aus politischen Ursachen, meistens nicht einmahl frey stehet (§. cit.); so entstehet auch 5. daraus eine Weitläufftigkeit, die zwar vielen nützlich, auch manchem angenehm seyn kan; aber welche auch eine Menge von Lesern abschreckt, sich in Geschich- te einzulassen, die sie auszulesen nicht Gedult ge- nug haben. Zu geschweigen, daß 6. indem man die Umstände gar zu genau bemerckt, bald die- ser, bald jener, viele Stücke finden wird, die er als überflüßig ansiehet; und ohne zu bedencken, daß solche doch andern nützlich und angenehm seyn können, den Geschichtschreiber eines Gewäsches beschuldiget. Daher ist unumgänglich nöthig, daß ein Geschichtschreiber aus einer Geschichte, die er auf das ausführlichste weiß, einen Auszug machen muß.
§. 20. Erstes Kunststück eines Geschichtschreibers:
Denn ein Geschichtschreiber ist, vermöge dieses seines Amts, das er auf sich genommen hat, verbunden, allen Eckel und Abneigung der Leser sorgfältig zu vermeyden. Denn er schreibt zum Dienste und Gebrauch der Nachwelt; sein Buch soll also bis auf spätere Zeiten aufbehalten wer- den. Wie kan es aber vor dem Untergange ge- rettet werden, wenn es gleich Anfangs, nicht chne Mißfallen gelesen wird? Dieses aber also muß vermieden werden. Folglich auch die Weitläuff- tigkeit. Jn den späten Zeiten würde dieselbe vielleicht angenehm seyn: Als wenn wir ietzo von der Expedition des Xerxes in Griechenland, alle
March-
Eilfftes Capitel,
aus politiſchen Urſachen, meiſtens nicht einmahl frey ſtehet (§. cit.); ſo entſtehet auch 5. daraus eine Weitlaͤufftigkeit, die zwar vielen nuͤtzlich, auch manchem angenehm ſeyn kan; aber welche auch eine Menge von Leſern abſchreckt, ſich in Geſchich- te einzulaſſen, die ſie auszuleſen nicht Gedult ge- nug haben. Zu geſchweigen, daß 6. indem man die Umſtaͤnde gar zu genau bemerckt, bald die- ſer, bald jener, viele Stuͤcke finden wird, die er als uͤberfluͤßig anſiehet; und ohne zu bedencken, daß ſolche doch andern nuͤtzlich und angenehm ſeyn koͤnnen, den Geſchichtſchreiber eines Gewaͤſches beſchuldiget. Daher iſt unumgaͤnglich noͤthig, daß ein Geſchichtſchreiber aus einer Geſchichte, die er auf das ausfuͤhrlichſte weiß, einen Auszug machen muß.
§. 20. Erſtes Kunſtſtuͤck eines Geſchichtſchreibers:
Denn ein Geſchichtſchreiber iſt, vermoͤge dieſes ſeines Amts, das er auf ſich genommen hat, verbunden, allen Eckel und Abneigung der Leſer ſorgfaͤltig zu vermeyden. Denn er ſchreibt zum Dienſte und Gebrauch der Nachwelt; ſein Buch ſoll alſo bis auf ſpaͤtere Zeiten aufbehalten wer- den. Wie kan es aber vor dem Untergange ge- rettet werden, wenn es gleich Anfangs, nicht chne Mißfallen geleſen wird? Dieſes aber alſo muß vermieden werden. Folglich auch die Weitlaͤuff- tigkeit. Jn den ſpaͤten Zeiten wuͤrde dieſelbe vielleicht angenehm ſeyn: Als wenn wir ietzo von der Expedition des Xerxes in Griechenland, alle
March-
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Eilfftes Capitel,
aus politiſchen Urſachen, meiſtens nicht einmahl
frey ſtehet (§. cit.); ſo entſtehet auch 5. daraus
eine Weitlaͤufftigkeit, die zwar vielen nuͤtzlich, auch
manchem angenehm ſeyn kan; aber welche auch
eine Menge von Leſern abſchreckt, ſich in Geſchich-
te einzulaſſen, die ſie auszuleſen nicht Gedult ge-
nug haben. Zu geſchweigen, daß 6. indem man
die Umſtaͤnde gar zu genau bemerckt, bald die-
ſer, bald jener, viele Stuͤcke finden wird, die er
als uͤberfluͤßig anſiehet; und ohne zu bedencken,
daß ſolche doch andern nuͤtzlich und angenehm ſeyn
koͤnnen, den Geſchichtſchreiber eines Gewaͤſches
beſchuldiget. Daher iſt unumgaͤnglich noͤthig,
daß ein Geſchichtſchreiber aus einer Geſchichte, die
er auf das ausfuͤhrlichſte weiß, einen Auszug
machen muß.
§. 20.
Erſtes Kunſtſtuͤck eines Geſchichtſchreibers:
Denn ein Geſchichtſchreiber iſt, vermoͤge
dieſes ſeines Amts, das er auf ſich genommen hat,
verbunden, allen Eckel und Abneigung der Leſer
ſorgfaͤltig zu vermeyden. Denn er ſchreibt zum
Dienſte und Gebrauch der Nachwelt; ſein Buch
ſoll alſo bis auf ſpaͤtere Zeiten aufbehalten wer-
den. Wie kan es aber vor dem Untergange ge-
rettet werden, wenn es gleich Anfangs, nicht chne
Mißfallen geleſen wird? Dieſes aber alſo muß
vermieden werden. Folglich auch die Weitlaͤuff-
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/406>, abgerufen am 27.06.2024.
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