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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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namenlos unglücklich. Sie schaute aus diesem
Tartarus zurück in ihr Blumenleben mit dem
edlen Hingeschiedenen, und ehe zwei Jahre dahin¬
geeilt waren, folgte sie ihm dahin nach, wo kein
Kummer mehr ist. Die Äbtissin hatte kurze
Zeit vorher den Schleier genommen, und auf
diese Weise ihr Herz wie in einer Feuerassecuranz
gesichert; sie wurde, durch ihren alten Adel unter¬
stützt, Vorsteherin des Ursulinerklosters in B., wo
der Commercienrath, ihr alter Jugendfreund, der
armen Adeline Thränen des bittersten Kummers
auspreßte. Das Mädchen ist ihm im Wege, ein
geckenhafter Graf, der durch ihr Vermögen ange¬
zogen wird, wie ein Magnet das Eisen zieht,
macht vergeblicher Weise Bewerbungen, und der
schändliche Stiefvater, da sich Adeline zu des
erstern Gunsten nicht äußern kann, die niedrigsten
Anstalten, das liebenswürdige Geschöpf an den
Narren zu verkuppeln, indem er gleichfalls ihr
Vermögen zu erangeln Lust hat. Daß beide sich
betrügen wollten, war nur der im innern Schmerz
vergehenden Adeline klar. Es kömmt zu heftigen,
unangenehmen Auftritten, sie endigen mit einer
tiefen, betäubenden Ohnmacht Adelinens, und als
sie endlich zum unfreundlichen, trüben Leben er¬
wacht, sieht sie sich, statt im traulichen, einsamen
Stübchen, im benachbarten Ursulinerkloster. Der

namenlos ungluͤcklich. Sie ſchaute aus dieſem
Tartarus zuruͤck in ihr Blumenleben mit dem
edlen Hingeſchiedenen, und ehe zwei Jahre dahin¬
geeilt waren, folgte ſie ihm dahin nach, wo kein
Kummer mehr iſt. Die Äbtiſſin hatte kurze
Zeit vorher den Schleier genommen, und auf
dieſe Weiſe ihr Herz wie in einer Feueraſſecuranz
geſichert; ſie wurde, durch ihren alten Adel unter¬
ſtuͤtzt, Vorſteherin des Urſulinerkloſters in B., wo
der Commercienrath, ihr alter Jugendfreund, der
armen Adeline Thraͤnen des bitterſten Kummers
auspreßte. Das Maͤdchen iſt ihm im Wege, ein
geckenhafter Graf, der durch ihr Vermoͤgen ange¬
zogen wird, wie ein Magnet das Eiſen zieht,
macht vergeblicher Weiſe Bewerbungen, und der
ſchaͤndliche Stiefvater, da ſich Adeline zu des
erſtern Gunſten nicht aͤußern kann, die niedrigſten
Anſtalten, das liebenswuͤrdige Geſchoͤpf an den
Narren zu verkuppeln, indem er gleichfalls ihr
Vermoͤgen zu erangeln Luſt hat. Daß beide ſich
betruͤgen wollten, war nur der im innern Schmerz
vergehenden Adeline klar. Es koͤmmt zu heftigen,
unangenehmen Auftritten, ſie endigen mit einer
tiefen, betaͤubenden Ohnmacht Adelinens, und als
ſie endlich zum unfreundlichen, truͤben Leben er¬
wacht, ſieht ſie ſich, ſtatt im traulichen, einſamen
Stuͤbchen, im benachbarten Urſulinerkloſter. Der

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[216/0222] namenlos ungluͤcklich. Sie ſchaute aus dieſem Tartarus zuruͤck in ihr Blumenleben mit dem edlen Hingeſchiedenen, und ehe zwei Jahre dahin¬ geeilt waren, folgte ſie ihm dahin nach, wo kein Kummer mehr iſt. Die Äbtiſſin hatte kurze Zeit vorher den Schleier genommen, und auf dieſe Weiſe ihr Herz wie in einer Feueraſſecuranz geſichert; ſie wurde, durch ihren alten Adel unter¬ ſtuͤtzt, Vorſteherin des Urſulinerkloſters in B., wo der Commercienrath, ihr alter Jugendfreund, der armen Adeline Thraͤnen des bitterſten Kummers auspreßte. Das Maͤdchen iſt ihm im Wege, ein geckenhafter Graf, der durch ihr Vermoͤgen ange¬ zogen wird, wie ein Magnet das Eiſen zieht, macht vergeblicher Weiſe Bewerbungen, und der ſchaͤndliche Stiefvater, da ſich Adeline zu des erſtern Gunſten nicht aͤußern kann, die niedrigſten Anſtalten, das liebenswuͤrdige Geſchoͤpf an den Narren zu verkuppeln, indem er gleichfalls ihr Vermoͤgen zu erangeln Luſt hat. Daß beide ſich betruͤgen wollten, war nur der im innern Schmerz vergehenden Adeline klar. Es koͤmmt zu heftigen, unangenehmen Auftritten, ſie endigen mit einer tiefen, betaͤubenden Ohnmacht Adelinens, und als ſie endlich zum unfreundlichen, truͤben Leben er¬ wacht, ſieht ſie ſich, ſtatt im traulichen, einſamen Stuͤbchen, im benachbarten Urſulinerkloſter. Der

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/222>, abgerufen am 26.11.2024.