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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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"Von wem redest Du Schwager?" fragte
Blauenstein aufmerksamer gemacht.

"Wir nennen ihn nur den Blumenauer Grafen,"
erwiederte der Gefragte, "Ew. Gnaden zu dienen.
Er weiß sich was auf sein Reiten; und er setzt
sich justemente immer auf solche dickdröbische
Bestien, wie der Schimmel. Ich wollte mich
wahren; wer spatzieren reiten will, muß -- so
wahr ich lebe," unterbrach sich der redselige Pfer¬
debändiger, und trat ohne weitere Umstände an
das offene Fenster, "dort geht er hin! Daß Dich,
wie der leibhaftige Satan!"

Blauenstein war ebenfalls zum Fenster gegan¬
gen, er sah die offenbare Gefahr des Reiters.
Mit Blitzesschnelle war er auf der Straße. Das
wüthende Thier war von seinem Herrn nicht mehr
zu bändigen, die eine Gurt sprang, und in dem¬
selben Augenblicke wurde der Mann über die
Straße geschleift. Der Fuß war aus dem Bügel
nicht herauszuziehn, und mit verzweifelnder An¬
strengung suchte sich der Unglückliche empor zu
raffen. Mit drei bis vier Sätzen war Blauenstein
dem wüthenden Thiere nahe; den Zügel hastig
ergreifend, und es bei demselben mit kräftiger
Faust zurückreißend, war Eins. Nach wenigen

„Von wem redeſt Du Schwager?“ fragte
Blauenſtein aufmerkſamer gemacht.

„Wir nennen ihn nur den Blumenauer Grafen,“
erwiederte der Gefragte, „Ew. Gnaden zu dienen.
Er weiß ſich was auf ſein Reiten; und er ſetzt
ſich juſtemente immer auf ſolche dickdroͤbiſche
Beſtien, wie der Schimmel. Ich wollte mich
wahren; wer ſpatzieren reiten will, muß — ſo
wahr ich lebe,“ unterbrach ſich der redſelige Pfer¬
debaͤndiger, und trat ohne weitere Umſtaͤnde an
das offene Fenſter, „dort geht er hin! Daß Dich,
wie der leibhaftige Satan!“

Blauenſtein war ebenfalls zum Fenſter gegan¬
gen, er ſah die offenbare Gefahr des Reiters.
Mit Blitzesſchnelle war er auf der Straße. Das
wuͤthende Thier war von ſeinem Herrn nicht mehr
zu baͤndigen, die eine Gurt ſprang, und in dem¬
ſelben Augenblicke wurde der Mann uͤber die
Straße geſchleift. Der Fuß war aus dem Buͤgel
nicht herauszuziehn, und mit verzweifelnder An¬
ſtrengung ſuchte ſich der Ungluͤckliche empor zu
raffen. Mit drei bis vier Saͤtzen war Blauenſtein
dem wuͤthenden Thiere nahe; den Zuͤgel haſtig
ergreifend, und es bei demſelben mit kraͤftiger
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[6/0012] „Von wem redeſt Du Schwager?“ fragte Blauenſtein aufmerkſamer gemacht. „Wir nennen ihn nur den Blumenauer Grafen,“ erwiederte der Gefragte, „Ew. Gnaden zu dienen. Er weiß ſich was auf ſein Reiten; und er ſetzt ſich juſtemente immer auf ſolche dickdroͤbiſche Beſtien, wie der Schimmel. Ich wollte mich wahren; wer ſpatzieren reiten will, muß — ſo wahr ich lebe,“ unterbrach ſich der redſelige Pfer¬ debaͤndiger, und trat ohne weitere Umſtaͤnde an das offene Fenſter, „dort geht er hin! Daß Dich, wie der leibhaftige Satan!“ Blauenſtein war ebenfalls zum Fenſter gegan¬ gen, er ſah die offenbare Gefahr des Reiters. Mit Blitzesſchnelle war er auf der Straße. Das wuͤthende Thier war von ſeinem Herrn nicht mehr zu baͤndigen, die eine Gurt ſprang, und in dem¬ ſelben Augenblicke wurde der Mann uͤber die Straße geſchleift. Der Fuß war aus dem Buͤgel nicht herauszuziehn, und mit verzweifelnder An¬ ſtrengung ſuchte ſich der Ungluͤckliche empor zu raffen. Mit drei bis vier Saͤtzen war Blauenſtein dem wuͤthenden Thiere nahe; den Zuͤgel haſtig ergreifend, und es bei demſelben mit kraͤftiger Fauſt zuruͤckreißend, war Eins. Nach wenigen

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/12>, abgerufen am 21.11.2024.