ger Zärtlichkeit, und Tina erwiederte diese Liebe in demselben Grade. Die jungen Leute waren noch nicht recht im Gange der Unterhaltung, als Staunitz mit Vetter Heinrich aus dem Hause trat, und den Gast mit lebhafter Freude umarmte. Er mußte erzählen von seiner Reise, von dem plötzlichen Hintritt seines Vaters, bei dessen Er¬ wähnung Blauenstein unwillkührlich in seine alte Melancholie verfiel. Staunitz drückte seine Hand lebhaft, und führte ihn dem alten Grafen ent¬ gegen, der so eben die Ankunft seines jungen Freundes erfahren hatte. Jetzt erst fiel es dem letztern schwer auf's Herz, daß der Graf wohl über seinen plötzlichen Besuch, den eigentlich nur eine Einladung von Seiten Blauensteins ver¬ ursacht hatte, befremdet sein müsse. Aber der alte Herr bewillkommnete ihn mit freundlicher Herzlichkeit, und indem er sein Beileid über den Tod des Generalmajors sehr theilnehmend aus¬ sprach, meinte er, die Zerstreuung des Landlebens werde seinen Schmerz mindern. Tante Letty war glücklicher Weise nicht in Blumenau gegen¬ wärtig, ein ziemlich heftiger Streit mit dem Grafen, Tina betreffend, hatte sie so erbittert, daß sie auf einige Zeit zu einer Verwandten gereis't war, wo sie ihrem gepreßten Herzen Luft machen zu können glaubte.
ger Zaͤrtlichkeit, und Tina erwiederte dieſe Liebe in demſelben Grade. Die jungen Leute waren noch nicht recht im Gange der Unterhaltung, als Staunitz mit Vetter Heinrich aus dem Hauſe trat, und den Gaſt mit lebhafter Freude umarmte. Er mußte erzaͤhlen von ſeiner Reiſe, von dem ploͤtzlichen Hintritt ſeines Vaters, bei deſſen Er¬ waͤhnung Blauenſtein unwillkuͤhrlich in ſeine alte Melancholie verfiel. Staunitz druͤckte ſeine Hand lebhaft, und fuͤhrte ihn dem alten Grafen ent¬ gegen, der ſo eben die Ankunft ſeines jungen Freundes erfahren hatte. Jetzt erſt fiel es dem letztern ſchwer auf's Herz, daß der Graf wohl uͤber ſeinen ploͤtzlichen Beſuch, den eigentlich nur eine Einladung von Seiten Blauenſteins ver¬ urſacht hatte, befremdet ſein muͤſſe. Aber der alte Herr bewillkommnete ihn mit freundlicher Herzlichkeit, und indem er ſein Beileid uͤber den Tod des Generalmajors ſehr theilnehmend aus¬ ſprach, meinte er, die Zerſtreuung des Landlebens werde ſeinen Schmerz mindern. Tante Letty war gluͤcklicher Weiſe nicht in Blumenau gegen¬ waͤrtig, ein ziemlich heftiger Streit mit dem Grafen, Tina betreffend, hatte ſie ſo erbittert, daß ſie auf einige Zeit zu einer Verwandten gereiſ't war, wo ſie ihrem gepreßten Herzen Luft machen zu koͤnnen glaubte.
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ger Zaͤrtlichkeit, und Tina erwiederte dieſe Liebe
in demſelben Grade. Die jungen Leute waren
noch nicht recht im Gange der Unterhaltung, als
Staunitz mit Vetter Heinrich aus dem Hauſe
trat, und den Gaſt mit lebhafter Freude umarmte.
Er mußte erzaͤhlen von ſeiner Reiſe, von dem
ploͤtzlichen Hintritt ſeines Vaters, bei deſſen Er¬
waͤhnung Blauenſtein unwillkuͤhrlich in ſeine alte
Melancholie verfiel. Staunitz druͤckte ſeine Hand
lebhaft, und fuͤhrte ihn dem alten Grafen ent¬
gegen, der ſo eben die Ankunft ſeines jungen
Freundes erfahren hatte. Jetzt erſt fiel es dem
letztern ſchwer auf's Herz, daß der Graf wohl
uͤber ſeinen ploͤtzlichen Beſuch, den eigentlich nur
eine Einladung von Seiten Blauenſteins ver¬
urſacht hatte, befremdet ſein muͤſſe. Aber der
alte Herr bewillkommnete ihn mit freundlicher
Herzlichkeit, und indem er ſein Beileid uͤber den
Tod des Generalmajors ſehr theilnehmend aus¬
ſprach, meinte er, die Zerſtreuung des Landlebens
werde ſeinen Schmerz mindern. Tante Letty
war gluͤcklicher Weiſe nicht in Blumenau gegen¬
waͤrtig, ein ziemlich heftiger Streit mit dem
Grafen, Tina betreffend, hatte ſie ſo erbittert, daß
ſie auf einige Zeit zu einer Verwandten gereiſ't
war, wo ſie ihrem gepreßten Herzen Luft machen
zu koͤnnen glaubte.
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/179>, abgerufen am 23.11.2024.
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