liebte Adeline mit der ganzen Leidenschaft meines Herzens! -- -- Nun ging ich mit mir zu Rathe, was zu thun sei, ob ich ihr entsagen, und Tina meine gelobte Treue halten müsse, aber ich ver¬ mogte kein vernünftiges Ende zu finden, und schrieb Albertinen einen vorbereitenden Brief. Eine unsägliche Angst drückte nach dem Abgange des Schreibens meine Brust, ich hatte, wie ein zum Tode Verdammter, auf keiner Stelle Ruhe, und mußte sehen, wie Adeline immer schwächer und schwächer werdend, zuletzt auf das Kranken¬ lager sank. Die plötzliche, heimliche Flucht hatte ihre Nerven erschüttert, und eine Erkältung fesselte sie jetzt an's Zimmer. Da kam eine Antwort von Blumenau; mit bebender Hast erbrach ich Tinas Zeilen, und las. Unser Wort, schrieb sie mir unter andern huldvoll zurück, unser Wort verpfändeten wir uns nicht, mein Freund, und wer dem Herzen Fesseln anlegt, der nimmt dem Leben Licht und Wärme! Warum sollen auch gerade Verwandte Gatten sein? Deshalb sei un¬ besorgt wegen des Streichs, den Dir Amor spielt, und nimmer sollst Du einer Grille meines Vaters Deines Lebens Glück zum Opfer werden lassen.
So schrieb mir Tina, und heiße Thränen der Rührung rannen mir vom Auge. Ich durfte zu
liebte Adeline mit der ganzen Leidenſchaft meines Herzens! — — Nun ging ich mit mir zu Rathe, was zu thun ſei, ob ich ihr entſagen, und Tina meine gelobte Treue halten muͤſſe, aber ich ver¬ mogte kein vernuͤnftiges Ende zu finden, und ſchrieb Albertinen einen vorbereitenden Brief. Eine unſaͤgliche Angſt druͤckte nach dem Abgange des Schreibens meine Bruſt, ich hatte, wie ein zum Tode Verdammter, auf keiner Stelle Ruhe, und mußte ſehen, wie Adeline immer ſchwaͤcher und ſchwaͤcher werdend, zuletzt auf das Kranken¬ lager ſank. Die ploͤtzliche, heimliche Flucht hatte ihre Nerven erſchuͤttert, und eine Erkaͤltung feſſelte ſie jetzt an's Zimmer. Da kam eine Antwort von Blumenau; mit bebender Haſt erbrach ich Tinas Zeilen, und las. Unſer Wort, ſchrieb ſie mir unter andern huldvoll zuruͤck, unſer Wort verpfaͤndeten wir uns nicht, mein Freund, und wer dem Herzen Feſſeln anlegt, der nimmt dem Leben Licht und Waͤrme! Warum ſollen auch gerade Verwandte Gatten ſein? Deshalb ſei un¬ beſorgt wegen des Streichs, den Dir Amor ſpielt, und nimmer ſollſt Du einer Grille meines Vaters Deines Lebens Gluͤck zum Opfer werden laſſen.
So ſchrieb mir Tina, und heiße Thraͤnen der Ruͤhrung rannen mir vom Auge. Ich durfte zu
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0226"n="220"/>
liebte Adeline mit der ganzen Leidenſchaft meines<lb/>
Herzens! —— Nun ging ich mit mir zu Rathe,<lb/>
was zu thun ſei, ob ich ihr entſagen, und Tina<lb/>
meine gelobte Treue halten muͤſſe, aber ich ver¬<lb/>
mogte kein vernuͤnftiges Ende zu finden, und<lb/>ſchrieb Albertinen einen vorbereitenden Brief.<lb/>
Eine unſaͤgliche Angſt druͤckte nach dem Abgange<lb/>
des Schreibens meine Bruſt, ich hatte, wie ein<lb/>
zum Tode Verdammter, auf keiner Stelle Ruhe,<lb/>
und mußte ſehen, wie Adeline immer ſchwaͤcher<lb/>
und ſchwaͤcher werdend, zuletzt auf das Kranken¬<lb/>
lager ſank. Die ploͤtzliche, heimliche Flucht hatte<lb/>
ihre Nerven erſchuͤttert, und eine Erkaͤltung feſſelte<lb/>ſie jetzt an's Zimmer. Da kam eine Antwort<lb/>
von Blumenau; mit bebender Haſt erbrach ich<lb/>
Tinas Zeilen, und las. Unſer Wort, ſchrieb ſie<lb/>
mir unter andern huldvoll zuruͤck, unſer Wort<lb/>
verpfaͤndeten wir uns nicht, mein Freund, und<lb/>
wer dem Herzen Feſſeln anlegt, der nimmt dem<lb/>
Leben Licht und Waͤrme! Warum ſollen auch<lb/>
gerade Verwandte Gatten ſein? Deshalb ſei un¬<lb/>
beſorgt wegen des Streichs, den Dir Amor ſpielt,<lb/>
und nimmer ſollſt Du einer Grille meines Vaters<lb/>
Deines Lebens Gluͤck zum Opfer werden laſſen.</p><lb/><p>So ſchrieb mir Tina, und heiße Thraͤnen der<lb/>
Ruͤhrung rannen mir vom Auge. Ich durfte zu<lb/></p></div></body></text></TEI>
[220/0226]
liebte Adeline mit der ganzen Leidenſchaft meines
Herzens! — — Nun ging ich mit mir zu Rathe,
was zu thun ſei, ob ich ihr entſagen, und Tina
meine gelobte Treue halten muͤſſe, aber ich ver¬
mogte kein vernuͤnftiges Ende zu finden, und
ſchrieb Albertinen einen vorbereitenden Brief.
Eine unſaͤgliche Angſt druͤckte nach dem Abgange
des Schreibens meine Bruſt, ich hatte, wie ein
zum Tode Verdammter, auf keiner Stelle Ruhe,
und mußte ſehen, wie Adeline immer ſchwaͤcher
und ſchwaͤcher werdend, zuletzt auf das Kranken¬
lager ſank. Die ploͤtzliche, heimliche Flucht hatte
ihre Nerven erſchuͤttert, und eine Erkaͤltung feſſelte
ſie jetzt an's Zimmer. Da kam eine Antwort
von Blumenau; mit bebender Haſt erbrach ich
Tinas Zeilen, und las. Unſer Wort, ſchrieb ſie
mir unter andern huldvoll zuruͤck, unſer Wort
verpfaͤndeten wir uns nicht, mein Freund, und
wer dem Herzen Feſſeln anlegt, der nimmt dem
Leben Licht und Waͤrme! Warum ſollen auch
gerade Verwandte Gatten ſein? Deshalb ſei un¬
beſorgt wegen des Streichs, den Dir Amor ſpielt,
und nimmer ſollſt Du einer Grille meines Vaters
Deines Lebens Gluͤck zum Opfer werden laſſen.
So ſchrieb mir Tina, und heiße Thraͤnen der
Ruͤhrung rannen mir vom Auge. Ich durfte zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/226>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.