Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.Erstes Capitel, gemacht. Doch wenn man auf den Vortrag die-ser Redner genauer achtung giebt, so wird man bald mercken, daß, indem sie die allgemeinen Wahrheiten lebhafft vortragen wollen, sie überall Metaphorn, Gleichnisse, Exempel brauchen, Per- sonen redend einführen, und die Eigenschafften der Dinge in besondere Wesen verwandeln; wel- ches alles aus der historischen Erkentniß genom- men ist. Wann daher die Beredsamkeit, auch wo sie mit allgemeinen Wahrheiten umgehet, sich dennoch mit der historischen Erkentniß beschäffti- get; so kan man wohl sicher überhaupt schlüssen, daß die historische Erkentniß in dieselbe den grö- sten Einfluß habe. Und dieses würde sich noch deutlicher zeigen, wenn man in der Redekunst nicht wie bisher, bloß die Beschaffenheit der grös- sern Theile einer Rede, sondern auch die klei- nern, ja die kleinsten, in Betrachtung zu ziehen anfinge. §. 33. Einfluß der Historie in die Poesie. Eben die Bewandniß hat es mit den Ge- und
Erſtes Capitel, gemacht. Doch wenn man auf den Vortrag die-ſer Redner genauer achtung giebt, ſo wird man bald mercken, daß, indem ſie die allgemeinen Wahrheiten lebhafft vortragen wollen, ſie uͤberall Metaphorn, Gleichniſſe, Exempel brauchen, Per- ſonen redend einfuͤhren, und die Eigenſchafften der Dinge in beſondere Weſen verwandeln; wel- ches alles aus der hiſtoriſchen Erkentniß genom- men iſt. Wann daher die Beredſamkeit, auch wo ſie mit allgemeinen Wahrheiten umgehet, ſich dennoch mit der hiſtoriſchen Erkentniß beſchaͤffti- get; ſo kan man wohl ſicher uͤberhaupt ſchluͤſſen, daß die hiſtoriſche Erkentniß in dieſelbe den groͤ- ſten Einfluß habe. Und dieſes wuͤrde ſich noch deutlicher zeigen, wenn man in der Redekunſt nicht wie bisher, bloß die Beſchaffenheit der groͤſ- ſern Theile einer Rede, ſondern auch die klei- nern, ja die kleinſten, in Betrachtung zu ziehen anfinge. §. 33. Einfluß der Hiſtorie in die Poeſie. Eben die Bewandniß hat es mit den Ge- und
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Erſtes Capitel,
gemacht. Doch wenn man auf den Vortrag die-
ſer Redner genauer achtung giebt, ſo wird man
bald mercken, daß, indem ſie die allgemeinen
Wahrheiten lebhafft vortragen wollen, ſie uͤberall
Metaphorn, Gleichniſſe, Exempel brauchen, Per-
ſonen redend einfuͤhren, und die Eigenſchafften
der Dinge in beſondere Weſen verwandeln; wel-
ches alles aus der hiſtoriſchen Erkentniß genom-
men iſt. Wann daher die Beredſamkeit, auch
wo ſie mit allgemeinen Wahrheiten umgehet, ſich
dennoch mit der hiſtoriſchen Erkentniß beſchaͤffti-
get; ſo kan man wohl ſicher uͤberhaupt ſchluͤſſen,
daß die hiſtoriſche Erkentniß in dieſelbe den groͤ-
ſten Einfluß habe. Und dieſes wuͤrde ſich noch
deutlicher zeigen, wenn man in der Redekunſt
nicht wie bisher, bloß die Beſchaffenheit der groͤſ-
ſern Theile einer Rede, ſondern auch die klei-
nern, ja die kleinſten, in Betrachtung zu ziehen
anfinge.
§. 33.
Einfluß der Hiſtorie in die Poeſie.
Eben die Bewandniß hat es mit den Ge-
dichten. Sie ſind theils gemahlte Geſchichte,
theils gemahlte Fabeln, theils aus beyden zu-
ſammengeſetzt. Die poetiſche Mahlerey ſelber
beſtehet aus einer Menge kleiner Umſtaͤnde und
Begebenheiten, welche augenſcheinlich zur Hiſto-
rie gehoͤren. Wollte man in einem Gedichte
allgemeine Wahrheiten vortragen, ohne ei-
ne Menge von Geſchichten zu Huͤlffe zu
nehmen, ſo wuͤrde ſolches gewiß auſſer den Reim
und
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Zitationshilfe: | Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/56>, abgerufen am 03.03.2025. |