Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.Zehendes Capitel, Meynung; so würde uns die Nachricht, die wirvon ihnen erlangen, völlig ungewiß seyn (§. 11.). Gesetzt aber, ihrer sechse oder sieben sagen etwas aus, die drey oder vier übrigen das Gegentheil, so wird die erstere Nachricht, nehmlich die die meisten geben, uns wahrscheinlich seyn; und zwar nach der Definition der Wahrscheinlichkeit. Jst es aber nun auch möglich: Daß wir auch die Aussage der wenigern, nach derselben Defini- tion wahrscheinlich nennen können? keineswe- ges. Denn es hat dieselbe ja mehr criteria wi- der sich, als vor sich; welches der Definition der Wahrscheinlichkeit widerspricht. Folglich kan auch das eine nicht wahrscheinlicher seyn, als das andere. Und also giebt es hier keine Grade. Und der Satz ist der Wahrheit gemäß: Unter zwey contradictorisch entgegen stehenden Sätzen ist nur der eine wahrscheinlich. Dieses ist möglich: Daß ich die Gründe meiner Erkentniß bey einer einigen Sache theile: Und bey dem einen Grunde weniger Bedencken finde, als bey dem andern: Z. E. wenn von zehen Zu- schauern, sieben die Sache so, dreye aber das Gegentheil aussagen: So ist die Aussage der ersten wahrscheinlich, in Erwegung der An- zahl der Zeugen. Hingegen wenn es sich eben zutrüge, daß die drey Aussager bey mir ein völ- liges Ansehen hätten, der sieben ihr Ansehen aber bey mir geringe, oder mir gar verdächtig wären: So würde mir die Aussage der wenigeren wahrscheinlich seyn, in Betrachtung des Anse- hens der Aussager. Nun kommt es auf mich an,
Zehendes Capitel, Meynung; ſo wuͤrde uns die Nachricht, die wirvon ihnen erlangen, voͤllig ungewiß ſeyn (§. 11.). Geſetzt aber, ihrer ſechſe oder ſieben ſagen etwas aus, die drey oder vier uͤbrigen das Gegentheil, ſo wird die erſtere Nachricht, nehmlich die die meiſten geben, uns wahrſcheinlich ſeyn; und zwar nach der Definition der Wahrſcheinlichkeit. Jſt es aber nun auch moͤglich: Daß wir auch die Ausſage der wenigern, nach derſelben Defini- tion wahrſcheinlich nennen koͤnnen? keineswe- ges. Denn es hat dieſelbe ja mehr criteria wi- der ſich, als vor ſich; welches der Definition der Wahrſcheinlichkeit widerſpricht. Folglich kan auch das eine nicht wahrſcheinlicher ſeyn, als das andere. Und alſo giebt es hier keine Grade. Und der Satz iſt der Wahrheit gemaͤß: Unter zwey contradictoriſch entgegen ſtehenden Saͤtzen iſt nur der eine wahrſcheinlich. Dieſes iſt moͤglich: Daß ich die Gruͤnde meiner Erkentniß bey einer einigen Sache theile: Und bey dem einen Grunde weniger Bedencken finde, als bey dem andern: Z. E. wenn von zehen Zu- ſchauern, ſieben die Sache ſo, dreye aber das Gegentheil ausſagen: So iſt die Ausſage der erſten wahrſcheinlich, in Erwegung der An- zahl der Zeugen. Hingegen wenn es ſich eben zutruͤge, daß die drey Ausſager bey mir ein voͤl- liges Anſehen haͤtten, der ſieben ihr Anſehen aber bey mir geringe, oder mir gar verdaͤchtig waͤren: So wuͤrde mir die Ausſage der wenigeren wahrſcheinlich ſeyn, in Betrachtung des Anſe- hens der Ausſager. Nun kommt es auf mich an,
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Zehendes Capitel,
Meynung; ſo wuͤrde uns die Nachricht, die wir
von ihnen erlangen, voͤllig ungewiß ſeyn (§. 11.).
Geſetzt aber, ihrer ſechſe oder ſieben ſagen etwas
aus, die drey oder vier uͤbrigen das Gegentheil,
ſo wird die erſtere Nachricht, nehmlich die die
meiſten geben, uns wahrſcheinlich ſeyn; und
zwar nach der Definition der Wahrſcheinlichkeit.
Jſt es aber nun auch moͤglich: Daß wir auch die
Ausſage der wenigern, nach derſelben Defini-
tion wahrſcheinlich nennen koͤnnen? keineswe-
ges. Denn es hat dieſelbe ja mehr criteria wi-
der ſich, als vor ſich; welches der Definition der
Wahrſcheinlichkeit widerſpricht. Folglich kan
auch das eine nicht wahrſcheinlicher ſeyn, als
das andere. Und alſo giebt es hier keine Grade.
Und der Satz iſt der Wahrheit gemaͤß: Unter
zwey contradictoriſch entgegen ſtehenden
Saͤtzen iſt nur der eine wahrſcheinlich.
Dieſes iſt moͤglich: Daß ich die Gruͤnde meiner
Erkentniß bey einer einigen Sache theile: Und
bey dem einen Grunde weniger Bedencken finde,
als bey dem andern: Z. E. wenn von zehen Zu-
ſchauern, ſieben die Sache ſo, dreye aber das
Gegentheil ausſagen: So iſt die Ausſage der
erſten wahrſcheinlich, in Erwegung der An-
zahl der Zeugen. Hingegen wenn es ſich eben
zutruͤge, daß die drey Ausſager bey mir ein voͤl-
liges Anſehen haͤtten, der ſieben ihr Anſehen aber
bey mir geringe, oder mir gar verdaͤchtig waͤren:
So wuͤrde mir die Ausſage der wenigeren
wahrſcheinlich ſeyn, in Betrachtung des Anſe-
hens der Ausſager. Nun kommt es auf mich
an,
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