manchen Stunden Adelinens Pfleger sein, und wenn dann ein himmlisches Lächeln ihres Engel¬ antlitzes mir Dank sagte für das Wenige, was ich that, dann fühlte ich mich unwerth, auf das Glück meiner Liebe hoffen zu dürfen, die ich gewissermaßen mit einer Untreue erkaufte. Ich wünschte hundertmal, ich hätte Adeline nie gesehn, oder diese Reise gemacht, ich flehte den Himmel an, mein Herz umzuschaffen, aber es blieb Alles, wie es war, und ich machte mir die bittersten Vorwürfe. Denn wenn ich nun auch frei war, und daran dachte, wie Tina vielleicht unter Schmerzen und Kämpfen dahin gelangt sei, mir mein Wort zurückzugeben, wie sie mit der men¬ schenfreundlichsten Großmuth mir begegnete, dann verdunkelte sich Alles vor meinem Blicke, und ich sah in der öden Zukunft nichts, als starre Bilder!" --
"Jetzt sei es erlaubt," fiel Tina lachend dem Erzähler in die Rede, "jetzt sei es erlaubt, ein Wort einzusprechen. Vetter Staunitz zeigt uns eben, wie ungeheuer eitel die Männer sind; denn aus purer Eitelkeit bildet er sich ein, ich sei zum Sterben in ihn verliebt, und könne nicht ohne ihn leben. Und welche Veränderlichkeit! Am Ende wechselt er noch einmal!"
manchen Stunden Adelinens Pfleger ſein, und wenn dann ein himmliſches Laͤcheln ihres Engel¬ antlitzes mir Dank ſagte fuͤr das Wenige, was ich that, dann fuͤhlte ich mich unwerth, auf das Gluͤck meiner Liebe hoffen zu duͤrfen, die ich gewiſſermaßen mit einer Untreue erkaufte. Ich wuͤnſchte hundertmal, ich haͤtte Adeline nie geſehn, oder dieſe Reiſe gemacht, ich flehte den Himmel an, mein Herz umzuſchaffen, aber es blieb Alles, wie es war, und ich machte mir die bitterſten Vorwuͤrfe. Denn wenn ich nun auch frei war, und daran dachte, wie Tina vielleicht unter Schmerzen und Kaͤmpfen dahin gelangt ſei, mir mein Wort zuruͤckzugeben, wie ſie mit der men¬ ſchenfreundlichſten Großmuth mir begegnete, dann verdunkelte ſich Alles vor meinem Blicke, und ich ſah in der oͤden Zukunft nichts, als ſtarre Bilder!“ —
„Jetzt ſei es erlaubt,“ fiel Tina lachend dem Erzaͤhler in die Rede, „jetzt ſei es erlaubt, ein Wort einzuſprechen. Vetter Staunitz zeigt uns eben, wie ungeheuer eitel die Maͤnner ſind; denn aus purer Eitelkeit bildet er ſich ein, ich ſei zum Sterben in ihn verliebt, und koͤnne nicht ohne ihn leben. Und welche Veraͤnderlichkeit! Am Ende wechſelt er noch einmal!“
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ich that, dann fuͤhlte ich mich unwerth, auf das
Gluͤck meiner Liebe hoffen zu duͤrfen, die ich
gewiſſermaßen mit einer Untreue erkaufte. Ich
wuͤnſchte hundertmal, ich haͤtte Adeline nie geſehn,
oder dieſe Reiſe gemacht, ich flehte den Himmel
an, mein Herz umzuſchaffen, aber es blieb Alles,
wie es war, und ich machte mir die bitterſten
Vorwuͤrfe. Denn wenn ich nun auch frei war,
und daran dachte, wie Tina vielleicht unter
Schmerzen und Kaͤmpfen dahin gelangt ſei, mir
mein Wort zuruͤckzugeben, wie ſie mit der men¬
ſchenfreundlichſten Großmuth mir begegnete,
dann verdunkelte ſich Alles vor meinem Blicke,
und ich ſah in der oͤden Zukunft nichts, als
ſtarre Bilder!“ —
„Jetzt ſei es erlaubt,“ fiel Tina lachend dem
Erzaͤhler in die Rede, „jetzt ſei es erlaubt, ein
Wort einzuſprechen. Vetter Staunitz zeigt uns
eben, wie ungeheuer eitel die Maͤnner ſind; denn
aus purer Eitelkeit bildet er ſich ein, ich ſei zum
Sterben in ihn verliebt, und koͤnne nicht ohne
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/227>, abgerufen am 27.07.2024.
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