Er kannte die Geheimderäthin; vor mehreren Jahren lernte er sie in der Residenz kennen; aber die niedrige Denkungsart der Frau, ihre Ränkesucht, die nichts, auch das Heiligste nicht, schonte, war ihm frühzeitig verhaßt gewesen, und als er zufällig bemerkte, eine Parthie zwischen ihm und der Hulda sei der Mutter einziges Stre¬ ben, zog er sich kalt zurück, und that jetzt, nach¬ dem mehrere Jahre vergangen waren, in denen er sich merklich verändert haben sollte, als kenne er die Frau gar nicht. Huldchen war an und für sich so übel nicht; ihr Gesicht, das freilich den übergroßen Mund ihres verstorbenen Vaters ererbt hatte, war von einem gutmüthigen Aus¬ druck; sie dachte nicht an die geheimen Pläne der verdrießlichen Mamma, und gefiel sich in den kräftigen Armen des sie umschlingenden jungen Mannes recht sehr wohl. Die Drostin Stein¬ burg war innerlich froh, daß sich ihre Aussichten aufklärten. Behalt' Du Deinen Blauenstein, liebes Puttchen, dachte sie bei sich; mein Antönchen wird hoffentlich auch noch zum Ziele kommen. Gott, an dem Kinde selbst, an der hochfahrenden Familie des Grafen überhaupt liegt mir herzlich wenig; aber Tinchen, Dein unmenschliches Geld, deine Güter will ich mir, oder vielmehr dem An¬ ton sichern! Kömmt nicht bald ein rettender
Er kannte die Geheimderaͤthin; vor mehreren Jahren lernte er ſie in der Reſidenz kennen; aber die niedrige Denkungsart der Frau, ihre Raͤnkeſucht, die nichts, auch das Heiligſte nicht, ſchonte, war ihm fruͤhzeitig verhaßt geweſen, und als er zufaͤllig bemerkte, eine Parthie zwiſchen ihm und der Hulda ſei der Mutter einziges Stre¬ ben, zog er ſich kalt zuruͤck, und that jetzt, nach¬ dem mehrere Jahre vergangen waren, in denen er ſich merklich veraͤndert haben ſollte, als kenne er die Frau gar nicht. Huldchen war an und fuͤr ſich ſo uͤbel nicht; ihr Geſicht, das freilich den uͤbergroßen Mund ihres verſtorbenen Vaters ererbt hatte, war von einem gutmuͤthigen Aus¬ druck; ſie dachte nicht an die geheimen Plaͤne der verdrießlichen Mamma, und gefiel ſich in den kraͤftigen Armen des ſie umſchlingenden jungen Mannes recht ſehr wohl. Die Droſtin Stein¬ burg war innerlich froh, daß ſich ihre Ausſichten aufklaͤrten. Behalt' Du Deinen Blauenſtein, liebes Puttchen, dachte ſie bei ſich; mein Antoͤnchen wird hoffentlich auch noch zum Ziele kommen. Gott, an dem Kinde ſelbſt, an der hochfahrenden Familie des Grafen uͤberhaupt liegt mir herzlich wenig; aber Tinchen, Dein unmenſchliches Geld, deine Guͤter will ich mir, oder vielmehr dem An¬ ton ſichern! Koͤmmt nicht bald ein rettender
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Er kannte die Geheimderaͤthin; vor mehreren
Jahren lernte er ſie in der Reſidenz kennen;
aber die niedrige Denkungsart der Frau, ihre
Raͤnkeſucht, die nichts, auch das Heiligſte nicht,
ſchonte, war ihm fruͤhzeitig verhaßt geweſen, und
als er zufaͤllig bemerkte, eine Parthie zwiſchen
ihm und der Hulda ſei der Mutter einziges Stre¬
ben, zog er ſich kalt zuruͤck, und that jetzt, nach¬
dem mehrere Jahre vergangen waren, in denen
er ſich merklich veraͤndert haben ſollte, als kenne
er die Frau gar nicht. Huldchen war an und
fuͤr ſich ſo uͤbel nicht; ihr Geſicht, das freilich
den uͤbergroßen Mund ihres verſtorbenen Vaters
ererbt hatte, war von einem gutmuͤthigen Aus¬
druck; ſie dachte nicht an die geheimen Plaͤne
der verdrießlichen Mamma, und gefiel ſich in den
kraͤftigen Armen des ſie umſchlingenden jungen
Mannes recht ſehr wohl. Die Droſtin Stein¬
burg war innerlich froh, daß ſich ihre Ausſichten
aufklaͤrten. Behalt' Du Deinen Blauenſtein, liebes
Puttchen, dachte ſie bei ſich; mein Antoͤnchen
wird hoffentlich auch noch zum Ziele kommen.
Gott, an dem Kinde ſelbſt, an der hochfahrenden
Familie des Grafen uͤberhaupt liegt mir herzlich
wenig; aber Tinchen, Dein unmenſchliches Geld,
deine Guͤter will ich mir, oder vielmehr dem An¬
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/65>, abgerufen am 25.11.2024.
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