und besah sinnend das freundliche Farbenspiel der zarten Blätter. Ist es doch, sagte sie zu sich selbst, und senkte den Stengel der Blume in die blendende Tiefe des jungfräulichen Busens, ist es doch, als ob mit diesen Blumen die Freuden des Jahres uns Lebewohl sagen wollten. Aber sie lassen dem hoffenden Herzen einen süßen Trost, und die sinnige Sprache der freundlichen Blumen¬ welt bezeichnet mit der Aster die Beständigkeit, die Treue!
Sie ging durch die lauschigen Gänge des Lustwäldchens, sie hörte das Rauschen des Röhr¬ wassers am Fischhälter, das Brusseln der Gie߬ kanne des fleißigen Gärtners, welcher die trockne Erde netzte, sie hörte das lustige Springen der Karpfen im See, und doch war sie mit ihrem Köpfchen wo ganz anders, als im Garten. Sie rufte sich die Scene noch einmal zurück, wo sie zuerst dem jungen Fremden im Gasthause begeg¬ nete; sie malte sich jede seiner anziehenden Stel¬ lungen vor, sie wiederholte sich noch einmal seine gemüthlichen Äußerungen, und das edle Beneh¬ men gegen ihren Vater. Er war auch gar zu hübsch; es hatte ihr zwar schon mancher junge elegante Herr den Hof gemacht; aber eine solche Bildung, ein so angenehmes Äußere hatte auch
und beſah ſinnend das freundliche Farbenſpiel der zarten Blaͤtter. Iſt es doch, ſagte ſie zu ſich ſelbſt, und ſenkte den Stengel der Blume in die blendende Tiefe des jungfraͤulichen Buſens, iſt es doch, als ob mit dieſen Blumen die Freuden des Jahres uns Lebewohl ſagen wollten. Aber ſie laſſen dem hoffenden Herzen einen ſuͤßen Troſt, und die ſinnige Sprache der freundlichen Blumen¬ welt bezeichnet mit der Aſter die Beſtaͤndigkeit, die Treue!
Sie ging durch die lauſchigen Gaͤnge des Luſtwaͤldchens, ſie hoͤrte das Rauſchen des Roͤhr¬ waſſers am Fiſchhaͤlter, das Bruſſeln der Gie߬ kanne des fleißigen Gaͤrtners, welcher die trockne Erde netzte, ſie hoͤrte das luſtige Springen der Karpfen im See, und doch war ſie mit ihrem Koͤpfchen wo ganz anders, als im Garten. Sie rufte ſich die Scene noch einmal zuruͤck, wo ſie zuerſt dem jungen Fremden im Gaſthauſe begeg¬ nete; ſie malte ſich jede ſeiner anziehenden Stel¬ lungen vor, ſie wiederholte ſich noch einmal ſeine gemuͤthlichen Äußerungen, und das edle Beneh¬ men gegen ihren Vater. Er war auch gar zu huͤbſch; es hatte ihr zwar ſchon mancher junge elegante Herr den Hof gemacht; aber eine ſolche Bildung, ein ſo angenehmes Äußere hatte auch
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und beſah ſinnend das freundliche Farbenſpiel
der zarten Blaͤtter. Iſt es doch, ſagte ſie zu ſich
ſelbſt, und ſenkte den Stengel der Blume in die
blendende Tiefe des jungfraͤulichen Buſens, iſt es
doch, als ob mit dieſen Blumen die Freuden des
Jahres uns Lebewohl ſagen wollten. Aber ſie
laſſen dem hoffenden Herzen einen ſuͤßen Troſt,
und die ſinnige Sprache der freundlichen Blumen¬
welt bezeichnet mit der Aſter die Beſtaͤndigkeit,
die Treue!
Sie ging durch die lauſchigen Gaͤnge des
Luſtwaͤldchens, ſie hoͤrte das Rauſchen des Roͤhr¬
waſſers am Fiſchhaͤlter, das Bruſſeln der Gie߬
kanne des fleißigen Gaͤrtners, welcher die trockne
Erde netzte, ſie hoͤrte das luſtige Springen der
Karpfen im See, und doch war ſie mit ihrem
Koͤpfchen wo ganz anders, als im Garten. Sie
rufte ſich die Scene noch einmal zuruͤck, wo ſie
zuerſt dem jungen Fremden im Gaſthauſe begeg¬
nete; ſie malte ſich jede ſeiner anziehenden Stel¬
lungen vor, ſie wiederholte ſich noch einmal ſeine
gemuͤthlichen Äußerungen, und das edle Beneh¬
men gegen ihren Vater. Er war auch gar zu
huͤbſch; es hatte ihr zwar ſchon mancher junge
elegante Herr den Hof gemacht; aber eine ſolche
Bildung, ein ſo angenehmes Äußere hatte auch
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/26>, abgerufen am 16.02.2025.
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