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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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verfinsterten sich seine Züge, er warf nur einen
flüchtigen Blick in die Papiere, und mir die
letztern ziemlich heftig zu, indem er sagte, er habe
zu dergleichen keine Zeit. Ich entgegnete, daß
ich von ihm noch keine Belehrung und keine
Hülfe verlangt, daß ich lediglich und allein Herrn
Maiberg fragen wolle. Da lachte er laut auf,
faßte mich bei der Hand und sagte: "Nun, so
muß ich Sie schon zu ihm hinführen!"

Wir gingen der Allee entlang nach dem schönen
Wohngebäude zu. Ein Diener öffnete die hohe
Flügelthüre des nächsten Zimmers, und wir traten
ein. Das umstehende Geräthe, eine Menge
Bücher und Schriften verriethen, daß dies eine
Studierstube sei, und ich nahm ganz ermüdet
auf einem weichen Sessel Platz. Mein brummiger
Gesellschafter las eifrig in meinem Auszuge,
schnippte währenddem öfter mit dem Finger
und schnitt Gesichter, daß mir angst und bange
wurde. Als er zu Ende war mit Lesen, fragte
er: "War der hier, erwähnte v. Blauenstein ein
Verwandter des Grafen Selwitz?"

Ich bejahte kurz, und der Mann fragte weiter,
wer den so eben durchlaufenen Auszug geschrieben,

verfinſterten ſich ſeine Zuͤge, er warf nur einen
fluͤchtigen Blick in die Papiere, und mir die
letztern ziemlich heftig zu, indem er ſagte, er habe
zu dergleichen keine Zeit. Ich entgegnete, daß
ich von ihm noch keine Belehrung und keine
Huͤlfe verlangt, daß ich lediglich und allein Herrn
Maiberg fragen wolle. Da lachte er laut auf,
faßte mich bei der Hand und ſagte: „Nun, ſo
muß ich Sie ſchon zu ihm hinfuͤhren!“

Wir gingen der Allee entlang nach dem ſchoͤnen
Wohngebaͤude zu. Ein Diener oͤffnete die hohe
Fluͤgelthuͤre des naͤchſten Zimmers, und wir traten
ein. Das umſtehende Geraͤthe, eine Menge
Buͤcher und Schriften verriethen, daß dies eine
Studierſtube ſei, und ich nahm ganz ermuͤdet
auf einem weichen Seſſel Platz. Mein brummiger
Geſellſchafter las eifrig in meinem Auszuge,
ſchnippte waͤhrenddem oͤfter mit dem Finger
und ſchnitt Geſichter, daß mir angſt und bange
wurde. Als er zu Ende war mit Leſen, fragte
er: „War der hier, erwaͤhnte v. Blauenſtein ein
Verwandter des Grafen Selwitz?“

Ich bejahte kurz, und der Mann fragte weiter,
wer den ſo eben durchlaufenen Auszug geſchrieben,

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[118/0124] verfinſterten ſich ſeine Zuͤge, er warf nur einen fluͤchtigen Blick in die Papiere, und mir die letztern ziemlich heftig zu, indem er ſagte, er habe zu dergleichen keine Zeit. Ich entgegnete, daß ich von ihm noch keine Belehrung und keine Huͤlfe verlangt, daß ich lediglich und allein Herrn Maiberg fragen wolle. Da lachte er laut auf, faßte mich bei der Hand und ſagte: „Nun, ſo muß ich Sie ſchon zu ihm hinfuͤhren!“ Wir gingen der Allee entlang nach dem ſchoͤnen Wohngebaͤude zu. Ein Diener oͤffnete die hohe Fluͤgelthuͤre des naͤchſten Zimmers, und wir traten ein. Das umſtehende Geraͤthe, eine Menge Buͤcher und Schriften verriethen, daß dies eine Studierſtube ſei, und ich nahm ganz ermuͤdet auf einem weichen Seſſel Platz. Mein brummiger Geſellſchafter las eifrig in meinem Auszuge, ſchnippte waͤhrenddem oͤfter mit dem Finger und ſchnitt Geſichter, daß mir angſt und bange wurde. Als er zu Ende war mit Leſen, fragte er: „War der hier, erwaͤhnte v. Blauenſtein ein Verwandter des Grafen Selwitz?“ Ich bejahte kurz, und der Mann fragte weiter, wer den ſo eben durchlaufenen Auszug geſchrieben,

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/124>, abgerufen am 04.12.2024.