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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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Musik, herzuschwatzen, daß Tina nicht mehr wußte,
was sie dem Aufgeblasenen antworten sollte.
Jetzt kam das Walzen an Antönchen; seine Lunge
war nicht im besten Zustande, daher seine Respi¬
ration in einer höchst traurigen Verfassung, und
der rasche Wiener nahm ihm dermaßen die Lust,
daß er seufzte und prügte wie der schadhafte Ka¬
stenblasbalg einer Eisengießerei. An Unterhaltung
mit seiner Tänzerin, die in ihrer frischen Kräf¬
tigkeit das bischen Herumdrehen nicht achtete,
war gar nicht zu denken, und Tina war herzlich
froh, als Oncle Heinrich sie mit dem Finger
auf die blendendweiße Achsel tippte, und ihr in's
Ohr raunte, man könne wohl nun an die Tafel
denken. Der unausstehliche Walzer war aus,
Antönchen bückte sich keuchend, und bot der er¬
zürnten Comtesse seinen Arm; allein sie erwie¬
derte kurz, daß sie ein kleines Geschäft schnell hin¬
wegrufe, und ließ den Narren stehn. Tina flog
in den Speisesaal; schon waren die Tafeln mit
allen Gaumenherrlichkeiten besetzt, daß sie unter
der Last seufzten, und an jedem Couvert schim¬
merte ein Zettel mit dem Namen der Person,
welche hier sitzen sollte. Mit irrendem Auge
suchte Tina Blauensteins Namen; richtig, er
lag neben Huldchen, und jetzt fiel es erst der un¬
angenehm Überraschten auf, daß ihr in der Nähe

Muſik, herzuſchwatzen, daß Tina nicht mehr wußte,
was ſie dem Aufgeblaſenen antworten ſollte.
Jetzt kam das Walzen an Antoͤnchen; ſeine Lunge
war nicht im beſten Zuſtande, daher ſeine Reſpi¬
ration in einer hoͤchſt traurigen Verfaſſung, und
der raſche Wiener nahm ihm dermaßen die Luſt,
daß er ſeufzte und pruͤgte wie der ſchadhafte Ka¬
ſtenblasbalg einer Eiſengießerei. An Unterhaltung
mit ſeiner Taͤnzerin, die in ihrer friſchen Kraͤf¬
tigkeit das bischen Herumdrehen nicht achtete,
war gar nicht zu denken, und Tina war herzlich
froh, als Oncle Heinrich ſie mit dem Finger
auf die blendendweiße Achſel tippte, und ihr in's
Ohr raunte, man koͤnne wohl nun an die Tafel
denken. Der unausſtehliche Walzer war aus,
Antoͤnchen buͤckte ſich keuchend, und bot der er¬
zuͤrnten Comteſſe ſeinen Arm; allein ſie erwie¬
derte kurz, daß ſie ein kleines Geſchaͤft ſchnell hin¬
wegrufe, und ließ den Narren ſtehn. Tina flog
in den Speiſeſaal; ſchon waren die Tafeln mit
allen Gaumenherrlichkeiten beſetzt, daß ſie unter
der Laſt ſeufzten, und an jedem Couvert ſchim¬
merte ein Zettel mit dem Namen der Perſon,
welche hier ſitzen ſollte. Mit irrendem Auge
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[62/0068] Muſik, herzuſchwatzen, daß Tina nicht mehr wußte, was ſie dem Aufgeblaſenen antworten ſollte. Jetzt kam das Walzen an Antoͤnchen; ſeine Lunge war nicht im beſten Zuſtande, daher ſeine Reſpi¬ ration in einer hoͤchſt traurigen Verfaſſung, und der raſche Wiener nahm ihm dermaßen die Luſt, daß er ſeufzte und pruͤgte wie der ſchadhafte Ka¬ ſtenblasbalg einer Eiſengießerei. An Unterhaltung mit ſeiner Taͤnzerin, die in ihrer friſchen Kraͤf¬ tigkeit das bischen Herumdrehen nicht achtete, war gar nicht zu denken, und Tina war herzlich froh, als Oncle Heinrich ſie mit dem Finger auf die blendendweiße Achſel tippte, und ihr in's Ohr raunte, man koͤnne wohl nun an die Tafel denken. Der unausſtehliche Walzer war aus, Antoͤnchen buͤckte ſich keuchend, und bot der er¬ zuͤrnten Comteſſe ſeinen Arm; allein ſie erwie¬ derte kurz, daß ſie ein kleines Geſchaͤft ſchnell hin¬ wegrufe, und ließ den Narren ſtehn. Tina flog in den Speiſeſaal; ſchon waren die Tafeln mit allen Gaumenherrlichkeiten beſetzt, daß ſie unter der Laſt ſeufzten, und an jedem Couvert ſchim¬ merte ein Zettel mit dem Namen der Perſon, welche hier ſitzen ſollte. Mit irrendem Auge ſuchte Tina Blauenſteins Namen; richtig, er lag neben Huldchen, und jetzt fiel es erſt der un¬ angenehm Überraſchten auf, daß ihr in der Naͤhe

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/68>, abgerufen am 29.12.2024.