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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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ein. Endlich erhob er sich, machte eine tiefe,
verbindliche Verbeuung, und trat wieder in den
hohen Fensterbogen, in den ich mich zurückgezogen
hatte. "Blauenstein," begann er, und seine Augen
glänzten, "das ist ein leibhaftiger Engel! Ich
habe das Himmelskind schon einmal gesehn, aber
gesprochen vor wenigen Augenblicken zum ersten
Male. Bei aller feinen, hohen Bildung, diese
einfache Weise, diese ländliche Unschuld bei so
viel richtigem Blick; Freund, suchen Sie mit dem
herrlichen Mädchen nur ein Wort zu reden, und
Sie werden entzückt sein!" Ein reichgallonirter
dienstbarer Geist des Probstes präsentirte duftenden
Punsch in glänzenden Crystallgläsern, und stöhrte
unsere Unterredung, und nach einem halben Stünd¬
chen, das ich dem Hoforganisten, der ein Langes
und Breites über eine neue Clavierschule von ihm
sprach, nicht entziehn konnte, lud der freundliche
Wirth den musicalischen Theil seiner Gäste in das
benachbarte geräumige Concertzimmer, wo ich
meine getreue Geige mit pochendem Herzen aus
dem grünausgeschlagenen Kasten nahm. Der
Probst, ein recht wackerer Geiger, ließ sich die Leitung
des Ganzen nicht nehmen, und der Legationsrath
postirte sich mit seinem silbernen Horne dicht
hinter mich. Auf dem Pulte lag eine Ouvertüre,
die mir in einem delicaten Geigensatze eine wahre

ein. Endlich erhob er ſich, machte eine tiefe,
verbindliche Verbeuung, und trat wieder in den
hohen Fenſterbogen, in den ich mich zuruͤckgezogen
hatte. „Blauenſtein,“ begann er, und ſeine Augen
glaͤnzten, „das iſt ein leibhaftiger Engel! Ich
habe das Himmelskind ſchon einmal geſehn, aber
geſprochen vor wenigen Augenblicken zum erſten
Male. Bei aller feinen, hohen Bildung, dieſe
einfache Weiſe, dieſe laͤndliche Unſchuld bei ſo
viel richtigem Blick; Freund, ſuchen Sie mit dem
herrlichen Maͤdchen nur ein Wort zu reden, und
Sie werden entzuͤckt ſein!“ Ein reichgallonirter
dienſtbarer Geiſt des Probſtes praͤſentirte duftenden
Punſch in glaͤnzenden Cryſtallglaͤſern, und ſtoͤhrte
unſere Unterredung, und nach einem halben Stuͤnd¬
chen, das ich dem Hoforganiſten, der ein Langes
und Breites uͤber eine neue Clavierſchule von ihm
ſprach, nicht entziehn konnte, lud der freundliche
Wirth den muſicaliſchen Theil ſeiner Gaͤſte in das
benachbarte geraͤumige Concertzimmer, wo ich
meine getreue Geige mit pochendem Herzen aus
dem gruͤnausgeſchlagenen Kaſten nahm. Der
Probſt, ein recht wackerer Geiger, ließ ſich die Leitung
des Ganzen nicht nehmen, und der Legationsrath
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[125/0131] ein. Endlich erhob er ſich, machte eine tiefe, verbindliche Verbeuung, und trat wieder in den hohen Fenſterbogen, in den ich mich zuruͤckgezogen hatte. „Blauenſtein,“ begann er, und ſeine Augen glaͤnzten, „das iſt ein leibhaftiger Engel! Ich habe das Himmelskind ſchon einmal geſehn, aber geſprochen vor wenigen Augenblicken zum erſten Male. Bei aller feinen, hohen Bildung, dieſe einfache Weiſe, dieſe laͤndliche Unſchuld bei ſo viel richtigem Blick; Freund, ſuchen Sie mit dem herrlichen Maͤdchen nur ein Wort zu reden, und Sie werden entzuͤckt ſein!“ Ein reichgallonirter dienſtbarer Geiſt des Probſtes praͤſentirte duftenden Punſch in glaͤnzenden Cryſtallglaͤſern, und ſtoͤhrte unſere Unterredung, und nach einem halben Stuͤnd¬ chen, das ich dem Hoforganiſten, der ein Langes und Breites uͤber eine neue Clavierſchule von ihm ſprach, nicht entziehn konnte, lud der freundliche Wirth den muſicaliſchen Theil ſeiner Gaͤſte in das benachbarte geraͤumige Concertzimmer, wo ich meine getreue Geige mit pochendem Herzen aus dem gruͤnausgeſchlagenen Kaſten nahm. Der Probſt, ein recht wackerer Geiger, ließ ſich die Leitung des Ganzen nicht nehmen, und der Legationsrath poſtirte ſich mit ſeinem ſilbernen Horne dicht hinter mich. Auf dem Pulte lag eine Ouvertuͤre, die mir in einem delicaten Geigenſatze eine wahre

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/131>, abgerufen am 04.12.2024.