Zwei Tage verschwanden mir auf das Ange¬ nehmste; Die beiden Knaben waren meine un¬ zertrennlichen Gefährten, und so bald der Abend nahte, durfte ich von dem Flügel nicht wieder fort. Eine Auswahl der trefflichsten Composi¬ tionen machte mir mein eignes Spiel zum Genuß, und ich durfte den reizenden Landsitz meines neuen Freundes nur mit dem festen Versprechen verlassen, recht bald dahin zurückkehren zu wollen.
Meine erste Sorge nach meiner Ankunft in der Residenz war, alle vorräthigen Acten des quästionirten Prozesses aufzusuchen, und sie an Maiberg zu schicken. Mein Großoncle hatte seine sehr beträchtlichen Erbgüter an die Familie P. verkauft; allein es war keine Zahlung erfolgt, und jene Familie, bisher in einem Pachtverhält¬ nisse, gerirte sich als Eigenthümer. Mein Vater hatte auf Zahlung als nächster Erbe geklagt, nebenbei ein bedeutendes Capital gekündigt, welches der Rath P. von ihm geliehn, und so standen die Sachen, als der Krieg ausbrach. P. behauptete seine Zahlung, die er als selbstständige Behauptung zu beweisen hatte, und führte den Beweis auf eine ränkevolle Art, indem er sich eines spitzfindigen Anwaldes bediente. Eine Menge erschwerender Umstände machten die Angelegenheit höchst ver¬
Zwei Tage verſchwanden mir auf das Ange¬ nehmſte; Die beiden Knaben waren meine un¬ zertrennlichen Gefaͤhrten, und ſo bald der Abend nahte, durfte ich von dem Fluͤgel nicht wieder fort. Eine Auswahl der trefflichſten Compoſi¬ tionen machte mir mein eignes Spiel zum Genuß, und ich durfte den reizenden Landſitz meines neuen Freundes nur mit dem feſten Verſprechen verlaſſen, recht bald dahin zuruͤckkehren zu wollen.
Meine erſte Sorge nach meiner Ankunft in der Reſidenz war, alle vorraͤthigen Acten des quaͤſtionirten Prozeſſes aufzuſuchen, und ſie an Maiberg zu ſchicken. Mein Großoncle hatte ſeine ſehr betraͤchtlichen Erbguͤter an die Familie P. verkauft; allein es war keine Zahlung erfolgt, und jene Familie, bisher in einem Pachtverhaͤlt¬ niſſe, gerirte ſich als Eigenthuͤmer. Mein Vater hatte auf Zahlung als naͤchſter Erbe geklagt, nebenbei ein bedeutendes Capital gekuͤndigt, welches der Rath P. von ihm geliehn, und ſo ſtanden die Sachen, als der Krieg ausbrach. P. behauptete ſeine Zahlung, die er als ſelbſtſtaͤndige Behauptung zu beweiſen hatte, und fuͤhrte den Beweis auf eine raͤnkevolle Art, indem er ſich eines ſpitzfindigen Anwaldes bediente. Eine Menge erſchwerender Umſtaͤnde machten die Angelegenheit hoͤchſt ver¬
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0127"n="121"/><p>Zwei Tage verſchwanden mir auf das Ange¬<lb/>
nehmſte; Die beiden Knaben waren meine un¬<lb/>
zertrennlichen Gefaͤhrten, und ſo bald der Abend<lb/>
nahte, durfte ich von dem Fluͤgel nicht wieder<lb/>
fort. Eine Auswahl der trefflichſten Compoſi¬<lb/>
tionen machte mir mein eignes Spiel zum Genuß,<lb/>
und ich durfte den reizenden Landſitz meines<lb/>
neuen Freundes nur mit dem feſten Verſprechen<lb/>
verlaſſen, recht bald dahin zuruͤckkehren zu wollen.</p><lb/><p>Meine erſte Sorge nach meiner Ankunft in<lb/>
der Reſidenz war, alle vorraͤthigen Acten des<lb/>
quaͤſtionirten Prozeſſes aufzuſuchen, und ſie an<lb/>
Maiberg zu ſchicken. Mein Großoncle hatte ſeine<lb/>ſehr betraͤchtlichen Erbguͤter an die Familie <hirendition="#aq">P.</hi><lb/>
verkauft; allein es war keine Zahlung erfolgt,<lb/>
und jene Familie, bisher in einem Pachtverhaͤlt¬<lb/>
niſſe, gerirte ſich als Eigenthuͤmer. Mein Vater<lb/>
hatte auf Zahlung als naͤchſter Erbe geklagt,<lb/>
nebenbei ein bedeutendes Capital gekuͤndigt, welches<lb/>
der Rath <hirendition="#aq">P.</hi> von ihm geliehn, und ſo ſtanden die<lb/>
Sachen, als der Krieg ausbrach. <hirendition="#aq">P.</hi> behauptete<lb/>ſeine Zahlung, die er als ſelbſtſtaͤndige Behauptung<lb/>
zu beweiſen hatte, und fuͤhrte den Beweis auf<lb/>
eine raͤnkevolle Art, indem er ſich eines ſpitzfindigen<lb/>
Anwaldes bediente. Eine Menge erſchwerender<lb/>
Umſtaͤnde machten die Angelegenheit hoͤchſt ver¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[121/0127]
Zwei Tage verſchwanden mir auf das Ange¬
nehmſte; Die beiden Knaben waren meine un¬
zertrennlichen Gefaͤhrten, und ſo bald der Abend
nahte, durfte ich von dem Fluͤgel nicht wieder
fort. Eine Auswahl der trefflichſten Compoſi¬
tionen machte mir mein eignes Spiel zum Genuß,
und ich durfte den reizenden Landſitz meines
neuen Freundes nur mit dem feſten Verſprechen
verlaſſen, recht bald dahin zuruͤckkehren zu wollen.
Meine erſte Sorge nach meiner Ankunft in
der Reſidenz war, alle vorraͤthigen Acten des
quaͤſtionirten Prozeſſes aufzuſuchen, und ſie an
Maiberg zu ſchicken. Mein Großoncle hatte ſeine
ſehr betraͤchtlichen Erbguͤter an die Familie P.
verkauft; allein es war keine Zahlung erfolgt,
und jene Familie, bisher in einem Pachtverhaͤlt¬
niſſe, gerirte ſich als Eigenthuͤmer. Mein Vater
hatte auf Zahlung als naͤchſter Erbe geklagt,
nebenbei ein bedeutendes Capital gekuͤndigt, welches
der Rath P. von ihm geliehn, und ſo ſtanden die
Sachen, als der Krieg ausbrach. P. behauptete
ſeine Zahlung, die er als ſelbſtſtaͤndige Behauptung
zu beweiſen hatte, und fuͤhrte den Beweis auf
eine raͤnkevolle Art, indem er ſich eines ſpitzfindigen
Anwaldes bediente. Eine Menge erſchwerender
Umſtaͤnde machten die Angelegenheit hoͤchſt ver¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/127>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.