine
Sünde ist, so weiß ich nicht, wie man bei jungen
Mädchen eine ärgere finden kann! Ich war auch
einmal jung, und Sie wissen, was mir meine
Nichte Louise für Kummer gemacht mit ihrem
Wesen; aber so etwas ist denn doch zu arg!
Wenn ich dagegen an ihr Gustelchen denke, wie
sittsam, wie häuslich, wie viel Zucht und Sitte;
-- Nein, an der Tina ist nichts; und unter uns
gesagt, sie soll es in der Residenz auch ebenso
gemacht haben!"

"In der That?" keuchte der lauschende
Canonicus, und bekämpfte seinen verjährten
Magenhusten. "Man spricht so dies und jenes!
Wahrhaftig, der Oncle Heinrich ist um solch eine
Nichte zu beneiden, die ihm mit so viel Huld
entgegenkömmt!"

"Wie verstehn Sie das?" fragte die Geheim¬
deräthin rasch und dringend.

"Nun," sagte der Canonicus kleinlaut, und
blinzte mit seinen kleinen grauen Augen, "der

rung der Sinnesart! Sie ſcherzen, Freund!
Bedenken Sie, das Maͤdchen iſt Braut, und
thut mit dem Baron, als ſei ſie ſo frei, wie vor
ihrer Verlobung mit Staunitz! Wenn dies keine
Suͤnde iſt, ſo weiß ich nicht, wie man bei jungen
Maͤdchen eine aͤrgere finden kann! Ich war auch
einmal jung, und Sie wiſſen, was mir meine
Nichte Louiſe fuͤr Kummer gemacht mit ihrem
Weſen; aber ſo etwas iſt denn doch zu arg!
Wenn ich dagegen an ihr Guſtelchen denke, wie
ſittſam, wie haͤuslich, wie viel Zucht und Sitte;
— Nein, an der Tina iſt nichts; und unter uns
geſagt, ſie ſoll es in der Reſidenz auch ebenſo
gemacht haben!“

„In der That?“ keuchte der lauſchende
Canonicus, und bekaͤmpfte ſeinen verjaͤhrten
Magenhuſten. „Man ſpricht ſo dies und jenes!
Wahrhaftig, der Oncle Heinrich iſt um ſolch eine
Nichte zu beneiden, die ihm mit ſo viel Huld
entgegenkoͤmmt!“

„Wie verſtehn Sie das?“ fragte die Geheim¬
deraͤthin raſch und dringend.

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[66/0072] rung der Sinnesart! Sie ſcherzen, Freund! Bedenken Sie, das Maͤdchen iſt Braut, und thut mit dem Baron, als ſei ſie ſo frei, wie vor ihrer Verlobung mit Staunitz! Wenn dies keine Suͤnde iſt, ſo weiß ich nicht, wie man bei jungen Maͤdchen eine aͤrgere finden kann! Ich war auch einmal jung, und Sie wiſſen, was mir meine Nichte Louiſe fuͤr Kummer gemacht mit ihrem Weſen; aber ſo etwas iſt denn doch zu arg! Wenn ich dagegen an ihr Guſtelchen denke, wie ſittſam, wie haͤuslich, wie viel Zucht und Sitte; — Nein, an der Tina iſt nichts; und unter uns geſagt, ſie ſoll es in der Reſidenz auch ebenſo gemacht haben!“ „In der That?“ keuchte der lauſchende Canonicus, und bekaͤmpfte ſeinen verjaͤhrten Magenhuſten. „Man ſpricht ſo dies und jenes! Wahrhaftig, der Oncle Heinrich iſt um ſolch eine Nichte zu beneiden, die ihm mit ſo viel Huld entgegenkoͤmmt!“ „Wie verſtehn Sie das?“ fragte die Geheim¬ deraͤthin raſch und dringend. „Nun,“ ſagte der Canonicus kleinlaut, und blinzte mit ſeinen kleinen grauen Augen, „der

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/72>, abgerufen am 24.11.2024.