Adeline reichte mir lächlend die kleine Schwa¬ nenhand, und meinte, sie wolle die Sache ein wenig überlegen. Übrigens müsse sie mir und meinem Freunde zu ihrer Rechtfertigung mit¬ theilen, weshalb sie ganz wider ihre Neigung zum Klosterleben verdammt worden sei. Ich war natürlich nebst meinem Reisegefährten höchst be¬ gierig, welche Verhältnisse diesem Engel solchen Kummer bereitet, und sie führte uns denn fol¬ gendermaßen in ihr früheres Leben ein.
Adelinens Mutter, nach ihrer Beschreibung war sie der Tochter Ebenbild, wurde von dem Freiherrn von Rosen geliebt, und sie reichte ihm nach kurzen Bewerbungen ihre Hand. Die er¬ wähnte Äbtissin, welche damals noch an kein Kloster, geschweige an ihre Nonnenschaft dachte, lernt den Freiherrn vor seiner Verbindung kennen, und in ihrem vielleicht zu warmen Herzen ent¬ zündet sich eine heftige Leidenschaft, die der junge liebenswürdige Mann nicht erwiedern konnte, weil er theils die nachmalige Äbtissin als eine höchst unleidliche, zudringliche Person nicht leiden mogte, theils sein Herz bereits weit besser untergebracht hatte.
Die Äbtissin, ich weiß mich für jetzt ihres
Adeline reichte mir laͤchlend die kleine Schwa¬ nenhand, und meinte, ſie wolle die Sache ein wenig uͤberlegen. Übrigens muͤſſe ſie mir und meinem Freunde zu ihrer Rechtfertigung mit¬ theilen, weshalb ſie ganz wider ihre Neigung zum Kloſterleben verdammt worden ſei. Ich war natuͤrlich nebſt meinem Reiſegefaͤhrten hoͤchſt be¬ gierig, welche Verhaͤltniſſe dieſem Engel ſolchen Kummer bereitet, und ſie fuͤhrte uns denn fol¬ gendermaßen in ihr fruͤheres Leben ein.
Adelinens Mutter, nach ihrer Beſchreibung war ſie der Tochter Ebenbild, wurde von dem Freiherrn von Roſen geliebt, und ſie reichte ihm nach kurzen Bewerbungen ihre Hand. Die er¬ waͤhnte Äbtiſſin, welche damals noch an kein Kloſter, geſchweige an ihre Nonnenſchaft dachte, lernt den Freiherrn vor ſeiner Verbindung kennen, und in ihrem vielleicht zu warmen Herzen ent¬ zuͤndet ſich eine heftige Leidenſchaft, die der junge liebenswuͤrdige Mann nicht erwiedern konnte, weil er theils die nachmalige Äbtiſſin als eine hoͤchſt unleidliche, zudringliche Perſon nicht leiden mogte, theils ſein Herz bereits weit beſſer untergebracht hatte.
Die Äbtiſſin, ich weiß mich fuͤr jetzt ihres
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Adeline reichte mir laͤchlend die kleine Schwa¬
nenhand, und meinte, ſie wolle die Sache ein
wenig uͤberlegen. Übrigens muͤſſe ſie mir und
meinem Freunde zu ihrer Rechtfertigung mit¬
theilen, weshalb ſie ganz wider ihre Neigung
zum Kloſterleben verdammt worden ſei. Ich war
natuͤrlich nebſt meinem Reiſegefaͤhrten hoͤchſt be¬
gierig, welche Verhaͤltniſſe dieſem Engel ſolchen
Kummer bereitet, und ſie fuͤhrte uns denn fol¬
gendermaßen in ihr fruͤheres Leben ein.
Adelinens Mutter, nach ihrer Beſchreibung
war ſie der Tochter Ebenbild, wurde von dem
Freiherrn von Roſen geliebt, und ſie reichte ihm
nach kurzen Bewerbungen ihre Hand. Die er¬
waͤhnte Äbtiſſin, welche damals noch an kein
Kloſter, geſchweige an ihre Nonnenſchaft dachte,
lernt den Freiherrn vor ſeiner Verbindung kennen,
und in ihrem vielleicht zu warmen Herzen ent¬
zuͤndet ſich eine heftige Leidenſchaft, die der junge
liebenswuͤrdige Mann nicht erwiedern konnte, weil
er theils die nachmalige Äbtiſſin als eine hoͤchſt
unleidliche, zudringliche Perſon nicht leiden mogte,
theils ſein Herz bereits weit beſſer untergebracht
hatte.
Die Äbtiſſin, ich weiß mich fuͤr jetzt ihres
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/220>, abgerufen am 27.07.2024.
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