Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

verträgt sich Falschheit nicht, und wenn die arme
Königin ihren Untergang findet, wem dankt sie
ihn anders, als der Treulosigkeit ihrer Um¬
gebungen?"

"Tinchen," fiel der Oncle Heinrich ein, "schwatze
nicht zu viel, der Baron verliert seine Pläne, und
ohne Plan kann kein vernünftiges Spiel zu Stande
kommen!" Blauenstein sann über die trostlose
Lage seiner Steine nach, und sagte kleinlaut:
"Dies danke ich der edlen Frau; ich habe ihre
geraden Wege nicht gesehn, denn sie liegen hinter
großen Bollwerken. Aber das Lebensbild erkenn'
ich an, gewiß, und zwar mit meiner betrübten
Niederlage!"

"Matt!" rief Tina lachend aus, aber in einen
freundlichen Ernst zurückkehrend fuhr sie fort:
"Kein Krieg ohne Verlust auf der andern Seite;
wer im Leben siegt, d. h. im wahren, geistigen
Leben, sieht der nicht im Herzen der Gegner, die
keine Feinde sind, so wie in der eignen Brust die
unheilbarsten Wunden?"

"Die Erfahrung lehrt es," sagte Blauenstein,
der holderglühten Tina Hand an seine brennenden
Lippen führend, "und nie wurde mir diese

vertraͤgt ſich Falſchheit nicht, und wenn die arme
Koͤnigin ihren Untergang findet, wem dankt ſie
ihn anders, als der Treuloſigkeit ihrer Um¬
gebungen?“

„Tinchen,“ fiel der Oncle Heinrich ein, „ſchwatze
nicht zu viel, der Baron verliert ſeine Plaͤne, und
ohne Plan kann kein vernuͤnftiges Spiel zu Stande
kommen!“ Blauenſtein ſann uͤber die troſtloſe
Lage ſeiner Steine nach, und ſagte kleinlaut:
„Dies danke ich der edlen Frau; ich habe ihre
geraden Wege nicht geſehn, denn ſie liegen hinter
großen Bollwerken. Aber das Lebensbild erkenn'
ich an, gewiß, und zwar mit meiner betruͤbten
Niederlage!“

„Matt!“ rief Tina lachend aus, aber in einen
freundlichen Ernſt zuruͤckkehrend fuhr ſie fort:
„Kein Krieg ohne Verluſt auf der andern Seite;
wer im Leben ſiegt, d. h. im wahren, geiſtigen
Leben, ſieht der nicht im Herzen der Gegner, die
keine Feinde ſind, ſo wie in der eignen Bruſt die
unheilbarſten Wunden?“

„Die Erfahrung lehrt es,“ ſagte Blauenſtein,
der holdergluͤhten Tina Hand an ſeine brennenden
Lippen fuͤhrend, „und nie wurde mir dieſe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0033" n="27"/>
vertra&#x0364;gt &#x017F;ich Fal&#x017F;chheit nicht, und wenn die arme<lb/>
Ko&#x0364;nigin ihren Untergang findet, wem dankt &#x017F;ie<lb/>
ihn anders, als der Treulo&#x017F;igkeit ihrer Um¬<lb/>
gebungen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Tinchen,&#x201C; fiel der Oncle Heinrich ein, &#x201E;&#x017F;chwatze<lb/>
nicht zu viel, der Baron verliert &#x017F;eine Pla&#x0364;ne, und<lb/>
ohne Plan kann kein vernu&#x0364;nftiges Spiel zu Stande<lb/>
kommen!&#x201C; Blauen&#x017F;tein &#x017F;ann u&#x0364;ber die tro&#x017F;tlo&#x017F;e<lb/>
Lage &#x017F;einer Steine nach, und &#x017F;agte kleinlaut:<lb/>
&#x201E;Dies danke ich der edlen Frau; ich habe ihre<lb/>
geraden Wege nicht ge&#x017F;ehn, denn &#x017F;ie liegen hinter<lb/>
großen Bollwerken. Aber das Lebensbild erkenn'<lb/>
ich an, gewiß, und zwar mit meiner betru&#x0364;bten<lb/>
Niederlage!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Matt!&#x201C; rief Tina lachend aus, aber in einen<lb/>
freundlichen Ern&#x017F;t zuru&#x0364;ckkehrend fuhr &#x017F;ie fort:<lb/>
&#x201E;Kein Krieg ohne Verlu&#x017F;t auf der andern Seite;<lb/>
wer im Leben &#x017F;iegt, d. h. im wahren, gei&#x017F;tigen<lb/>
Leben, &#x017F;ieht der nicht im Herzen der Gegner, die<lb/>
keine Feinde &#x017F;ind, &#x017F;o wie in der eignen Bru&#x017F;t die<lb/>
unheilbar&#x017F;ten Wunden?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Erfahrung lehrt es,&#x201C; &#x017F;agte Blauen&#x017F;tein,<lb/>
der holderglu&#x0364;hten Tina Hand an &#x017F;eine brennenden<lb/>
Lippen fu&#x0364;hrend, &#x201E;und nie wurde mir die&#x017F;e<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0033] vertraͤgt ſich Falſchheit nicht, und wenn die arme Koͤnigin ihren Untergang findet, wem dankt ſie ihn anders, als der Treuloſigkeit ihrer Um¬ gebungen?“ „Tinchen,“ fiel der Oncle Heinrich ein, „ſchwatze nicht zu viel, der Baron verliert ſeine Plaͤne, und ohne Plan kann kein vernuͤnftiges Spiel zu Stande kommen!“ Blauenſtein ſann uͤber die troſtloſe Lage ſeiner Steine nach, und ſagte kleinlaut: „Dies danke ich der edlen Frau; ich habe ihre geraden Wege nicht geſehn, denn ſie liegen hinter großen Bollwerken. Aber das Lebensbild erkenn' ich an, gewiß, und zwar mit meiner betruͤbten Niederlage!“ „Matt!“ rief Tina lachend aus, aber in einen freundlichen Ernſt zuruͤckkehrend fuhr ſie fort: „Kein Krieg ohne Verluſt auf der andern Seite; wer im Leben ſiegt, d. h. im wahren, geiſtigen Leben, ſieht der nicht im Herzen der Gegner, die keine Feinde ſind, ſo wie in der eignen Bruſt die unheilbarſten Wunden?“ „Die Erfahrung lehrt es,“ ſagte Blauenſtein, der holdergluͤhten Tina Hand an ſeine brennenden Lippen fuͤhrend, „und nie wurde mir dieſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/33
Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/33>, abgerufen am 24.11.2024.