Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Neuntes Capitel,
seyn sollten: Also ist auch klar, daß aus unzwei-
felhafften Documenten und Jnstrumenten eine
gantz gewisse Erkentniß der Geschichte erhalten
werde.

§. 36.
Untersuchung Notorischer Wahrheiten.

Die sogenannten Notorischen Begebenhei-
ten, nehmen unter denen historischen Wahrheiten
eine der ersten Stellen ein, welchen man am wenig-
sten die Gewißheit absprechen wird. Nun ist
die Frage, was sind Notorische Sachen? Hal-
ten wir die verschiedenen Exempel zusammen, wo-
von man die Notorietät rühmet, so scheinen fol-
gende Eigenschafften nöthig zu seyn. 1. Daß es
entweder an sich eine öffentliche Begebenheit,
als inuasiones, Schlachten, Wasserfluthen sind,
oder wenigstens öffentlich bekannt gemachte
Begebenheiten. Dergleichen die Geburt fürstli-
cher Kinder ist. Nun weiß man, was öffentliche
Begebenheiten schon vor einen Anspruch an die Ge-
wißheit haben (§. 33.). Es ist aber 2. nöthig,
daß dergleichen Begebenheiten auch noch so neu
seynd, daß erforderlichen Falls, die Zuschauer,
auf denen doch allemahl der Grund der histori-
schen Wahrheit beruhet, zu Zeugen könten aufgefor-
dert werden. Von alten Begebenheiten pflegt man
eher zu sagen, daß sie gewiß, unstreitig u. s. w. als
daß sie Notorisch genennet würden. Aber 3. schei-
net auch dieses erfordert zu werden, daß man in
Ansehung der Entfernung, denen Zuschauern
leicht sich nähern und ihr Zeugniß imploviren kön-

ne:

Neuntes Capitel,
ſeyn ſollten: Alſo iſt auch klar, daß aus unzwei-
felhafften Documenten und Jnſtrumenten eine
gantz gewiſſe Erkentniß der Geſchichte erhalten
werde.

§. 36.
Unterſuchung Notoriſcher Wahrheiten.

Die ſogenannten Notoriſchen Begebenhei-
ten, nehmen unter denen hiſtoriſchen Wahrheiten
eine der erſten Stellen ein, welchen man am wenig-
ſten die Gewißheit abſprechen wird. Nun iſt
die Frage, was ſind Notoriſche Sachen? Hal-
ten wir die verſchiedenen Exempel zuſammen, wo-
von man die Notorietaͤt ruͤhmet, ſo ſcheinen fol-
gende Eigenſchafften noͤthig zu ſeyn. 1. Daß es
entweder an ſich eine oͤffentliche Begebenheit,
als inuaſiones, Schlachten, Waſſerfluthen ſind,
oder wenigſtens oͤffentlich bekannt gemachte
Begebenheiten. Dergleichen die Geburt fuͤrſtli-
cher Kinder iſt. Nun weiß man, was oͤffentliche
Begebenheiten ſchon vor einen Anſpruch an die Ge-
wißheit haben (§. 33.). Es iſt aber 2. noͤthig,
daß dergleichen Begebenheiten auch noch ſo neu
ſeynd, daß erforderlichen Falls, die Zuſchauer,
auf denen doch allemahl der Grund der hiſtori-
ſchen Wahrheit beruhet, zu Zeugen koͤnten aufgefor-
dert werden. Von alten Begebenheiten pflegt man
eher zu ſagen, daß ſie gewiß, unſtreitig u. ſ. w. als
daß ſie Notoriſch genennet wuͤrden. Aber 3. ſchei-
net auch dieſes erfordert zu werden, daß man in
Anſehung der Entfernung, denen Zuſchauern
leicht ſich naͤhern und ihr Zeugniß imploviren koͤn-

ne:
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0350" n="314"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Neuntes Capitel,</hi></fw><lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;ollten: Al&#x017F;o i&#x017F;t auch klar, daß aus unzwei-<lb/>
felhafften Documenten und Jn&#x017F;trumenten eine<lb/><hi rendition="#fr">gantz gewi&#x017F;&#x017F;e</hi> Erkentniß der Ge&#x017F;chichte erhalten<lb/>
werde.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 36.<lb/>
Unter&#x017F;uchung Notori&#x017F;cher Wahrheiten.</head><lb/>
          <p>Die &#x017F;ogenannten <hi rendition="#fr">Notori&#x017F;chen</hi> Begebenhei-<lb/>
ten, nehmen unter denen hi&#x017F;tori&#x017F;chen Wahrheiten<lb/>
eine der er&#x017F;ten Stellen ein, welchen man am wenig-<lb/>
&#x017F;ten die Gewißheit ab&#x017F;prechen wird. Nun i&#x017F;t<lb/>
die Frage, was &#x017F;ind <hi rendition="#fr">Notori&#x017F;che</hi> Sachen? Hal-<lb/>
ten wir die ver&#x017F;chiedenen Exempel zu&#x017F;ammen, wo-<lb/>
von man die <hi rendition="#fr">Notorieta&#x0364;t</hi> ru&#x0364;hmet, &#x017F;o &#x017F;cheinen fol-<lb/>
gende Eigen&#x017F;chafften no&#x0364;thig zu &#x017F;eyn. 1. Daß es<lb/>
entweder an &#x017F;ich eine <hi rendition="#fr">o&#x0364;ffentliche</hi> Begebenheit,<lb/>
als <hi rendition="#aq">inua&#x017F;iones,</hi> Schlachten, Wa&#x017F;&#x017F;erfluthen &#x017F;ind,<lb/>
oder wenig&#x017F;tens <hi rendition="#fr">o&#x0364;ffentlich bekannt gemachte</hi><lb/>
Begebenheiten. Dergleichen die Geburt fu&#x0364;r&#x017F;tli-<lb/>
cher Kinder i&#x017F;t. Nun weiß man, was o&#x0364;ffentliche<lb/>
Begebenheiten &#x017F;chon vor einen An&#x017F;pruch an die Ge-<lb/>
wißheit haben (§. 33.). Es i&#x017F;t aber 2. no&#x0364;thig,<lb/>
daß dergleichen Begebenheiten auch noch &#x017F;o neu<lb/>
&#x017F;eynd, daß erforderlichen Falls, die <hi rendition="#fr">Zu&#x017F;chauer,</hi><lb/>
auf denen doch allemahl der Grund der hi&#x017F;tori-<lb/>
&#x017F;chen Wahrheit beruhet, zu Zeugen ko&#x0364;nten aufgefor-<lb/>
dert werden. Von alten Begebenheiten pflegt man<lb/>
eher zu &#x017F;agen, daß &#x017F;ie gewiß, un&#x017F;treitig u. &#x017F;. w. als<lb/>
daß &#x017F;ie Notori&#x017F;ch genennet wu&#x0364;rden. Aber 3. &#x017F;chei-<lb/>
net auch die&#x017F;es erfordert zu werden, daß man in<lb/><hi rendition="#fr">An&#x017F;ehung</hi> der Entfernung, denen Zu&#x017F;chauern<lb/>
leicht &#x017F;ich na&#x0364;hern und ihr Zeugniß imploviren ko&#x0364;n-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ne:</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[314/0350] Neuntes Capitel, ſeyn ſollten: Alſo iſt auch klar, daß aus unzwei- felhafften Documenten und Jnſtrumenten eine gantz gewiſſe Erkentniß der Geſchichte erhalten werde. §. 36. Unterſuchung Notoriſcher Wahrheiten. Die ſogenannten Notoriſchen Begebenhei- ten, nehmen unter denen hiſtoriſchen Wahrheiten eine der erſten Stellen ein, welchen man am wenig- ſten die Gewißheit abſprechen wird. Nun iſt die Frage, was ſind Notoriſche Sachen? Hal- ten wir die verſchiedenen Exempel zuſammen, wo- von man die Notorietaͤt ruͤhmet, ſo ſcheinen fol- gende Eigenſchafften noͤthig zu ſeyn. 1. Daß es entweder an ſich eine oͤffentliche Begebenheit, als inuaſiones, Schlachten, Waſſerfluthen ſind, oder wenigſtens oͤffentlich bekannt gemachte Begebenheiten. Dergleichen die Geburt fuͤrſtli- cher Kinder iſt. Nun weiß man, was oͤffentliche Begebenheiten ſchon vor einen Anſpruch an die Ge- wißheit haben (§. 33.). Es iſt aber 2. noͤthig, daß dergleichen Begebenheiten auch noch ſo neu ſeynd, daß erforderlichen Falls, die Zuſchauer, auf denen doch allemahl der Grund der hiſtori- ſchen Wahrheit beruhet, zu Zeugen koͤnten aufgefor- dert werden. Von alten Begebenheiten pflegt man eher zu ſagen, daß ſie gewiß, unſtreitig u. ſ. w. als daß ſie Notoriſch genennet wuͤrden. Aber 3. ſchei- net auch dieſes erfordert zu werden, daß man in Anſehung der Entfernung, denen Zuſchauern leicht ſich naͤhern und ihr Zeugniß imploviren koͤn- ne:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/350
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/350>, abgerufen am 22.12.2024.