angenommen, nicht erscheinen. Einst bemerkte ich ganz im Hintergrunde des Sprachzimmers am Eingange eines düstern Corridors, welcher hieher führte, eine junge, wunderhübsche Nonne mit brennenden Kohlenaugen und einem Gesichtchen, auf dem mehr Schalkheit, als klösterliche Demuth zu wohnen schien; aber das liebe Kind kam durchaus nicht näher. Sollte das wohl Adeline sein? dachte ich bei mir, und stellte mehrere ver¬ gebliche Versuche an, das Mädchen zu sprechen. Endlich fand sie sich einmal am Gitter selbst ein; ich suchte ein Gespräch mit ihr zu beginnen, und fragte, nachdem es mir gelungen war, ihre Aufmerksamkeit ein wenig fest zu halten, ob sie nicht Adeline v. Rosen heiße. Da wandte sich das lose Kind ab, fing an zu kichern und zu lachen, daß es endlich weggehn mußte, um kein Aufsehn zu erregen. Nein, das kann Adeline nicht sein, meinte Kluge und ärgerte, sich, daß wir so lange vergeblich auf die Ersehnte hofften; aber ich ließ mich nicht abschrecken, und am fol¬ genden Tage war ich schon wieder mit der Lacherin im lebhaften Gespräch. Auf meine Frage, und ich mußte sie gewiß recht fein eingerichtet haben, wie denn ihr Name sei, lispelte sie halb verschämt, halb freundlich, Beata. Nun examinirte ich ein Langes und Breites über Adeline, suchte zu
angenommen, nicht erſcheinen. Einſt bemerkte ich ganz im Hintergrunde des Sprachzimmers am Eingange eines duͤſtern Corridors, welcher hieher fuͤhrte, eine junge, wunderhuͤbſche Nonne mit brennenden Kohlenaugen und einem Geſichtchen, auf dem mehr Schalkheit, als kloͤſterliche Demuth zu wohnen ſchien; aber das liebe Kind kam durchaus nicht naͤher. Sollte das wohl Adeline ſein? dachte ich bei mir, und ſtellte mehrere ver¬ gebliche Verſuche an, das Maͤdchen zu ſprechen. Endlich fand ſie ſich einmal am Gitter ſelbſt ein; ich ſuchte ein Geſpraͤch mit ihr zu beginnen, und fragte, nachdem es mir gelungen war, ihre Aufmerkſamkeit ein wenig feſt zu halten, ob ſie nicht Adeline v. Roſen heiße. Da wandte ſich das loſe Kind ab, fing an zu kichern und zu lachen, daß es endlich weggehn mußte, um kein Aufſehn zu erregen. Nein, das kann Adeline nicht ſein, meinte Kluge und aͤrgerte, ſich, daß wir ſo lange vergeblich auf die Erſehnte hofften; aber ich ließ mich nicht abſchrecken, und am fol¬ genden Tage war ich ſchon wieder mit der Lacherin im lebhaften Geſpraͤch. Auf meine Frage, und ich mußte ſie gewiß recht fein eingerichtet haben, wie denn ihr Name ſei, lispelte ſie halb verſchaͤmt, halb freundlich, Beata. Nun examinirte ich ein Langes und Breites uͤber Adeline, ſuchte zu
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[199/0205]
angenommen, nicht erſcheinen. Einſt bemerkte ich
ganz im Hintergrunde des Sprachzimmers am
Eingange eines duͤſtern Corridors, welcher hieher
fuͤhrte, eine junge, wunderhuͤbſche Nonne mit
brennenden Kohlenaugen und einem Geſichtchen,
auf dem mehr Schalkheit, als kloͤſterliche Demuth
zu wohnen ſchien; aber das liebe Kind kam
durchaus nicht naͤher. Sollte das wohl Adeline
ſein? dachte ich bei mir, und ſtellte mehrere ver¬
gebliche Verſuche an, das Maͤdchen zu ſprechen.
Endlich fand ſie ſich einmal am Gitter ſelbſt
ein; ich ſuchte ein Geſpraͤch mit ihr zu beginnen,
und fragte, nachdem es mir gelungen war, ihre
Aufmerkſamkeit ein wenig feſt zu halten, ob ſie
nicht Adeline v. Roſen heiße. Da wandte ſich
das loſe Kind ab, fing an zu kichern und zu
lachen, daß es endlich weggehn mußte, um kein
Aufſehn zu erregen. Nein, das kann Adeline
nicht ſein, meinte Kluge und aͤrgerte, ſich, daß
wir ſo lange vergeblich auf die Erſehnte hofften;
aber ich ließ mich nicht abſchrecken, und am fol¬
genden Tage war ich ſchon wieder mit der Lacherin
im lebhaften Geſpraͤch. Auf meine Frage, und
ich mußte ſie gewiß recht fein eingerichtet haben,
wie denn ihr Name ſei, lispelte ſie halb verſchaͤmt,
halb freundlich, Beata. Nun examinirte ich ein
Langes und Breites uͤber Adeline, ſuchte zu
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/205>, abgerufen am 28.11.2024.
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