mehr sehr darauf hält, daß einer dem andern, und zwar Alte denen Jüngern, dasjenige beybrächten, was sie von ihren Eltern gehöret haben, sondern sich aufs schreiben verlässet, so werden die Geschichte bald sehr alt.
§. 2. Woraus man alte Geschichte erlernet.
Da hier das Wort Denckmahl ein Hauptbe- griff ist, so müssen wir dessen Bedeutung feste se- tzen. Es heisset nehmlich jedes Werck, welches vermögend ist, die Menschen von vergangenen Dingen zu belehren. Darzu sind nun die Schriff- ten ohne Zweiffel am allergeschicktesten; und folg- lich sind sie vor die wichtigste Art der Denckmahle zu halten. Allein man pflegt doch gemeiniglich (wenigstens nach der Deutschen Mundart) die Bücher, woraus man eine Geschichte erlernen kan, von den Denckmahlen derselben zu unterscheiden. Und dieses nicht ohne Grund. Denn ein Buch hat ja bey dem Leser alle Würckungen einer Rede. (§. 17. C. 7.) So lange also noch Bücher vor- handen sind, worinnen Sachen und Geschichte be- schrieben sind, so lange ist es eben so gut, als wenn wir aus dem Munde des Verfassers die Nachricht erhielten. Wie man nun eine mündliche Erzeh- lung nicht vor ein Denckmahl hält, also kan man auch die aufgeschriebenen Erzehlungen von denen Monumenten und Denckmahlen absondern. Mit- hin beruhet die Erkentniß der alten Geschichte theils auf Büchern, theils auf Denckmahlen.
§. 3
Eilfftes Capitel,
mehr ſehr darauf haͤlt, daß einer dem andern, und zwar Alte denen Juͤngern, dasjenige beybraͤchten, was ſie von ihren Eltern gehoͤret haben, ſondern ſich aufs ſchreiben verlaͤſſet, ſo werden die Geſchichte bald ſehr alt.
§. 2. Woraus man alte Geſchichte erlernet.
Da hier das Wort Denckmahl ein Hauptbe- griff iſt, ſo muͤſſen wir deſſen Bedeutung feſte ſe- tzen. Es heiſſet nehmlich jedes Werck, welches vermoͤgend iſt, die Menſchen von vergangenen Dingen zu belehren. Darzu ſind nun die Schriff- ten ohne Zweiffel am allergeſchickteſten; und folg- lich ſind ſie vor die wichtigſte Art der Denckmahle zu halten. Allein man pflegt doch gemeiniglich (wenigſtens nach der Deutſchen Mundart) die Buͤcher, woraus man eine Geſchichte erlernen kan, von den Denckmahlen derſelben zu unterſcheiden. Und dieſes nicht ohne Grund. Denn ein Buch hat ja bey dem Leſer alle Wuͤrckungen einer Rede. (§. 17. C. 7.) So lange alſo noch Buͤcher vor- handen ſind, worinnen Sachen und Geſchichte be- ſchrieben ſind, ſo lange iſt es eben ſo gut, als wenn wir aus dem Munde des Verfaſſers die Nachricht erhielten. Wie man nun eine muͤndliche Erzeh- lung nicht vor ein Denckmahl haͤlt, alſo kan man auch die aufgeſchriebenen Erzehlungen von denen Monumenten und Denckmahlen abſondern. Mit- hin beruhet die Erkentniß der alten Geſchichte theils auf Buͤchern, theils auf Denckmahlen.
§. 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0390"n="354"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Eilfftes Capitel,</hi></fw><lb/>
mehr ſehr darauf haͤlt, daß einer dem andern, und<lb/>
zwar Alte denen Juͤngern, dasjenige beybraͤchten,<lb/>
was ſie von ihren Eltern gehoͤret haben, ſondern ſich<lb/>
aufs <hirendition="#fr">ſchreiben</hi> verlaͤſſet, ſo werden die Geſchichte<lb/>
bald ſehr <hirendition="#fr">alt.</hi></p></div><lb/><divn="2"><head>§. 2.<lb/>
Woraus man alte Geſchichte erlernet.</head><lb/><p>Da hier das Wort <hirendition="#fr">Denckmahl</hi> ein Hauptbe-<lb/>
griff iſt, ſo muͤſſen wir deſſen Bedeutung feſte ſe-<lb/>
tzen. Es heiſſet nehmlich jedes Werck, welches<lb/>
vermoͤgend iſt, die Menſchen von vergangenen<lb/>
Dingen zu belehren. Darzu ſind nun die <hirendition="#fr">Schriff-<lb/>
ten</hi> ohne Zweiffel am allergeſchickteſten; und folg-<lb/>
lich ſind ſie vor die wichtigſte Art der <hirendition="#fr">Denckmahle</hi><lb/>
zu halten. Allein man pflegt doch gemeiniglich<lb/>
(wenigſtens nach der Deutſchen Mundart) die<lb/>
Buͤcher, woraus man eine Geſchichte erlernen kan,<lb/>
von den Denckmahlen derſelben zu unterſcheiden.<lb/>
Und dieſes nicht ohne Grund. Denn ein Buch hat<lb/>
ja bey dem Leſer alle Wuͤrckungen einer Rede.<lb/>
(§. 17. C. 7.) So lange alſo noch Buͤcher vor-<lb/>
handen ſind, worinnen Sachen und Geſchichte be-<lb/>ſchrieben ſind, ſo lange iſt es eben ſo gut, als wenn<lb/>
wir aus dem Munde des Verfaſſers die Nachricht<lb/>
erhielten. Wie man nun eine <hirendition="#fr">muͤndliche</hi> Erzeh-<lb/>
lung nicht vor ein <hirendition="#fr">Denckmahl</hi> haͤlt, alſo kan man<lb/>
auch die aufgeſchriebenen Erzehlungen von denen<lb/>
Monumenten und Denckmahlen abſondern. Mit-<lb/>
hin beruhet die Erkentniß der alten Geſchichte theils<lb/>
auf <hirendition="#fr">Buͤchern</hi>, theils auf <hirendition="#fr">Denckmahlen.</hi></p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch">§. 3</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[354/0390]
Eilfftes Capitel,
mehr ſehr darauf haͤlt, daß einer dem andern, und
zwar Alte denen Juͤngern, dasjenige beybraͤchten,
was ſie von ihren Eltern gehoͤret haben, ſondern ſich
aufs ſchreiben verlaͤſſet, ſo werden die Geſchichte
bald ſehr alt.
§. 2.
Woraus man alte Geſchichte erlernet.
Da hier das Wort Denckmahl ein Hauptbe-
griff iſt, ſo muͤſſen wir deſſen Bedeutung feſte ſe-
tzen. Es heiſſet nehmlich jedes Werck, welches
vermoͤgend iſt, die Menſchen von vergangenen
Dingen zu belehren. Darzu ſind nun die Schriff-
ten ohne Zweiffel am allergeſchickteſten; und folg-
lich ſind ſie vor die wichtigſte Art der Denckmahle
zu halten. Allein man pflegt doch gemeiniglich
(wenigſtens nach der Deutſchen Mundart) die
Buͤcher, woraus man eine Geſchichte erlernen kan,
von den Denckmahlen derſelben zu unterſcheiden.
Und dieſes nicht ohne Grund. Denn ein Buch hat
ja bey dem Leſer alle Wuͤrckungen einer Rede.
(§. 17. C. 7.) So lange alſo noch Buͤcher vor-
handen ſind, worinnen Sachen und Geſchichte be-
ſchrieben ſind, ſo lange iſt es eben ſo gut, als wenn
wir aus dem Munde des Verfaſſers die Nachricht
erhielten. Wie man nun eine muͤndliche Erzeh-
lung nicht vor ein Denckmahl haͤlt, alſo kan man
auch die aufgeſchriebenen Erzehlungen von denen
Monumenten und Denckmahlen abſondern. Mit-
hin beruhet die Erkentniß der alten Geſchichte theils
auf Buͤchern, theils auf Denckmahlen.
§. 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/390>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.