unsern Arbeiten zusah, und eine Menge neugie¬ riger junger Nönnchen im Hintergrunde lauschend und flüsternd, vielleicht die liebliche Adeline mitten unter ihnen, da wurde mir doch ganz eigen um's Herz, und ich wünschte, wir hätten uns auf die Sache nicht weiter eingelassen. Denn wir verstanden beide vom Restauriren so viel wie nichts, und konnten höchstens ein erträgliches Bildchen zu Stande bringen. Aber nun wieder die arme, in Thränen sich auflösende Adeline, mit der glühenden Sehnsucht nach Freiheit in der Brust, -- nein, der Gedanke gab neuen Muth, neue Spannkraft; es mußte, es sollte ihr geholfen werden! --
An dem bestimmten Tage fanden wir uns im Kloster ein. Eine alte zahnlose Laienschwester grins'te uns grisgramig an, und geleitete uns durch eine Menge finstere Corridors und Vor¬ hallen zu der ehrwürdigen Frau, die mir sehr verhaßt war, wenn sie mir auch die Hand zur Rettung der armen Gefangenen unbewußt darge¬ boten. Die Dame empfing uns mit wahrhaft seltener Würde; in ihrem Auge lag Geist und Scharfblick, und ich fürchtete beinahe, wir würden vor ihr nicht bestehen können. Allein im Puncte der Kunst, und auf diesen kam es hier haupt¬
unſern Arbeiten zuſah, und eine Menge neugie¬ riger junger Noͤnnchen im Hintergrunde lauſchend und fluͤſternd, vielleicht die liebliche Adeline mitten unter ihnen, da wurde mir doch ganz eigen um's Herz, und ich wuͤnſchte, wir haͤtten uns auf die Sache nicht weiter eingelaſſen. Denn wir verſtanden beide vom Reſtauriren ſo viel wie nichts, und konnten hoͤchſtens ein ertraͤgliches Bildchen zu Stande bringen. Aber nun wieder die arme, in Thraͤnen ſich aufloͤſende Adeline, mit der gluͤhenden Sehnſucht nach Freiheit in der Bruſt, — nein, der Gedanke gab neuen Muth, neue Spannkraft; es mußte, es ſollte ihr geholfen werden! —
An dem beſtimmten Tage fanden wir uns im Kloſter ein. Eine alte zahnloſe Laienſchweſter grinſ'te uns grisgramig an, und geleitete uns durch eine Menge finſtere Corridors und Vor¬ hallen zu der ehrwuͤrdigen Frau, die mir ſehr verhaßt war, wenn ſie mir auch die Hand zur Rettung der armen Gefangenen unbewußt darge¬ boten. Die Dame empfing uns mit wahrhaft ſeltener Wuͤrde; in ihrem Auge lag Geiſt und Scharfblick, und ich fuͤrchtete beinahe, wir wuͤrden vor ihr nicht beſtehen koͤnnen. Allein im Puncte der Kunſt, und auf dieſen kam es hier haupt¬
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[204/0210]
unſern Arbeiten zuſah, und eine Menge neugie¬
riger junger Noͤnnchen im Hintergrunde lauſchend
und fluͤſternd, vielleicht die liebliche Adeline
mitten unter ihnen, da wurde mir doch ganz
eigen um's Herz, und ich wuͤnſchte, wir haͤtten
uns auf die Sache nicht weiter eingelaſſen. Denn
wir verſtanden beide vom Reſtauriren ſo viel
wie nichts, und konnten hoͤchſtens ein ertraͤgliches
Bildchen zu Stande bringen. Aber nun wieder
die arme, in Thraͤnen ſich aufloͤſende Adeline, mit
der gluͤhenden Sehnſucht nach Freiheit in der Bruſt,
— nein, der Gedanke gab neuen Muth, neue
Spannkraft; es mußte, es ſollte ihr geholfen
werden! —
An dem beſtimmten Tage fanden wir uns
im Kloſter ein. Eine alte zahnloſe Laienſchweſter
grinſ'te uns grisgramig an, und geleitete uns
durch eine Menge finſtere Corridors und Vor¬
hallen zu der ehrwuͤrdigen Frau, die mir ſehr
verhaßt war, wenn ſie mir auch die Hand zur
Rettung der armen Gefangenen unbewußt darge¬
boten. Die Dame empfing uns mit wahrhaft
ſeltener Wuͤrde; in ihrem Auge lag Geiſt und
Scharfblick, und ich fuͤrchtete beinahe, wir wuͤrden
vor ihr nicht beſtehen koͤnnen. Allein im Puncte
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/210>, abgerufen am 28.07.2024.
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