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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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sie war ohnehin für ihn verloren, mogte sie daher
ihre Ehre brandmarken, oder nicht, es mußte ihm
gleichgültig bleiben. Gleichgültig? wie Schuppen
fiel es ihm jetzt von den Augen, die veränderten
Verhältnisse, von denen Staunitz in seinem Briefe
sprach, hier hatte er sie ja lebendig vor sich!
Sie war mit Staunitz wegen einer neuen Lieb¬
schaft zerfallen, und dieser hatte die löbliche Ab¬
sicht, ihn, als Blauenstein, von seiner Neigung
zu Tina zu heilen. Ja, so war es bestimmt,
und Antönchen hatte er zu viel gethan.

9.
Liebe und Irrthum.

Blauenstein war im Begriff einen andern
Weg zum Schlosse zu wählen, um der verliebten
Comtesse Albertine durch sein plötzliches Erscheinen
eine Verlegenheit zu ersparen. Aber Tina machte
indem eine Bewegung des Kopfes nach der Seite,
wo Blauenstein herkam, sie erkannte ihn im
Augenblick, stieß einen kleinen Schrei des Schreckens
aus, sie mogte sich ihrer schweren Schuld bewußt

ſie war ohnehin fuͤr ihn verloren, mogte ſie daher
ihre Ehre brandmarken, oder nicht, es mußte ihm
gleichguͤltig bleiben. Gleichguͤltig? wie Schuppen
fiel es ihm jetzt von den Augen, die veraͤnderten
Verhaͤltniſſe, von denen Staunitz in ſeinem Briefe
ſprach, hier hatte er ſie ja lebendig vor ſich!
Sie war mit Staunitz wegen einer neuen Lieb¬
ſchaft zerfallen, und dieſer hatte die loͤbliche Ab¬
ſicht, ihn, als Blauenſtein, von ſeiner Neigung
zu Tina zu heilen. Ja, ſo war es beſtimmt,
und Antoͤnchen hatte er zu viel gethan.

9.
Liebe und Irrthum.

Blauenſtein war im Begriff einen andern
Weg zum Schloſſe zu waͤhlen, um der verliebten
Comteſſe Albertine durch ſein ploͤtzliches Erſcheinen
eine Verlegenheit zu erſparen. Aber Tina machte
indem eine Bewegung des Kopfes nach der Seite,
wo Blauenſtein herkam, ſie erkannte ihn im
Augenblick, ſtieß einen kleinen Schrei des Schreckens
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[171/0177] ſie war ohnehin fuͤr ihn verloren, mogte ſie daher ihre Ehre brandmarken, oder nicht, es mußte ihm gleichguͤltig bleiben. Gleichguͤltig? wie Schuppen fiel es ihm jetzt von den Augen, die veraͤnderten Verhaͤltniſſe, von denen Staunitz in ſeinem Briefe ſprach, hier hatte er ſie ja lebendig vor ſich! Sie war mit Staunitz wegen einer neuen Lieb¬ ſchaft zerfallen, und dieſer hatte die loͤbliche Ab¬ ſicht, ihn, als Blauenſtein, von ſeiner Neigung zu Tina zu heilen. Ja, ſo war es beſtimmt, und Antoͤnchen hatte er zu viel gethan. 9. Liebe und Irrthum. Blauenſtein war im Begriff einen andern Weg zum Schloſſe zu waͤhlen, um der verliebten Comteſſe Albertine durch ſein ploͤtzliches Erſcheinen eine Verlegenheit zu erſparen. Aber Tina machte indem eine Bewegung des Kopfes nach der Seite, wo Blauenſtein herkam, ſie erkannte ihn im Augenblick, ſtieß einen kleinen Schrei des Schreckens aus, ſie mogte ſich ihrer ſchweren Schuld bewußt

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/177>, abgerufen am 23.11.2024.