Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

der laurenden Bosheit; sie war bestimmt rein,
schuldlos wie ein Engel der bessern Welt. Aber
Gewißheit mußte er haben, und zwar so bald
wie möglich. -- Der nothdürftig reparirte Wagen
fuhr vor, und in kurzer Zeit war Blumenau er¬
reicht. Blauenstein stieg in der Nähe des Parks
aus, befahl seinen Leuten, langsam vorauf zu
fahren und ging in den Garten, der von tausend
frischen Blüthenkindern prangte und duftete. War
nicht im Garten, rechts vom Schlosse jemand?
Beinahe eine Figur wie Tina; neben ihr saß
ein junger Mann, vielleicht Staunitz; nein, der
war es nicht. Himmel, wenn Antönchen doch
recht gehabt hätte, denn Tina erhob sich lachend
und schäkernd, Blauenstein war unvermerkt näher
gekommen, und konnte es ganz deutlich sehn,
klopfte dem Menschen die Wangen und, -- ja
wahrhaftig, und setzte sich ihm auf den Schooß!
Nicht genug, sie schlang den vollen Arm um
seinen Nacken, und drückte ihm einen Kuß
auf die schwellenden Lippen. Blauenstein war es,
als fiele er herab vom Himmel in den Tartarus,
sein Auge füllte sich unwillkührlich mit Thränen.
Er suchte sich zu fassen und that einen Schritt
vorwärts. Was ging es ihn auch an, daß die
Comtesse sich so ungemein vergaß, und mit einem
jungen Schäfer in der Laube liebelte und kos'te,

der laurenden Bosheit; ſie war beſtimmt rein,
ſchuldlos wie ein Engel der beſſern Welt. Aber
Gewißheit mußte er haben, und zwar ſo bald
wie moͤglich. — Der nothduͤrftig reparirte Wagen
fuhr vor, und in kurzer Zeit war Blumenau er¬
reicht. Blauenſtein ſtieg in der Naͤhe des Parks
aus, befahl ſeinen Leuten, langſam vorauf zu
fahren und ging in den Garten, der von tauſend
friſchen Bluͤthenkindern prangte und duftete. War
nicht im Garten, rechts vom Schloſſe jemand?
Beinahe eine Figur wie Tina; neben ihr ſaß
ein junger Mann, vielleicht Staunitz; nein, der
war es nicht. Himmel, wenn Antoͤnchen doch
recht gehabt haͤtte, denn Tina erhob ſich lachend
und ſchaͤkernd, Blauenſtein war unvermerkt naͤher
gekommen, und konnte es ganz deutlich ſehn,
klopfte dem Menſchen die Wangen und, — ja
wahrhaftig, und ſetzte ſich ihm auf den Schooß!
Nicht genug, ſie ſchlang den vollen Arm um
ſeinen Nacken, und druͤckte ihm einen Kuß
auf die ſchwellenden Lippen. Blauenſtein war es,
als fiele er herab vom Himmel in den Tartarus,
ſein Auge fuͤllte ſich unwillkuͤhrlich mit Thraͤnen.
Er ſuchte ſich zu faſſen und that einen Schritt
vorwaͤrts. Was ging es ihn auch an, daß die
Comteſſe ſich ſo ungemein vergaß, und mit einem
jungen Schaͤfer in der Laube liebelte und koſ'te,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0176" n="170"/>
der laurenden Bosheit; &#x017F;ie war be&#x017F;timmt rein,<lb/>
&#x017F;chuldlos wie ein Engel der be&#x017F;&#x017F;ern Welt. Aber<lb/>
Gewißheit mußte er haben, und zwar &#x017F;o bald<lb/>
wie mo&#x0364;glich. &#x2014; Der nothdu&#x0364;rftig reparirte Wagen<lb/>
fuhr vor, und in kurzer Zeit war Blumenau er¬<lb/>
reicht. Blauen&#x017F;tein &#x017F;tieg in der Na&#x0364;he des Parks<lb/>
aus, befahl &#x017F;einen Leuten, lang&#x017F;am vorauf zu<lb/>
fahren und ging in den Garten, der von tau&#x017F;end<lb/>
fri&#x017F;chen Blu&#x0364;thenkindern prangte und duftete. War<lb/>
nicht im Garten, rechts vom Schlo&#x017F;&#x017F;e jemand?<lb/>
Beinahe eine Figur wie Tina; neben ihr &#x017F;<lb/>
ein junger Mann, vielleicht Staunitz; nein, der<lb/>
war es nicht. Himmel, wenn Anto&#x0364;nchen doch<lb/>
recht gehabt ha&#x0364;tte, denn Tina erhob &#x017F;ich lachend<lb/>
und &#x017F;cha&#x0364;kernd, Blauen&#x017F;tein war unvermerkt na&#x0364;her<lb/>
gekommen, und konnte es ganz deutlich &#x017F;ehn,<lb/>
klopfte dem Men&#x017F;chen die Wangen und, &#x2014; ja<lb/>
wahrhaftig, und &#x017F;etzte &#x017F;ich ihm auf den Schooß!<lb/>
Nicht genug, &#x017F;ie &#x017F;chlang den vollen Arm um<lb/>
&#x017F;einen Nacken, und dru&#x0364;ckte ihm einen Kuß<lb/>
auf die &#x017F;chwellenden Lippen. Blauen&#x017F;tein war es,<lb/>
als fiele er herab vom Himmel in den Tartarus,<lb/>
&#x017F;ein Auge fu&#x0364;llte &#x017F;ich unwillku&#x0364;hrlich mit Thra&#x0364;nen.<lb/>
Er &#x017F;uchte &#x017F;ich zu fa&#x017F;&#x017F;en und that einen Schritt<lb/>
vorwa&#x0364;rts. Was ging es ihn auch an, daß die<lb/>
Comte&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich &#x017F;o ungemein vergaß, und mit einem<lb/>
jungen Scha&#x0364;fer in der Laube liebelte und ko&#x017F;'te,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0176] der laurenden Bosheit; ſie war beſtimmt rein, ſchuldlos wie ein Engel der beſſern Welt. Aber Gewißheit mußte er haben, und zwar ſo bald wie moͤglich. — Der nothduͤrftig reparirte Wagen fuhr vor, und in kurzer Zeit war Blumenau er¬ reicht. Blauenſtein ſtieg in der Naͤhe des Parks aus, befahl ſeinen Leuten, langſam vorauf zu fahren und ging in den Garten, der von tauſend friſchen Bluͤthenkindern prangte und duftete. War nicht im Garten, rechts vom Schloſſe jemand? Beinahe eine Figur wie Tina; neben ihr ſaß ein junger Mann, vielleicht Staunitz; nein, der war es nicht. Himmel, wenn Antoͤnchen doch recht gehabt haͤtte, denn Tina erhob ſich lachend und ſchaͤkernd, Blauenſtein war unvermerkt naͤher gekommen, und konnte es ganz deutlich ſehn, klopfte dem Menſchen die Wangen und, — ja wahrhaftig, und ſetzte ſich ihm auf den Schooß! Nicht genug, ſie ſchlang den vollen Arm um ſeinen Nacken, und druͤckte ihm einen Kuß auf die ſchwellenden Lippen. Blauenſtein war es, als fiele er herab vom Himmel in den Tartarus, ſein Auge fuͤllte ſich unwillkuͤhrlich mit Thraͤnen. Er ſuchte ſich zu faſſen und that einen Schritt vorwaͤrts. Was ging es ihn auch an, daß die Comteſſe ſich ſo ungemein vergaß, und mit einem jungen Schaͤfer in der Laube liebelte und koſ'te,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/176
Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/176>, abgerufen am 27.11.2024.