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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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Zehendes Capitel,
chenden Aussagen werden wir daher bald auf die-
se, bald auf jene Seite gelencket. Und dieser Fall
kommt bey nahe in allen Klagsachen vor Gerich-
te für: Jndem wenige Klagen angebracht wer-
den, wo nicht der Beklagte, wenigstens ein und
anderes Stück der Klage läugnen sollte. Bey
Kriegsunruhen entstehen immer neue, und einan-
der widersprechende Spargements, daß man nicht
weiß, was man davon glauben soll. Was wir
nun bey diesen Umständen, die unserer Seele alle-
mahl zur Last fallen, und in Ausführung der Ge-
schäffte überaus hinderlich sind, zu thun haben, ist,
daß wir uns von der Ungewißheit loß reissen, und
zur Gewißheit gelangen. Dieses ist nun öffters
nicht in unserer Gewalt; wenn wir nehmlich de-
nen Personen, durch die wir weiter belehret wer-
den müssen, nicht beykommen können: Und in
diesem Falle müssen wir mehrere Entdeckung
mit Gedult erwarten, oder abwarten, daß sich
die Sache mehr und mehr auswickelt, und auf-
klärt.
Es ist wahr, daß unsere Seele nicht ru-
hig werden kan; daher sucht sie bey vorhandenen
Zweifel, wenn derselbe nicht kan gehoben werden,
das Wahrscheinliche heraus; oder wie man
zu reden pflegt, das was am wahrscheinlichsten
ist; wovon wir hernach handeln wollen. Aber
dieses muß doch nun das letzte Refugium bleiben,
und die eigentliche Bemühung eines Zweiflers
muß dahin gehen, durch neue Entdeckungen den
Zweifel zu heben; welches zu thun der Weg gar
selten gantz und gar abgeschnitten ist. Wir be-
trachten also zuförderst den Fall eines vorhande-

nen

Zehendes Capitel,
chenden Ausſagen werden wir daher bald auf die-
ſe, bald auf jene Seite gelencket. Und dieſer Fall
kommt bey nahe in allen Klagſachen vor Gerich-
te fuͤr: Jndem wenige Klagen angebracht wer-
den, wo nicht der Beklagte, wenigſtens ein und
anderes Stuͤck der Klage laͤugnen ſollte. Bey
Kriegsunruhen entſtehen immer neue, und einan-
der widerſprechende Spargements, daß man nicht
weiß, was man davon glauben ſoll. Was wir
nun bey dieſen Umſtaͤnden, die unſerer Seele alle-
mahl zur Laſt fallen, und in Ausfuͤhrung der Ge-
ſchaͤffte uͤberaus hinderlich ſind, zu thun haben, iſt,
daß wir uns von der Ungewißheit loß reiſſen, und
zur Gewißheit gelangen. Dieſes iſt nun oͤffters
nicht in unſerer Gewalt; wenn wir nehmlich de-
nen Perſonen, durch die wir weiter belehret wer-
den muͤſſen, nicht beykommen koͤnnen: Und in
dieſem Falle muͤſſen wir mehrere Entdeckung
mit Gedult erwarten, oder abwarten, daß ſich
die Sache mehr und mehr auswickelt, und auf-
klaͤrt.
Es iſt wahr, daß unſere Seele nicht ru-
hig werden kan; daher ſucht ſie bey vorhandenen
Zweifel, wenn derſelbe nicht kan gehoben werden,
das Wahrſcheinliche heraus; oder wie man
zu reden pflegt, das was am wahrſcheinlichſten
iſt; wovon wir hernach handeln wollen. Aber
dieſes muß doch nun das letzte Refugium bleiben,
und die eigentliche Bemuͤhung eines Zweiflers
muß dahin gehen, durch neue Entdeckungen den
Zweifel zu heben; welches zu thun der Weg gar
ſelten gantz und gar abgeſchnitten iſt. Wir be-
trachten alſo zufoͤrderſt den Fall eines vorhande-

nen
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[320/0356] Zehendes Capitel, chenden Ausſagen werden wir daher bald auf die- ſe, bald auf jene Seite gelencket. Und dieſer Fall kommt bey nahe in allen Klagſachen vor Gerich- te fuͤr: Jndem wenige Klagen angebracht wer- den, wo nicht der Beklagte, wenigſtens ein und anderes Stuͤck der Klage laͤugnen ſollte. Bey Kriegsunruhen entſtehen immer neue, und einan- der widerſprechende Spargements, daß man nicht weiß, was man davon glauben ſoll. Was wir nun bey dieſen Umſtaͤnden, die unſerer Seele alle- mahl zur Laſt fallen, und in Ausfuͤhrung der Ge- ſchaͤffte uͤberaus hinderlich ſind, zu thun haben, iſt, daß wir uns von der Ungewißheit loß reiſſen, und zur Gewißheit gelangen. Dieſes iſt nun oͤffters nicht in unſerer Gewalt; wenn wir nehmlich de- nen Perſonen, durch die wir weiter belehret wer- den muͤſſen, nicht beykommen koͤnnen: Und in dieſem Falle muͤſſen wir mehrere Entdeckung mit Gedult erwarten, oder abwarten, daß ſich die Sache mehr und mehr auswickelt, und auf- klaͤrt. Es iſt wahr, daß unſere Seele nicht ru- hig werden kan; daher ſucht ſie bey vorhandenen Zweifel, wenn derſelbe nicht kan gehoben werden, das Wahrſcheinliche heraus; oder wie man zu reden pflegt, das was am wahrſcheinlichſten iſt; wovon wir hernach handeln wollen. Aber dieſes muß doch nun das letzte Refugium bleiben, und die eigentliche Bemuͤhung eines Zweiflers muß dahin gehen, durch neue Entdeckungen den Zweifel zu heben; welches zu thun der Weg gar ſelten gantz und gar abgeſchnitten iſt. Wir be- trachten alſo zufoͤrderſt den Fall eines vorhande- nen

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/356>, abgerufen am 23.11.2024.