richt gegeben, und ein finsterer Traum sagt mir, ich solle Dich nicht mehr in meine väterlichen Arme schließen. Wie der Himmel auch über mich gebieten möge, ich folge willig! Du bist nun seit beinahe drei Jahren abwesend; schon als Du mich verließest, drängte es mich, Dir eine Kata¬ strophe aus meinem Leben mitzutheilen, welche von so vielem Einflusse auf mich war. Jetzt ist Dein Sinn mehr geläutert, erfahrungsreicher, denn die Welt, wie sie dem mit Verstande Reisenden entgegen tritt, erweitert die Lebenskenntniß, sie erweckt bessere, gediegenere Ansichten. Wie lieb, wie unendlich lieb wäre es mir, wenn Du, mein August, hier am heutigen trüben Tage neben mir sitzen könntest, Du hättest Alles erfahren aus dem Munde dessen, dem so harte Prüfungen auf¬ erlegt wurden; aber mir ist, als wäre die Zeit fern, ach, als sollten wir uns in dieser Welt nicht wiedersehn! Du findest in diesen Blättern, die ich mit bebender Hand beschreibe, manche Auf¬ schlüsse über mein früheres Leben, und der geheime Wunsch, den mein letzter Brsef an Dich berührte, wird Dir hieraus klarer werden.
Du weißt, daß ich sehr frühzeitig als Cadett meinen ersten Militairunterricht in S. empfing. Es ging mir wohl, denn dem Mangel an eignen
8
richt gegeben, und ein finſterer Traum ſagt mir, ich ſolle Dich nicht mehr in meine vaͤterlichen Arme ſchließen. Wie der Himmel auch uͤber mich gebieten moͤge, ich folge willig! Du biſt nun ſeit beinahe drei Jahren abweſend; ſchon als Du mich verließeſt, draͤngte es mich, Dir eine Kata¬ ſtrophe aus meinem Leben mitzutheilen, welche von ſo vielem Einfluſſe auf mich war. Jetzt iſt Dein Sinn mehr gelaͤutert, erfahrungsreicher, denn die Welt, wie ſie dem mit Verſtande Reiſenden entgegen tritt, erweitert die Lebenskenntniß, ſie erweckt beſſere, gediegenere Anſichten. Wie lieb, wie unendlich lieb waͤre es mir, wenn Du, mein Auguſt, hier am heutigen truͤben Tage neben mir ſitzen koͤnnteſt, Du haͤtteſt Alles erfahren aus dem Munde deſſen, dem ſo harte Pruͤfungen auf¬ erlegt wurden; aber mir iſt, als waͤre die Zeit fern, ach, als ſollten wir uns in dieſer Welt nicht wiederſehn! Du findeſt in dieſen Blaͤttern, die ich mit bebender Hand beſchreibe, manche Auf¬ ſchluͤſſe uͤber mein fruͤheres Leben, und der geheime Wunſch, den mein letzter Brſef an Dich beruͤhrte, wird Dir hieraus klarer werden.
Du weißt, daß ich ſehr fruͤhzeitig als Cadett meinen erſten Militairunterricht in S. empfing. Es ging mir wohl, denn dem Mangel an eignen
8
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0119"n="113"/>
richt gegeben, und ein finſterer Traum ſagt mir,<lb/>
ich ſolle Dich nicht mehr in meine vaͤterlichen<lb/>
Arme ſchließen. Wie der Himmel auch uͤber mich<lb/>
gebieten moͤge, ich folge willig! Du biſt nun<lb/>ſeit beinahe drei Jahren abweſend; ſchon als Du<lb/>
mich verließeſt, draͤngte es mich, Dir eine Kata¬<lb/>ſtrophe aus meinem Leben mitzutheilen, welche<lb/>
von ſo vielem Einfluſſe auf mich war. Jetzt iſt<lb/>
Dein Sinn mehr gelaͤutert, erfahrungsreicher, denn<lb/>
die Welt, wie ſie dem mit Verſtande Reiſenden<lb/>
entgegen tritt, erweitert die Lebenskenntniß, ſie<lb/>
erweckt beſſere, gediegenere Anſichten. Wie lieb,<lb/>
wie unendlich lieb waͤre es mir, wenn Du, mein<lb/>
Auguſt, hier am heutigen truͤben Tage neben mir<lb/>ſitzen koͤnnteſt, Du haͤtteſt Alles erfahren aus<lb/>
dem Munde deſſen, dem ſo harte Pruͤfungen auf¬<lb/>
erlegt wurden; aber mir iſt, als waͤre die Zeit<lb/>
fern, ach, als ſollten wir uns in dieſer Welt nicht<lb/>
wiederſehn! Du findeſt in dieſen Blaͤttern, die<lb/>
ich mit bebender Hand beſchreibe, manche Auf¬<lb/>ſchluͤſſe uͤber mein fruͤheres Leben, und der geheime<lb/>
Wunſch, den mein letzter Brſef an Dich beruͤhrte,<lb/>
wird Dir hieraus klarer werden.</p><lb/><p>Du weißt, daß ich ſehr fruͤhzeitig als Cadett<lb/>
meinen erſten Militairunterricht in S. empfing.<lb/>
Es ging mir wohl, denn dem Mangel an eignen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">8<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[113/0119]
richt gegeben, und ein finſterer Traum ſagt mir,
ich ſolle Dich nicht mehr in meine vaͤterlichen
Arme ſchließen. Wie der Himmel auch uͤber mich
gebieten moͤge, ich folge willig! Du biſt nun
ſeit beinahe drei Jahren abweſend; ſchon als Du
mich verließeſt, draͤngte es mich, Dir eine Kata¬
ſtrophe aus meinem Leben mitzutheilen, welche
von ſo vielem Einfluſſe auf mich war. Jetzt iſt
Dein Sinn mehr gelaͤutert, erfahrungsreicher, denn
die Welt, wie ſie dem mit Verſtande Reiſenden
entgegen tritt, erweitert die Lebenskenntniß, ſie
erweckt beſſere, gediegenere Anſichten. Wie lieb,
wie unendlich lieb waͤre es mir, wenn Du, mein
Auguſt, hier am heutigen truͤben Tage neben mir
ſitzen koͤnnteſt, Du haͤtteſt Alles erfahren aus
dem Munde deſſen, dem ſo harte Pruͤfungen auf¬
erlegt wurden; aber mir iſt, als waͤre die Zeit
fern, ach, als ſollten wir uns in dieſer Welt nicht
wiederſehn! Du findeſt in dieſen Blaͤttern, die
ich mit bebender Hand beſchreibe, manche Auf¬
ſchluͤſſe uͤber mein fruͤheres Leben, und der geheime
Wunſch, den mein letzter Brſef an Dich beruͤhrte,
wird Dir hieraus klarer werden.
Du weißt, daß ich ſehr fruͤhzeitig als Cadett
meinen erſten Militairunterricht in S. empfing.
Es ging mir wohl, denn dem Mangel an eignen
8
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/119>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.