Die Drostin Steinburg stand mit ihrer alten Busenfreundin, der Geheimderäthin Wandler im mittelsten Fensterbogen des glänzenden, von hun¬ dert und aber hundert Kerzen hell schimmernden Saales, und vergnügte sich nach ihrer alten, be¬ liebten Manier an dem Bekritteln der Anwesen¬ den. "Sehn Sie um's Himmels Willen," nahm die letztere das Wort, "sehn Sie den allerliebsten Blauenstein! Unter uns, meine Beste, das ist ein Goldfischchen; ich kenne seine Verhältnisse ge¬ nauer, wenn der Springin'sfeld sich meiner auch nicht mehr erinnern mag, denn er thut wie fremd. Ich hatte einmal so eine Idee mit meinem Huld¬ chen; nun, Sie verstehn mich; und ich mogte sie nicht aufgeben. Aber nun, dies Thun mit der Tina, der koquetten Närrin, ist ja ganz abscheu¬ lich; und was die Sache besonders himmel¬ schreiend macht, sie soll mit dem Baron Stau¬ nitz so gut wie verlobt sein?!"
"Ja, erwiederte die Steinburg, und sah sich heimlich um, ob sich auch kein unberufener Horcher nahe, "so spricht man; aber ich habe so unter der Hand erfahren, daß es mit der Par¬ thie nichts würde. Sie halten reinen Mund, liebe Freundin; aber ich glaube selbst daran, und freue mich, denn mein Anton wäre des Todes.
Die Droſtin Steinburg ſtand mit ihrer alten Buſenfreundin, der Geheimderaͤthin Wandler im mittelſten Fenſterbogen des glaͤnzenden, von hun¬ dert und aber hundert Kerzen hell ſchimmernden Saales, und vergnuͤgte ſich nach ihrer alten, be¬ liebten Manier an dem Bekritteln der Anweſen¬ den. „Sehn Sie um's Himmels Willen,“ nahm die letztere das Wort, „ſehn Sie den allerliebſten Blauenſtein! Unter uns, meine Beſte, das iſt ein Goldfiſchchen; ich kenne ſeine Verhaͤltniſſe ge¬ nauer, wenn der Springin'sfeld ſich meiner auch nicht mehr erinnern mag, denn er thut wie fremd. Ich hatte einmal ſo eine Idee mit meinem Huld¬ chen; nun, Sie verſtehn mich; und ich mogte ſie nicht aufgeben. Aber nun, dies Thun mit der Tina, der koquetten Naͤrrin, iſt ja ganz abſcheu¬ lich; und was die Sache beſonders himmel¬ ſchreiend macht, ſie ſoll mit dem Baron Stau¬ nitz ſo gut wie verlobt ſein?!“
„Ja, erwiederte die Steinburg, und ſah ſich heimlich um, ob ſich auch kein unberufener Horcher nahe, „ſo ſpricht man; aber ich habe ſo unter der Hand erfahren, daß es mit der Par¬ thie nichts wuͤrde. Sie halten reinen Mund, liebe Freundin; aber ich glaube ſelbſt daran, und freue mich, denn mein Anton waͤre des Todes.
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Die Droſtin Steinburg ſtand mit ihrer alten
Buſenfreundin, der Geheimderaͤthin Wandler im
mittelſten Fenſterbogen des glaͤnzenden, von hun¬
dert und aber hundert Kerzen hell ſchimmernden
Saales, und vergnuͤgte ſich nach ihrer alten, be¬
liebten Manier an dem Bekritteln der Anweſen¬
den. „Sehn Sie um's Himmels Willen,“ nahm
die letztere das Wort, „ſehn Sie den allerliebſten
Blauenſtein! Unter uns, meine Beſte, das iſt ein
Goldfiſchchen; ich kenne ſeine Verhaͤltniſſe ge¬
nauer, wenn der Springin'sfeld ſich meiner auch
nicht mehr erinnern mag, denn er thut wie fremd.
Ich hatte einmal ſo eine Idee mit meinem Huld¬
chen; nun, Sie verſtehn mich; und ich mogte ſie
nicht aufgeben. Aber nun, dies Thun mit der
Tina, der koquetten Naͤrrin, iſt ja ganz abſcheu¬
lich; und was die Sache beſonders himmel¬
ſchreiend macht, ſie ſoll mit dem Baron Stau¬
nitz ſo gut wie verlobt ſein?!“
„Ja, erwiederte die Steinburg, und ſah ſich
heimlich um, ob ſich auch kein unberufener
Horcher nahe, „ſo ſpricht man; aber ich habe ſo
unter der Hand erfahren, daß es mit der Par¬
thie nichts wuͤrde. Sie halten reinen Mund,
liebe Freundin; aber ich glaube ſelbſt daran, und
freue mich, denn mein Anton waͤre des Todes.
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/62>, abgerufen am 16.02.2025.
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