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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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meine vielleicht unbesonnene Raschheit, verkennen
Sie mich, verkennen Sie die Beweggründe nicht,
die mich aus meinen bisherigen Verhältnissen
treiben. Daß Sie menschenfreundlich denken,
daß Sie mir wie ein rettender Bruder Ihre Hand
reichen würden, das vertraute mir mein guter
Genius, und ich werde mein ganzes Leben hindurch
Ihre Schuldnerin sein. --

Wie können Sie, erwiederte ich gerührt, wie
können Sie daran denken, Ihre Handlungsweise
vor mir rechtfertigen zu müssen, da ich auf das
Innigste überzeugt bin, daß nur ganz unge¬
wöhnlich widrige Verhältnisse Sie aus den hei¬
ligen Mauren vertreiben, die vielleicht längst zu
unheiligen haben werden müssen. Übrigens ver¬
dient mein Freund Ihren Dank vielleicht in
einem noch höhern Grade, als ich, denn ohne
seinen Scharfsinn, ohne seine Thätigkeit hätte ich
kaum zu einem guten Ziele gelangen können. --

Aber Adeline schien, was ich zuletzt sagte,
halb zu überhören, Kluge wurde ohnehin etwas
verlegen, das bewies der Seitenstoß, den er mir
versetzte, und nach einer halben Stunde hatten
wir das Grenzdörfchen erreicht, wo der Reise¬
wagen unserer harrte. Adeline war mächtig

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meine vielleicht unbeſonnene Raſchheit, verkennen
Sie mich, verkennen Sie die Beweggruͤnde nicht,
die mich aus meinen bisherigen Verhaͤltniſſen
treiben. Daß Sie menſchenfreundlich denken,
daß Sie mir wie ein rettender Bruder Ihre Hand
reichen wuͤrden, das vertraute mir mein guter
Genius, und ich werde mein ganzes Leben hindurch
Ihre Schuldnerin ſein. —

Wie koͤnnen Sie, erwiederte ich geruͤhrt, wie
koͤnnen Sie daran denken, Ihre Handlungsweiſe
vor mir rechtfertigen zu muͤſſen, da ich auf das
Innigſte uͤberzeugt bin, daß nur ganz unge¬
woͤhnlich widrige Verhaͤltniſſe Sie aus den hei¬
ligen Mauren vertreiben, die vielleicht laͤngſt zu
unheiligen haben werden muͤſſen. Übrigens ver¬
dient mein Freund Ihren Dank vielleicht in
einem noch hoͤhern Grade, als ich, denn ohne
ſeinen Scharfſinn, ohne ſeine Thaͤtigkeit haͤtte ich
kaum zu einem guten Ziele gelangen koͤnnen. —

Aber Adeline ſchien, was ich zuletzt ſagte,
halb zu uͤberhoͤren, Kluge wurde ohnehin etwas
verlegen, das bewies der Seitenſtoß, den er mir
verſetzte, und nach einer halben Stunde hatten
wir das Grenzdoͤrfchen erreicht, wo der Reiſe¬
wagen unſerer harrte. Adeline war maͤchtig

14 *
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[211/0217] meine vielleicht unbeſonnene Raſchheit, verkennen Sie mich, verkennen Sie die Beweggruͤnde nicht, die mich aus meinen bisherigen Verhaͤltniſſen treiben. Daß Sie menſchenfreundlich denken, daß Sie mir wie ein rettender Bruder Ihre Hand reichen wuͤrden, das vertraute mir mein guter Genius, und ich werde mein ganzes Leben hindurch Ihre Schuldnerin ſein. — Wie koͤnnen Sie, erwiederte ich geruͤhrt, wie koͤnnen Sie daran denken, Ihre Handlungsweiſe vor mir rechtfertigen zu muͤſſen, da ich auf das Innigſte uͤberzeugt bin, daß nur ganz unge¬ woͤhnlich widrige Verhaͤltniſſe Sie aus den hei¬ ligen Mauren vertreiben, die vielleicht laͤngſt zu unheiligen haben werden muͤſſen. Übrigens ver¬ dient mein Freund Ihren Dank vielleicht in einem noch hoͤhern Grade, als ich, denn ohne ſeinen Scharfſinn, ohne ſeine Thaͤtigkeit haͤtte ich kaum zu einem guten Ziele gelangen koͤnnen. — Aber Adeline ſchien, was ich zuletzt ſagte, halb zu uͤberhoͤren, Kluge wurde ohnehin etwas verlegen, das bewies der Seitenſtoß, den er mir verſetzte, und nach einer halben Stunde hatten wir das Grenzdoͤrfchen erreicht, wo der Reiſe¬ wagen unſerer harrte. Adeline war maͤchtig 14 *

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/217>, abgerufen am 27.11.2024.